Nichts hebt die Stimmung so sehr wie ein bisschen Schadenfreude
Ein Kommentar von Damian Wilson
Die Deutschen laben sich so gerne am Unglück anderer, dass sie dafür sogar ein Wort haben – Schadenfreude. Ein Wort, das als Begriff mittlerweile auch in anderen Sprachen Einzug gehalten hat. Die Gefahr, Schadenfreude zu öffentlich und zu enthusiastisch zu zelebrieren, besteht jedoch darin, dass die Dinge manchmal einfach die Tendenz haben, sich zu drehen und einen in den eigenen Hintern beißen, wie die Bild-Zeitung zu ihrem eigenen Unbehagen feststellen musste.
Die Medienwelt ist ein seltsamer, vernetzter Ort, und im Allgemeinen teilen viele Medien, obwohl sie in Konkurrenz zueinander stehen und oft von gegensätzlichen Ideen und Motivationen geleitet werden, immer noch eine universelle Wertschätzung der Meinungsfreiheit. Aber als die Bild auf den Mann und nicht auf den Ball spielte, als die jüngste Entscheidung von Youtube war, zwei RT DE-Kanälen auf ihrer Plattform den Stecker zu ziehen, dann war das ein bisschen, wie soll ich sagen, daneben. RT DE fiel einer Online-Razzia von Youtube zum Opfer, die sich gegen die Verbreitung von Meinungen rund um die Coronavirus-Pandemie richtete, mit denen den allgemein gefeierten wissenschaftlichen Experten ins Gesicht geklatscht wurde – pardon, ich meine natürlich in die Gesichter der eigennützigen, progressiven Nerds, die vom Silicon Valley heraus die Videoplattform, im Auftrag von Google, betreiben. Sie machten klar, dass auf Youtube nur Inhalte geduldet werden, die der offiziellen Linie der Weltgesundheitsorganisation folgen. Jede andere Ansicht, egal wie fundiert, gültig oder wichtig, wird gesperrt und das Benutzerkonto ohne Aussicht auf Wiederherstellung geschlossen.
Wie Vivek Ramaswamy in seinem Buch "Woke Inc." (auf Deutsch: "Die erwachte Gemeinschaft") schreibt, ist dies die Art von Verhalten, die wir von einer gewählten Regierung erwarten könnten, nicht jedoch von Technologiegiganten und ihren Besitzern, bestehend aus Milliardären, die vor niemandem Rechenschaft ablegen müssen. Die Vereinbarung, die wir getroffen haben, ist die, dass von Social-Media-Plattformen erwartet wird, dass sie Menschen mit allen möglichen Meinungen einen Zugang bieten – und nicht nur jenen, deren Meinung die Plattformen zustimmen – und im Gegenzug für ihre Unterstützung der Meinungsfreiheit, wir sie als Betreiber der Plattformen nicht rechtlich zur Verantwortung ziehen werden, wenn ein Kontoinhaber etwas Verleumderisches oder Anstößiges über andere postet.
RT DE war nicht die einzige Organisation, die von Youtubes Bannstrahl getroffen wurde, während es die Ablenkung durch den Fokus der Medien auf den massiven Ausfall von Facebook und weiterer seiner Plattformen nutzte, um einen weiteren Angriff auf die freie Meinungsäußerung zu reiten. Während sich also die Ereignisse entwickelten, bejubelte die Bild die Meldung, dass das, was sie als "Putins wichtigster Propagandasender in Deutschland" bezeichnete, auf Youtube abgeschaltet worden war.
Vielleicht hatte es mit den bemerkenswerten Kennzahlen von RT DE auf Youtube zu tun: 614.000 Abonnenten zum Zeitpunkt der Schließung, Videos, die mehr als 500 Millionen Mal angeschaut wurden, sowie weitere Konten bei anderen sozialen Netzwerken mit einer Reichweite, die in die Hunderttausende geht. Bild hätte nicht glücklicher über die sofortige und dauerhafte Abschaltung von RT DE sein können.
Sooooo… was hat sich in der Zwischenzeit getan? Machen wir es uns einfach. Drei Worte: Bild-Zeitung. Youtube. Verbannung. Ja, führende Mitglieder von Deutschlands größter Tageszeitung bekamen Schaum vor dem Mund, nachdem Youtube, ein auf seiner eigenen Webseite veröffentlichtes Video von deutschen Künstlern verboten hat, in dem der Umgang der Regierung mit der Pandemie kritisiert wird, nachdem bei Youtube entschieden wurde, dass das Video der Weltsicht des Silicon Valley rund um die Pandemie widerspricht. Wie können die es wagen! Der Politkommissar der Bild, Jan Schäfer, erklärte, das Verbot sei "ein gefährlicher Eingriff in die Meinungsfreiheit". Offensichtlich hat die Haltung der Bild zur Verbannung von Videos auf Youtube in weniger als vierzehn Tagen eine Kehrtwende vollzogen!
In der einen Woche bejubelte die Bild Youtube dafür, dass es Inhalte sperrt, die einen kontroversen Standpunkt zum Ausdruck bringen, in der nächsten Woche wird sie vom selben Blitz getroffen. In einem milde gestimmten Moment würde ich nur allzu gerne gurren: "Oh, sei willkommen, mein Liebling, meine süße, köstliche Ironie!" Aber auf die Heuchelei von Deutschlands größter Nachrichtenagentur hinzuweisen, kann man einfach nicht widerstehen. Denn nichts hebt die Stimmung so sehr wie ein bisschen Schadenfreude.
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
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Damian Wilson ist ein britischer Journalist, ehemaliger Herausgeber in der Fleet Street, Berater der Finanzbranche und Sonderberater für politische Kommunikation in Großbritannien sowie der EU. Übersetzt aus dem Englischen.
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