Dr. Gniffkes Macht um Acht: Wir Alternativlosen
von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam
Wir können die deutsche Wirtschaft nicht vor den US-Sanktionen schützen.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Außenminister-Darsteller Heiko Maas geben sich machtlos. Bundeskanzlerin Merkel harmlos: Trumps rechtswidrige Aufkündigung des Vertragswerks mit Iran "beschädigt das Vertrauen im internationalen Umgang". Ja, und?
Die journalistische Hammelherde in den korporierten Massenmedien, angeführt von der ARD-Tagesschau, referiert die vermeintliche Hilf- und Ratlosigkeit des politischen Establishments und bohrt nicht nach. Es gibt keine offene Debatte über Gegenwehr. Regierung, Parlament und angeschlossene Medien diskutieren darüber nicht.
Man hätte doch gar zu gern erfahren, was Trumps völkerrechtswidrigen Abenteuern entgegenzusetzen wäre – und warum unsere politische Kaste davor kneift. Der Informationsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bleibt trotz der Dringlichkeit dieser Fragen unerfüllt.
Wie wäre es beispielsweise, eine Klage bei der WTO gegen den US-Vertragsbruch einzureichen? Washington hat bereits erste Sanktionen wegen Geschäften mit Iran verfügt. Wie sonst reagieren?
1. Einbestellung des US-Botschafters Richard Grenell. Der Mann mit der anrüchigen Vergangenheit hatte, kaum war er in Berlin akkreditiert, von der deutschen Wirtschaft verlangt, sofort ihre Geschäfte mit Iran abzubrechen. Grenell wäre aufzufordern, zwecks Schulung in diplomatisch-höflichem Benehmen in die USA zurückzukehren und erst in angemessener Frist mit gewaschenem Hals wieder in Berlin aufzutauchen.
2. Aufhebung der deutschen und der EU-Sanktionen gegen Russland. Sie richten ohnehin den größten Schaden bei uns selbst an und dienen den Interessen der US-Konkurrenz. Das neue italienische Regierungsbündnis aus "Fünf-Sterne" und "Lega" will übrigens auch den Neuanfang zwischen EU und Russland.
3. Knackige Besteuerung von US-Konzernen, die bisher in der BRD ein Milliardengeschäft machen und fast keine Steuern zahlen (Starbucks, Amazon, Mikrosoft, Apple, Google, Facebook, General Motors, usw. usw.)
Die US-Regierung würde darauf natürlich mit gesteigerter Aggressivität regieren, weil sie Gegenwind aus Berlin nicht kennt. Deshalb wären weitere Maßnahmen zu entwickeln. Mit dem festen Vorsatz, den Kriegs- und Aggressionskurs der USA gegenüber dem Rest der Welt endlich zu verlassen und eine geopolitische Neuorientierung einzuleiten:
1. Rückzug aus der militärischen Zusammenarbeit in der NATO (wie einst von Frankreichs Charles de Gaulle vorexerziert). Er wäre unverzüglich möglich und könnte, falls die USA ihre feindselige Politik beibehalten, in einen deutschen Austritt aus der NATO münden. Würde uns Washington Drohnen und Invasionstruppen schicken? Oder würde Russland uns angreifen? Wer glaubt solch dummes Zeug noch?
2. Sperrung der Satelliten-Relaisstationen in Ramstein und an anderen Basen in Deutschland, von denen aus die USA ihren verbrecherischen Drohnenkrieg steuern. Sperrung unseres Luftraums für die völkerrechtswidrigen Kriegseinsätze der US-Air-Force.
3. Schließung des US-Atombombenlagers in Büchel. Die Bundesregierung duldet es und hat sogar vertraglich geregelt, dass die Bundesluftwaffe im Kriegsfall ihre Trägersysteme samt Besatzungen für Atombombenflüge zur Verfügung stellt. Damit verstößt sie effektiv gegen das Grundgesetz und den Atomwaffensperrvertrag.
4. Ausweisung aller hier akkreditierten US-Geheimdienstler als "unerwünschte Personen". Erfassung, Kontrolle bzw. Neutralisierung aller Kommunikationsstränge der in Deutschland tätigen US-Geheimdienste nebst intensiver Spionageabwehr.
5. Beendigung der Finanzierung und der faktischen Exterritorialität der militärischen Anlagen der USA in Deutschland.
6. Aufkündigung des Stationierungsabkommens von 1954 ("Aufenthaltsvertrag"), das den Militärs der USA den Status von Besatzern verleiht.
7. Rückzug der Bundeswehr aus allen militärischen Engagements außerhalb unserer Landesgrenzen. Zu allererst Abbruch der Einsätze in Nahost, im östlichen Mittelmeer und in Afghanistan. Umwandlung der BW in eine reine Verteidigungsstreitmacht, die innerhalb der deutschen Landesgrenzen verbleibt.
8. Erklärung der Neutralität Deutschlands nach den Vorbildern Österreich, Schweden, Finnland, Schweiz. Entsprechende Neuverhandlungen der EU-Verträge.
9. Steuerliche Entlastung und finanzielle Förderung aller deutschen Unternehmen für eine Übergangszeit, in der ihnen von den US-Sanktionen Nachteile erwachsen. Gegenfinanzierung: Vermögenssteuer auf das private Geldvermögen. Konversion der deutschen Exportwirtschaft, weg vom Gängelband der USA und hin zu einer alternativen und fairen Außenwirtschaft.
Utopisch? Die Wirtschaftsmacht USA ist vollkommen marode, der Staat mit nie mehr bezahlbaren 20 Billionen Dollar verschuldet. Trump ist nicht allmächtig. Selbst Nordkorea hat ihm schon seine Grenzen aufgezeigt. Großbritannien hat gerade trotz aller US-Drohungen ein umfangreiches Abkommen mit Iran zur Exploration neuer Ölfelder getroffen.
Gefährlich? Es ist daran zu erinnern, dass die Sowjetunion freiwillig (2+4-Vertrag) alle ihre Soldaten und militärischen Einrichtungen aus Deutschland abzog. Die deutsche "Verteidigungspolitik" basiert komplett auf einer russophoben Chimäre, gipfelnd in dem bösartigen Schwachsinn "unsere Demokratie muss auch am Hindukusch verteidigt werden".
Würde der deutsche Militärhaushalt, wie von Trump verlangt, auf den Umfang von 2 Prozent des Bruttosozialprodukts erhöht – 75 Milliarden Euro! – dann wäre er größer als der russische (68 Milliarden US-Dollar). Das gab es vordem nur zu Hitlers Zeiten. Aus solchem Albtraum, personifiziert von einer Ministerin mit arg beschränkter intellektueller Eigenständigkeit, sollten wir endlich erwachen.
Die Auflistung ist selbstredend laienhaft, unvollständig und folgt keiner logischen Inhärenz. Geben wir uns aber nicht der Illusion hin, dass das Berliner Kabinett überhaupt zu einer emanzipatorischen Politik bereit wäre. Im GroKo-Schießbudenfigurenkabinett ist der Helotencharakter gefragt, der Abnicker auf dem Aussitzer-Hintern. Unterwerfung unter die Interessen einer deutschen Exportwirtschaft, die dreifach höhere Profite im Geschäft mit den USA erzielt als mit Russland und Iran.
Berlin will nicht wahrhaben, dass die Zukunft Europas im Handel mit Asien liegt, in der Zusammenarbeit mit Russland, China, Iran, Indien ...
Das Autoren-Team:
Friedhelm Klinkhammer, Jahrgang 1944, Jurist. 1975 bis 2008 Mitarbeiter des NDR, zeitweise Vorsitzender des NDR-Gesamtpersonalrats und des ver.di-Betriebsverbandes sowie Referent einer Funkhausdirektorin.
Volker Bräutigam, Jahrgang 1941, Redakteur. 1975 bis 1996 im NDR, zunächst in der Tagesschau, von 1985 an in der Kulturredaktion für N3. Danach Lehr- und Forschungsauftrag an der Fu-Jen-Uni in Taipeh.
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