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Österreich: EU-Renaturierungsgesetz führt zu Regierungskrise

Vermutlich gibt es bereits Wetten darüber, wie lange die schwarz-grüne Koalition in Österreich noch hält. Die Zustimmung der grünen Umweltministerin zum Renaturierungsgesetz der EU erweist sich regelrecht als ein Sprengsatz für die Koalition, was sogar juristische Konsequenzen haben wird.
Österreich: EU-Renaturierungsgesetz führt zu RegierungskriseQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Harald Dostal

Es ist eines der Großvorhaben der Europäischen Union – das Renaturierungsgesetz. Heute hat es die letzte Hürde genommen, die Abstimmung der EU-Umweltminister.

Die Vorgabe dieses Gesetzes lautet, bis 2030 ein Fünftel der geschädigten Flächen wiederherzustellen und bis 2050 alle bedrohten Ökosysteme. Wie bereits bei den EU-Vorgaben zur Verwendung von Kunstdünger hat dieses Vorhaben massive Folgen vor allem für die Landwirtschaft. Und wie beim Verbot von Kunstdünger werden die Auswirkungen auf die Ernährung der Bevölkerung nicht konkret benannt. Bei Ersterem ist allerdings bereits bekannt, dass die Ernährungssicherheit in Europa nicht mehr gewährleistet wäre.

Die jüngste Abstimmung wäre um ein Haar gescheitert. Es war schließlich die Stimme der grünen österreichischen Umweltministerin Leonore Gewessler, die dem Entwurf die nötige Mehrheit verschaffte, und zwar gegen die Beschlüsse der eigenen Bundesregierung, die sie eigentlich vertreten sollte. Während Gewessler erklärte, es gebe keine einheitliche Position der österreichischen Länder, die sich besonders klar gegen das Gesetz gestellt hatten, versuchte laut Presseberichten der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer noch am Sonntagabend, eine Zustimmung seiner Umweltministerin zu verhindern.

Das Ergebnis ist nun eine ernsthafte Koalitionskrise. Der Generalsekretär Christian Stocker der ÖVP als des größeren Koalitionspartners der österreichischen Grünen kündigte bereits eine scharfe Reaktion an.

"Die Volkspartei bringt eine Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs gegen Umweltministerin Gewessler ein", erklärte er im ORF. "Leonore Gewessler stellt sich über die Verfassung, weil sie es mit ihrer grünen Ideologie nicht vereinbaren kann, gesetzeskonform zu handeln."

Gewessler hingegen beruft sich auf Umfragen, nach denen angeblich 80 Prozent der Österreicher dieses Gesetz begrüßen würden. Allerdings stellt sich die Frage, wie weit sie tatsächlich über die Konsequenzen informiert wurden. Schließlich sind die Folgen für den Lebensstandard der Bevölkerung – wie bei den meisten grünen Projekten – vorab nicht klar dargestellt worden.

Das Handeln Gewesslers gegen die Regierungsposition wird aber noch eine weitere Folge haben. Nehammer hatte neben seinem Versuch, Gewessler einvernehmlich umzustimmen, auch den belgischen Ratsvorsitz darüber in Kenntnis gesetzt, dass Gewessler nicht das Mandat einer Zustimmung habe. Und das Bundeskanzleramt hat nun bereits informiert, dass auf eine Zustimmung eine Nichtigkeitsklage vor dem Europäischen Gerichtshof erfolgen werde.

Es ist also durchaus denkbar, dass dieses EU-Gesetz nicht allzu lange hält. Gleichzeitig wird dadurch eine ernste Regierungskrise ausgelöst, die – sofern sie nicht zu vorgezogenen Wahlen führt – seitens der Grünen als Einstieg in den Wahlkampf gewertet werden muss. Die schwarz-grüne Regierung, die seit 2019 im Amt ist, erweckte nie den Eindruck besonderer Stabilität; Nehammer ist bereits der dritte Bundeskanzler dieser Koalition, sofern man den Interimskanzler Alexander Schallenberg mitzählt, und die Zahl der Ministerrücktritte und Umbesetzungen ist rekordverdächtig.

Turnusgemäß sind die nächsten Nationalratswahlen für den 29. September angesetzt. Im Hintergrund der Auseinandersetzungen um die Umweltpolitik lauern zwei weitere Kernfragen, mit denen die möglichen Koalitionsentscheidungen in der Zukunft verbunden sind: die Auseinandersetzung um die Aufrechterhaltung der Reste österreichischer Neutralität, und das Verhältnis zu zwei historisch eng verbundenen Nachbarländern, zur Slowakei und zu Ungarn, die beide einen von der NATO-Orientierung der EU abweichenden Kurs vertreten.

Die jüngsten Wahlen zum EU-Parlament haben belegt, dass sich die Unterstützung der Wähler in Österreich in eine ähnliche Richtung entwickelt, was die Transatlantiker unter Zeitdruck setzt. So ernst das Problem der EU-Umweltpolitik auch sein mag, bleibt es doch denkbar, dass jetzt nur der aus grüner Sicht vorteilhafteste Moment gekommen war, eine Regierungskrise auszulösen, deren wahres Ziel eine festere Anbindung Österreichs an die NATO ist.

Im Verlauf des Nachmittags wird eine Erklärung des Bundeskanzlers Karl Nehammer erwartet.

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