Unsicherer Gastransit durch die Ukraine: Droht Europa ein kalter Winter?
Von Hans-Ueli Läppli
Mit Sorge blicken europäische Länder auf den bevorstehenden Winter: Händler und Analysten rechnen trotz derzeit gut gefüllter Gasspeicher mit potenziellen Engpässen bei der Gasversorgung. Selbst kleinere Störungen könnten laut Experten die "winterliche Gasbilanz" ins Wanken bringen und die Versorgung destabilisieren.
Eine der größten Gefahren für die europäische Gasversorgung bildet das baldige Ende des Transitvertrags zwischen der Ukraine und Russland. Diese Vereinbarung, die seit 2019 läuft, ermöglichte die Fortführung russischer Gaslieferungen über die Ukraine in die EU und deckte zuletzt etwa fünf Prozent der europäischen Gesamtimporte.
Der Vertrag läuft am 31. Dezember 2024 aus, und die Wahrscheinlichkeit einer Verlängerung erscheint gering: Die Ukraine hat erklärt, dass sie nicht an einer Verlängerung des Abkommens interessiert ist. Auch die EU plant, ihre Abhängigkeit von russischen fossilen Energieträgern bis 2027 sukzessive abzubauen.
Ein Ende dieses Transitweges würde vor allem zentral- und südosteuropäische Staaten wie Österreich, Ungarn und die Slowakei hart treffen. Zwar könnten Lieferungen über alternative Routen aus Deutschland, der Türkei oder Italien als Ersatz dienen, doch könnte eine von Deutschland unlängst eingeführte Steuer auf Gasexporte dies erschweren, indem sie Anreize für Investitionen in alternative Gasquellen verringert.
Gleichzeitig sieht sich Europa einer wachsenden Konkurrenz um Flüssigerdgas (LNG) ausgesetzt. Mit dem zunehmenden Energiebedarf in asiatischen Märkten könnte der LNG-Preis auf dem Weltmarkt in die Höhe schnellen, was die Beschaffungskosten für europäische Länder empfindlich treffen würde.
Auch die geopolitischen Spannungen im Nahen Osten tragen zur Unsicherheit bei. Ein plötzlicher Preisanstieg oder ein Rückgang des Angebots könnten Europas Energieversorgung gefährden.
Ein weiterer Unsicherheitsfaktor liegt in möglichen Gasexporten von Europa in die Ukraine. Aufgrund der wiederholten Zerstörung der ukrainischen Energieinfrastruktur könnte die EU gezwungen sein, Kiew mit zusätzlichem Gas zu unterstützen. Zwar sind die europäischen Speicher gut gefüllt, doch könnte ein kälterer Winter die Stabilität dieses Gasbestands gefährden, insbesondere falls die Nachfrage in der Ukraine steigt und die europäischen Reserven für beide Märkte reichen müssen.
Europäische Länder haben in den letzten Jahren ihre Energiesicherheit durch neue LNG-Terminals in Deutschland, Polen und Kroatien sowie schwimmende Lager in Italien und Deutschland gestärkt. Zudem hat die EU Importe aus Norwegen und den USA deutlich erhöht und ihre Abhängigkeit von russischem Gas seit 2021 um fast zwei Drittel reduziert. Doch bleibt die Frage, ob diese Maßnahmen ausreichen, um die aus dem Ukraine-Transit entstehenden Verluste zu kompensieren.
Österreich hat bereits angekündigt, durch strikte Speicherpflichten seiner Energieunternehmen die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, doch Experten sind skeptisch, ob dies angesichts eines strengen Winters und erhöhter Weltmarktpreise tatsächlich ausreichend sein wird.
Europa steht vor einem schwierigen Winter, in dem die Energieversorgung angesichts der Unsicherheiten auf dem globalen Gasmarkt auf dem Prüfstand stehen wird. Das baldige Auslaufen des Ukraine-Transitvertrags, ein enges LNG-Angebot und die wachsende Konkurrenz aus Asien belasten die ohnehin fragile Energieinfrastruktur. Die kommenden Monate werden zeigen, wie belastbar Europas Energiesystem tatsächlich ist und ob die eingeleiteten Maßnahmen zur Diversifizierung ausreichen, um in Krisenzeiten Stabilität zu gewährleisten.
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