Nordamerika

Stoff für Verschwörungstheorien: Die Iowa-Vorwahlen der US-Demokraten

Die am Montag abgehaltene erste Vorwahl der US-Demokraten geriet zum Fiasko. Wegen technischer Pannen wurde das Ergebnis erst am Freitag bekannt: Pete Buttigieg machte das Rennen. Viele Anhänger des zweitplatzierten Bernie Sanders fühlen sich jedoch betrogen.
Stoff für Verschwörungstheorien: Die Iowa-Vorwahlen der US-DemokratenQuelle: Reuters © Brian Snyder/Reuters

Das Chaos bei den ersten Vorwahlen der US-Demokraten am Montag in Iowa, einem sogenannten Caucus, hätte kaum größer sein können. Mit tagelanger Verzögerung wurden nun die Wahlbezirke komplett ausgezählt und die Ergebnisse am Donnerstagabend von den Demokraten veröffentlicht.

Demnach konnte der frühere Bürgermeister Pete Buttigieg seinen hauchdünnen Vorsprung vor dem linken Senator Bernie Sanders behaupten. Auf dem dritten Platz liegt die Senatorin Elizabeth Warren, dahinter auf einem schwachen vierten Platz der frühere Vizepräsident Joe Biden, der auf nationaler Ebene als Favorit gilt.

"Das sind fantastische Neuigkeiten", sagte Buttigieg am Donnerstagabend. Kurz zuvor hatte Sanders den Sieg noch für sich beansprucht, nachdem 97 Prozent der Stimmen ausgezählt waren. Der 78-Jährige sprach von einem "sehr starken Sieg".

Wer das Rennen wirklich gemacht hat, dafür ist am Ende entscheidend, wie viele der Delegierten später für einen bestimmten Bewerber auf den Nominierungsparteitag im Sommer geschickt werden, wo der Präsidentschaftskandidat der Partei dann endgültig gekürt wird. Diese Zahlen veröffentlichte die Demokratische Partei in Iowa jedoch zunächst nicht.

Für die Verzögerung bei der Auszählung werden technische Probleme bei der Übertragung der Ergebnisse mittels einer neuen Smartphone-App verantwortlich gemacht, die eigens für die Vorwahlen entwickelt wurde. So wurde etwa im Wahlbezirk Black Hawk County ein Großteil der Stimmen für Sanders fälschlicherweise einem seiner beiden Konkurrenten, Tom Steyer und Deval Patrick, zugeschlagen. 

"Genug ist genug" – Parteichef fordert Überprüfung

Ob hinsichtlich der Iowa-Wahl das letzte Wort gesprochen ist, bleibt jedoch unklar. Der Parteivorsitzende der Demokraten, Tom Perez, forderte auf Twitter eine Überprüfung der Ergebnisse. "Genug ist genug", erklärte er in seinem am Donnerstag veröffentlichten Tweet.

Angesichts der Probleme bei der Übertragung der Ergebnisse – und um das öffentliche Vertrauen wiederherzustellen – fordere er die Demokratische Partei in Iowa dazu auf, "unverzüglich" mit einer Überprüfung zu beginnen. Ob damit eine komplette Neuauszählung der Stimmen gemeint ist, machte er nicht unmittelbar klar.

Das Sanders-Lager wittert eine Neuauflage des Komplotts bei den Vorwahlen 2016, als die Parteiführung zugunsten von Hillary Clinton gegen den Anti-Establishment-Kandidaten intrigierte. Von WikiLeaks veröffentlichte interne E-Mails hatten diesen eklatanten Verstoß gegen das Neutralitätsgebot ans Licht gebracht. Die Anhänger von Sanders sprachen von einem manipulierten ("rigged") Wahlprozess. Und Clintons alte Freunde und Verbündete besetzen weiterhin die Schaltstellen der Partei.  

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Letzte Umfrage seit über 70 Jahren erstmals nicht veröffentlicht

Die Vorwahl stand bereits unter keinem guten Stern: Die traditionell von der Tageszeitung Des Moines Register durchgeführte letzte Wahlumfrage wurde dieses Mal – erstmals seit 76 Jahren – nicht publik gemacht. Wie wichtig die von der Zeitung als "Goldstandard in der politischen Meinungsforschung" bezeichnete Umfrage ist, verdeutlich ein Vorbericht des Magazins Politico.

Demnach sei der Hype um die "wichtigste und am meisten beachtete Meinungsumfrage in der Politik" – für die selbst CNN eine Stunde seines Programms eingeplant hatte – "aus gutem Grund spürbar". Denn die Umfrage erfasse "nicht nur den Stand der Dinge in dem so wichtigen ersten Wahlstaat", sondern habe "auch die Macht, das Momentum eines Kandidaten zu verstärken" – oder eben "einem Kandidaten zu schaden, der die Erwartungen nicht erfüllt".

Des Moines Register begründete die Nichtveröffentlichung damit, dass ein Anhänger von Pete Buttigieg sich darüber beschwerte, dass ihm bei der Befragung der Name seines Lieblingskandidaten nicht genannt worden sei. Ob es sich um einen Einzelfall handelte, wisse man nicht, aber nichts sei wichtiger als die "Integrität der Wahl", weshalb man von der Veröffentlichung der Umfrage abgesehen habe, so die Zeitung.

Der Kandidat Andrew Yang witterte dahinter allerdings ein politisches Manöver: "Es gibt viele Gerüchte. Und eines besagt, dass wir darin [der Prognose] wirklich gut abgeschnitten haben."

Die Nichtveröffentlichung dürfte vor allem Bernie Sanders geschadet haben, denn der lag in der Umfrage mit 22 Prozent vorne, deren Ergebnisse dann später bekannt wurden. Ihm folgte Warren, erst an dritter Stelle kam Buttigieg mit 16 Prozent. Nicht alle Sanders-Unterstützer finden es glaubwürdig, dass Des Moines Register mit einer über 70-jährigen Tradition gebrochen hatte, nur weil eine einzelne Befragung möglicherweise fehlerhaft war – zumal derlei Umfragen mit einer Fehlertoleranzgrenze erscheinen.

Andere Umfragen aus den Vorwochen ergaben dasselbe Bild: Sanders lag in Führung, während Buttigieg an dritter Stelle hinter Joe Biden rangierte. Bei keinem anderen Kandidaten unterschieden sich die Prognose und das nun ausgezählte Ergebnis so stark wie bei Buttigieg.

Dass sich der 38-Jährige kurz nach der Wahl bereits zum Sieger erklärt hatte, bevor überhaupt erste Auszählungsergebnisse vorlagen – Buttigieg berief sich auf Wählerbefragungen seines Wahlkampfteams –, macht die Angelegenheit in den Augen der Sanders-Unterstützer umso verdächtiger.

Die App der "Schatten"-Firma mit besten Verbindungen zu Clinton und Buttigieg

Denn da wäre ja noch die besagte Auszählungs-App, die Sanders benachteiligte. Entwickelt wurde sie eigens für die Vorwahlen der Demokraten von der Firma mit dem vieldeutigen Namen "Shadow Inc." ("Schatten"). Deren Chef Gerard Niemira hatte bereits früher eine wichtige Position – in Clintons Wahlkampfteam 2016.

Und damit steht er in der Firma nicht allein: Produktmanagerin Ahna Rao war die Assistentin des technischen Leiters von Clintons Wahlkampf. Die technische Leiterin von Shadow Inc. wiederum, Krista Davis, war Softwareentwicklerin im Dienste Clintons. Und Shadow-Hauptbetriebsleiter James Hickey war leitender Ingenieur während Clintons Wahlkampf im Jahr 2016.

Firmenchef Niemira leitete zuvor die Firma ACRONYM, dem einzigen Investor von Shadow Inc. und somit deren Eigentümer. Gegründet wurde ACRONYM von der heutigen Chefin des Unternehmens, Tara McGowan. In Barack Obamas Wahlkampfteam im Jahr 2012 war sie als digitale Produzentin führend tätig. Drei Jahre später heiratete sie den damaligen Clinton-Wahlkampfstrategen Michael Halle, der inzwischen als Chefberater von Buttigieg tätig ist. Letzterer zahlte 42.500 US-Dollar an Shadow für Softwareprodukte, die aber nicht im Zusammenhang mit der Vorwahl stehen sollen.    

Erwiesene Wahlmanipulation: Der Investor und eine Operation unter falscher Flagge

Wenn vor dem richtungsweisenden Caucus in Iowa von Clinton-Getreuen eine Firma zur Entwicklung einer Wahl-App aus der Taufe gehoben wird, hinter der ein Unternehmen steht, deren Chefin mit dem Berater des Kandidaten verheiratet ist, der entgegen den – aufgrund der Intervention eines Unterstützers nicht veröffentlichten – letzten Prognosen überraschend gewinnt und seinen Sieg verkündet, als noch gar keine Ergebnisse vorlagen, dann ist das der Stoff, aus dem sich Anhänger von Sanders so manche Verschwörungstheorie zusammenstricken können.

Zumal es da ja noch weitere Fäden gibt, die sich dabei verarbeiten ließen. So bedankte sich Tara McGowan in einem Tweet bei Reid Hoffman dafür, dass er ACRONYM mit dem nötigen Startkapital versorgte. 

Der Milliardär ist kein unbeschriebenes Blatt: Hoffman stellte 100.000 US-Dollar für ein Geheimprojekt der Demokraten zur Verfügung, um die Senatswahlen in Alabama im Dezember 2017 zu manipulieren. Zu diesem Zweck wurde die Firma New Knowledge damit beauftragt, über 1.000 russischsprachige Twitter-Konten einzurichten, die in den sozialen Medien die Werbetrommel für den republikanischen Kandidaten Roy Moore rührten. Ziel der Operation unter falscher Flagge war es, Moore mittels der vermeintlichen Russland-Connection diskreditieren zu können. Am Ende konnte der demokratische Kandidat die Wahl mit knappem Vorsprung für sich entscheiden.

Technische Probleme waren zuvor bekannt

Nicht nur die engen Verbindungen der App-Entwickler zu Clinton und Buttigieg irritieren. Denn den Verantwortlichen waren die technischen Probleme mit der App bereits seit der Vorwoche bekannt. "Wir wussten seit Donnerstag, dass es ein Problem mit der App gibt", sagte der Bezirksvorsitzende Sean Bagniewski gegenüber der Washington Post.

Wir hatten so viele Beschwerden über die App, dass wir unseren Vorsitzenden sagten, wenn sie Probleme mit der App hätten, sollten Sie die Ergebnisse telefonisch mitteilen.

Doch die Verantwortlichen ließen die Dinge ihren Lauf nehmen und schlugen auch das Angebot der Heimatschutzbehörde aus, die App auf Sicherheitslücken zu untersuchen. Dabei hatten Experten vor dem "Sicherheits-Alptraum" gewarnt, der mit dem App-Auszählungsverfahren einhergehe. Der Vorsitzende der Demokraten in Iowa, Troy Price, verteidigte die neue Methode: "Wir haben Vertrauen in die Sicherheitssysteme, die wir haben."

Dieses Vertrauen ist nun jedoch umfassend erschüttert. Daran dürfte auch die auf der Firmenwebseite veröffentlichte Entschuldigung von Shadow Inc. für die "Verzögerung der Mitteilung der Ergebnisse" wenig ändern. Auch wenn dort versichert wird, dass der "Daten- und Erfassungsprozess" über die App "solide und genau" gewesen sei und das Resultat in keiner Weise beeinträchtigt habe, so entschlossen sich die Demokraten in Nevada, auf den geplanten Einsatz dieser App bei den dort anstehenden Vorwahlen zu verzichten

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