Republik Moldau am Kreuzweg zwischen NATO-Anbindung und Neutralität
von Prof. Dr. Anton Latzo
Als eine Folge der Politik von Gorbatschow und Jelzin ist die Republik Moldau (auch: Moldawien) im Ergebnis der Zerschlagung der UdSSR, wie die anderen Sowjetrepubliken, ungefragt in die Selbständigkeit transformiert worden und als souveräner Staat entstanden. Die Anti-Moskau-Richtung wurde ihr sozusagen schon in die Wiege gelegt. Das Land war von Anfang an Bestandteil der antisozialistischen konterrevolutionären Konzepte und der damit verbundenen Veränderung des territorialen und politischen Status quo in Europa durch die imperialistischen Mächte im Visier der NATO, der EU und deren Hauptmächte.
Es ist zwar ein territorial und bevölkerungsmäßig relativ kleines Land. Seine geografische Lage erwies und erweist sich aber als umso günstiger für die Verfolgung der Ziele der imperialistischen Mächte in Osteuropa und gegen Russland. Es liegt nordwestlich des Schwarzen Meeres. Im Norden, Osten und Süden grenzt es an die Ukraine. Im Westen ist es nicht nur durch die Grenze, sondern auch durch die rumänische Sprache und Geschichte mit Rumänien verbunden. Diese Bedingungen beeinflussen das Verhalten der NATO/USA und der EU/Deutschland zur Republik Moldau. Deshalb soll das Land in die NATO und in die EU beziehungsweise an diese imperialistischen Bündnisse unter Führung der USA (NATO) und EU (Deutschland) angebunden werden.
Die USA wollen Moldau in die Position der einseitigen Abhängigkeit einbetonieren, um das Land für seine Politik gegen Russland einsetzen zu können, die Ziele gegenüber der Ukraine besser zu flankieren, einen Posten für das US-amerikanische Agieren im Schwarzen Meer zu schaffen und als Kontrollposten im Verhältnis zu Rumänien und dem Balkan zu nutzen. Moldau ist Bestandteil der imperialistischen Konzeption der lückenlosen Einkreisung Russlands vom Baltikum bis ins Schwarze Meer und darüber hinaus. Die EU und besonders Deutschland verfolgen ähnliche Ziele. In Bezug auf Russland stimmen sie mit den USA grundsätzlich überein.
Aber ansonsten müssen sie in Konkurrenz zu den USA durchgesetzt werden, was den imperialistischen Charakter der Politik dieser Staaten unterstreicht und die Gefahren sowie Instabilität in der Region erhöht. Um ihre Positionen zu sichern, streben beide Seiten die direkte Anwesenheit an. Sie sind an einer Regierung und an einer politischen Lage in Moldau interessiert, die in der Hauptsache anti-russisch ist. Angestrebt wird eine entsprechende Konstellation der politischen Kräfteverhältnisse. Aber auch der Nationalismus findet Verwendung, indem versucht wird, zwischen russisch- und rumänischsprachiger Bevölkerung (jeweils ungefähr die Hälfte) Gegensätze zu schüren. Ihnen hörige Kreise in Rumänien werden dabei immer wieder gern eingesetzt.
Dazu gehört der eifrige Verfechter der "rumänisch-amerikanischen strategischen Partnerschaft", der ehemalige rumänische Staatspräsident, Traian Băsescu, der (zusammen mit seiner Frau) sogar die Staatsbürgerschaft der Republik Moldau angenommen hat, die ihm vom jetzigen Präsident Moldaus, Igor Dodon, allerdings wieder entzogen wurde.
Transnistrien-Frage birgt weiter Zündstoff
Ein wichtiges Instrument, um Unruhe zu schüren, bildet die Transnistrien-Frage. Der Nationalitäten-Streit war ein Anlass dafür, dass sich 1990/92 das jenseits des Dnestr gelegene Gebiet (Transnistrien) von der Republik Moldau lossagte und seine Selbständigkeit erklärte. International fand es aber keine Anerkennung. Seither sind auf diesem Territorium russische Truppen aus den Restbeständen der ehemaligen Sowjetarmee stationiert.
Zur Lösung dieser Frage unternehmen der aktuelle Präsident von Moldau, Igor Dodon, und Russland mit den Vertretern Transnistriens verstärkte Bemühungen, die anstehenden Fragen einer Lösung zuzuführen. International gibt es das Format 5+2, an dem die Republik Moldau und Transnistrien als Konfliktparteien, Russland, die Ukraine und die OSZE als Vermittler und die EU und die USA als Beobachter beteiligt sind. Gegenwärtig werden durch den Präsidenten Moldaus, Igor Dodon, Transnistrien und Russland verstärkt Anstrengungen unternommen, um eine schrittweise friedliche Lösung der Probleme des Zusammenlebens zu finden. Die Regierung, die sich in Opposition zum Präsidenten versteht, tritt dabei nicht als konstruktiver Partner auf. Der Sieg der Sozialistischen Partei Dodons bei den Parlamentswahlen könnte auch in dieser Frage die Aussicht auf Lösungen verstärken.
Die Innen- und Außenpolitik sowie die gesamte sozial-ökonomische Entwicklung des Landes werden negativ durch die Tatsache beeinflusst, dass die Regierungspolitik durch die auf das ausländische Kapital ausgerichteten bürgerlichen Parteien bestimmt wird, die eine "neoliberale" Politik zu ihrem Leitbild erklärt haben. Sie wird von diesen Parteien, unterstützt durch die EU, die NATO und deren Hauptmächte, zu einem Instrument des zwischenparteilichen Kampfes in Moldau, gegenüber Russland und gegen den legal gewählten Präsidenten des Landes instrumentalisiert. Die von ihr verfolgte Wirtschaftspolitik verstärkte die Tendenz der Deindustrialisierung und hat zur Folge, dass das Land auf den Status eines Agrarlandes zurückfällt.
Die Regierung und die sie tragenden Parteien haben kein tragfähiges lang- beziehungsweise mittelfristiges Konzept zur sozial-ökonomischen Entwicklung des Landes, zur Gestaltung der Lebens- und geistig-kulturellen Verhältnisse. Die in Moldau ausgebildeten, vor allem jungen Menschen suchen nach Abschluss der Ausbildung den Weg ins Ausland. Die einseitige Abhängigkeit des Landes von den ausländischen Monopolen und deren Organisationen wird immer größer. Die materiellen Grundlagen für eine gleichberechtigte Teilnahme an Prozessen internationaler Arbeitsteilung werden immer geringer.
Belegt ist dieser negative Verlauf mit steigendem Defizit der Außenhandels- und Zahlungsbilanz, der hohen Zahl der Bürger des Landes, die Arbeit im Ausland suchen, den prekären Lebensbedingungen usw. Zu einer Hauptquelle für die Einnahmen des Staates und für die Deckung der Nachfrage der Bevölkerung an Waren des täglichen Bedarfs sind die Transfers der im Ausland arbeitenden Menschen geworden. Gefährlich ist, dass die Quellen für ein mögliches Wachstum der Wirtschaft und für die Entwicklung des Landes sich zunehmend im Ausland befinden. Die Regierung kann sie demnach immer weniger beeinflussen. Dafür haben die ausländischen Monopole das Sagen und bestimmen die Politik in ihrem Interesse.
Präsident Dodon wirbt für Neutralität des Landes
Bei den letzten Präsidentenwahlen hat sich mit Igor Dodon eine Persönlichkeit durchgesetzt, die den nationalen Interessen der Republik Moldau einen primären Platz in der Innen-und Außenpolitik des Landes einräumt. Bisher konnte er sein Konzept nicht in der Regierungspolitik umsetzen. Seine Partei, die Sozialistische Partei, strebt bei den kommenden Parlamentswahlen eine Mehrheit im Parlament an, um eine einheitliche Politik für die Republik Moldova zu gestalten. Dodon und seine Partei plädieren für eine "geopolitisch ausgeglichene Regierungspolitik", um eine "nachhaltige Entwicklung des Landes zu gewährleisten".
Moldau sei daran interessiert, "mit den Partnern in Ost und West zusammenzuarbeiten". Dazu sei die "internationale Anerkennung des Verfassungsprinzips der immerwährenden Neutralität" des Landes notwendig. Das schließe ein, dass für die Zeit seiner Präsidentschaft keine "fremden Militärbasen oder militärische Strukturen auf dem Territorium der Republik" existieren werden. Entgegen der Verfassung arbeitet die gegenwärtige Regierung, indem sie die seit 1994 bestehende Verbindung zur NATO im Rahmen eines individuellen Partnerschaftsplans fortsetzt. In der Hauptstadt ist ein Informationszentrum der NATO tätig. Im Dezember 2017 wurde ein weiteres NATO-Büro mit Genehmigung durch die Regierung eröffnet. Der Präsident war dagegen.
Gegenüber der EU fordern der Präsident und seine Partei eine Neuverhandlung der 2014 abgeschlossenen Verträge, weil diese damals von der Regierung "übereilt unterzeichnet wurden". Das betrifft vor allem das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Moldau und das Abkommen über den "freien Handel". Das Parlament Moldaus gab dem Präsidenten kürzlich sogar indirekt Recht, als es beschlossen hat, den Antrag der Demokratischen Partei abzulehnen, die "europäische Integration als strategisches Ziel der Entwicklung des Landes" zum Verfassungsprinzip zu erklären.
Dodon und seine Anhänger gehen davon aus, dass die Beziehungen zu Russland nach den Parlamentswahlen wieder verbessert werden können. Auf der Ebene der Staatspräsidenten gibt es schon gute Beziehungen, die Regionen hätten zahlreiche Vereinbarungen abgeschlossen. Aber einen Dialog zwischen den Regierungen gibt es praktisch nicht, weil die Regierung Moldaus blockiert.
Die Sozialistische Partei Dodons will vor allem die strategische Partnerschaft mit Russland wiederherstellen, den russischen Markt wiedergewinnen und die Kooperation auf dem Gebiet der Energie wiederherstellen. Gleichzeitig will die Sozialistische Partei des Präsidenten nach einem Gewinn der Parlamentswahlen mir der neuen Regierung den Status eines Beobachters bei der Eurasischen Wirtschaftsunion ausfüllen, "um unsere Waren auf den Märkten der Union einzuführen". Damit würde auch der Prozess der "natürlichen Kooperation" der Republik Moldau mit den Staaten der EAWU fortgesetzt werden. Die nächsten Etappen würden sowohl von Moldau als auch von der EU abhängen.
Bei den Parlamentswahlen am 24. Februar 2019 geht es also um Schicksalsfragen für Moldau. Es geht aber auch um Stabilität und Frieden in der Region und in Europa.
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