Nordamerika

Hat Jeffrey Epstein mit Geheimdiensten zusammengearbeitet?

Eine Aussage, die der ehemalige Staatsanwalt von Miami und zurückgetretene Arbeitsminister Trumps Alexander Acosta gegenüber dem US-Senat in 2017 gemacht haben soll, rückt wieder ins Licht der Öffentlichkeit. Stand Epstein unter dem Schutz der US-Regierung?
Hat Jeffrey Epstein mit Geheimdiensten zusammengearbeitet?Quelle: AFP © Stephanie Keith

Eigentlich hätte im Fall Jeffrey Epstein schon im Jahr 2002 alles vorbei sein können. Die US-amerikanische Journalistin Vicky Ward, eine geborene Britin, bekam von ihrem damaligen Chefredakteur beim Magazin Vanity Fair, Graydon Carter, den Auftrag, sich den pressescheuen New Yorker Milliardär Epstein mal genauer anzuschauen. Auslöser für Carters Neugier war eine kleine Meldung im Lokalblatt New York Post aus dem Jahr 2002, die darüber berichtete, dass Epstein den ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton nach Afrika geflogen haben soll – in Epsteins Privatjet.

Ward, die mittlerweile Bestseller-Autorin ist und unter anderem für die New York Times arbeitet, begann daraufhin mit ihren Recherchen zu Epstein. Worauf sie dabei stieß, hat mittlerweile das Zeug für einen waschechten Mystery-Thriller. Relativ schnell wurde sie auf sehr junge, zumeist ausländische Mädchen aufmerksam, die auf Epsteins Party anwesend gewesen sein sollen. Verwirrender noch: Niemand konnte Ward bestätigen, womit Epstein eigentlich sein Vermögen gemacht haben soll. Immerhin galt der vermeintliche Geschäftsmann als Milliardär und behauptete, Investments für Kunden zu tätigen. Doch Ward fand während ihrer Recherchen keine Spuren von Investments.

Das bekannte US-amerikanische Wirtschaftsmagazin Forbes bezweifelte 2010 gar, dass Epstein überhaupt Milliardär sei. Man habe "weder öffentliche Unterlagen" noch eine "Kundenliste" gefunden. Nur ein einziger Kunde Epsteins ließ sich nachweisen: Leslie Wexner, ein New Yorker Milliardär, der vor allem in der Textilindustrie zu Hause ist. Unter anderem gehört zu seiner Gruppe auch die Unterwäsche-Marke "Victoria's Secret", die jedes Jahr eine spektakuläre Modenschau mit den Topmodels, auch "Victoria's Secret Angels" genannt, organisiert.

Plötzlich spaziert Jeffrey Epstein in die Redaktion

Ward fand bei ihren Recherchen zudem heraus, dass Epstein ein Geschwisterpaar missbraucht haben soll – die jüngere davon war minderjährig. Dabei soll ihm seine Bekannte Ghislaine Maxwell, die Tochter des unter mysteriösen Umständen verstorbenen britischen Medientycoons Robert Maxwell, geholfen haben. Robert Maxwell verschwand 1991 auf ungeklärte Weise nackt von seiner Jacht "Lady Ghislaine", obwohl kein Sturm tobte und das Meer an dem Tag ruhig war.  Seine Leiche wurde in der Nähe von Teneriffa aus dem Meer gefischt. Kurz vor Maxwell seniors Tod hatte der bekannte US-Investigativjournalist Seymour Hersch eine Verbindung zwischen Maxwell und dem israelischen Geheimdienst Mossad herausgefunden. Dabei ging es um das israelische Atomprogramm. Maxwell senior dementierte den Bericht und verklagte Hersh.

Seine Tochter Ghislaine soll laut Wards Recherchen diejenige gewesen sein, die die Mutter des Geschwisterpaars überzeugt haben soll, die beiden Schwestern in Epsteins Obhut zu geben. Es soll nicht der einzige Fall gewesen sein, in dem die Tochter Robert Maxwells eine zwielichtige Rolle gespielt haben soll. Gerichtsunterlagen, die am Freitag in den USA freigegeben wurden, bestätigen den Verdacht, dass Ghislaine Maxwell Epstein als eine Art Bordellchefin gedient haben soll. Das Geschwisterpaar und auch die Mutter aus Wards Story von 2002 waren laut Wards eigenen Angaben bereit auszusagen. Doch als der Artikel fertig geschrieben auf dem Schreibtisch lag, geschah etwas Ungewöhnliches.

Plötzlich spazierte der sonst so medienscheue Epstein in das Verlagsbüro von Vanity Fair und traf sich mit Wards Chef Graydon Carter. Nach diesem überraschenden Besuch wurden laut Ward die Passagen ihres Artikels, die das Geschwisterpaar betrafen, plötzlich herausgestrichen. Im Gegenzug soll Epstein dem Magazin Fotos angeboten haben. Carter weist diese Darstellungen allerdings zurück. Der Artikel erschien dennoch in einer Form, die Epstein juristisch nicht in Bedrängnis bringen konnte. In diesem Video erzählt Ward noch einmal, wie die Sache damals aus ihrer Sicht abgelaufen ist (leider nur in englischer Sprache):

Epstein macht das "Geschäft seines Lebens"

In diese Zeit fällt auch die mittlerweile allseits bekannte Äußerung von US-Präsident Donald Trump, der im Magazin New Yorker 2002 über Epstein sagte:

Ich kenne Jeff seit 15 Jahren. Toller Typ. Es macht viel Spaß, mit ihm zusammen zu sein. Es wird sogar gesagt, dass er schöne Frauen genauso mag wie ich, und viele von ihnen sind ziemlich jung.

Erst 2005 wurde die Justiz dann auf Epstein aufmerksam. Die Eltern eines 14-jährigen Mädchens erstatteten im März 2005 in Florida eine Anzeige gegen ihn. Der Vorwurf: Epstein soll das Mädchen in seiner Villa in Palm Beach sexuell missbraucht haben. Es folgte eine rund 13-monatige Ermittlung, in deren Verlauf sich über 50 weitere mutmaßliche Opfer bei der Polizei meldeten. Auch Epsteins Villa wurde im Zuge der Ermittlungen durchsucht. Die Beamten fanden dabei zahlreiche Fotografien von Mädchen.

Trotz der wachsenden Anzahl an Vorwürfen musste sich Epstein im August 2006 zunächst in nur einem einzigen Fall vor einer Grand Jury im Palm Beach County in Florida verantworten. Dabei ging es um den Vorwurf, dass er eine Minderjährige zur Prostitution gezwungen haben soll. Epstein bekannte sich nicht schuldig. Schon Monate zuvor soll allerdings die US-amerikanische Bundespolizei FBI Ermittlungen gegen Epstein aufgenommen haben. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden in einem 53-seitigen Bericht festgehalten.

Epstein bot dem damaligen obersten Staatsanwalt Floridas, Alexander Acosta, eine außergerichtliche Einigung an, die von der Staatsanwaltschaft auch prompt angenommen wurde. Dies war seine einzige Chance, einem Verfahren vor einem Bundesgericht wegen Missbrauchs Minderjähriger und somit einer drohenden lebenslangen Freiheitsstrafe zu entgehen. Der Deal sah Folgendes vor: Epstein bekannte sich in einem Fall der erzwungenen Prostitution einer Minderjährigen für schuldig und musste sich als Sexualstraftäter registrieren lassen. Dafür wurde er lediglich zu einer 18-monatigen Haftstrafe verurteilt. Allerdings unter sehr laxen Bedingungen: Epstein hatte während seiner "Haftstrafe" bis zu zwölf Stunden Freigang. Und bereits nach 13 Monaten wurde er "wegen guter Führung" aus der Haft entlassen. Die US-amerikanische Zeitung Miami Herald bezeichnete die Einigung zwischen Epstein und Acosta seinerzeit bereits als "Deal of a Lifetime", was auf Deutsch so viel bedeutet wie "das beste Geschäft seines Lebens".

Arbeitete Epstein für Geheimdienste?

Epsteins mutmaßliche Opfer wurden über dieses "Geschäft" übrigens nicht informiert, womit auch der Deal zwischen der Staatsanwaltschaft Floridas und Epsteins Anwälten selbst gegen geltendes US-Bundesrecht verstieß. Eine E-Mail von Epsteins Anwalt Jay Lefkowitz an Acosta, die von dem Miami Herald zitiert wurde, scheint diesen Vorgang zu bestätigen:

Danke für das Engagement, das Sie mir während unseres Treffens am 12. Oktober gegeben haben. […] Sie haben mir versichert, dass Ihr Büro keine der identifizierten Personen, potenziellen Zeugen oder potenziellen Zivilkläger und den jeweiligen Anwalt in dieser Angelegenheit kontaktieren wird.

In diese Zeit fällt auch der Verdacht, dass es eine oder mehrere "schützende Hände" gegeben haben könnte, die keine öffentliche Verhandlung und Verurteilung Epsteins wollten. Wiederum ist es Vicky Ward, die in einem Artikel für das Online-Magazin Daily Beast Anfang Juli eine Aussage Acostas zitiert, die ungeheuerlich klingt: Als Acosta 2017 von US-Präsident Trump als neuer Arbeitsminister vorgeschlagen wurde, musste er – wie es in den USA üblich ist – in einer Anhörung des US-Senats belegen, dass er für diesen Job qualifiziert ist. Über diese Anhörung schreibt Ward in ihrem Beitrag auf Daily Beast:

Wird der Fall Epstein [für seine Ernennung zum Arbeitsminister] ein Problem darstellen?', wurde Acosta gefragt. Acosta hatte offenbar vage erklärt, dass er damals nur ein einziges Treffen im Fall Epstein gehabt habe. Er habe die Einigung mit einem von Epsteins Anwälten abgeschlossen, weil ihm 'gesagt' worden war, dass er sich zurückziehen solle und dass Epstein über seiner Gehaltsstufe liege. 'Mir wurde gesagt, dass Epstein zum Geheimdienst gehörte und ich die Sache ruhen lassen soll', sagte er zu den Mitgliedern der Anhörung, die offensichtlich dachten, dass das eine ausreichende Antwort sei, schließlich fortfuhren und Acosta ernannten.

Acosta trat am 12. Juli dieses Jahres von seinem Amt als Arbeitsminister zurück. Epstein wurde sechs Tage zuvor am 6. Juli 2019 am Flughafen Teterboro verhaftet, als er mit seinem Privatjet aus Paris in die USA zurückkehrte. Die Anklage lautete auf sexuellen Missbrauch von Minderjährigen und Betreiben einer darauf ausgerichteten Organisation. Danach überschlugen sich die Ereignisse. Am 23. Juli wurde Epstein bewusstlos in seiner Zelle aufgefunden. Er soll Verletzungen am Hals gehabt haben. Am 10. August wurde Epstein dann erneut bewusstlos in seiner Zelle im Metropolitan Correctional Center in New York City aufgefunden und ins Krankenhaus transportiert, wo nur noch sein Tod festgestellt werden konnte.

Nur einen Tag vor Epsteins bisher noch nicht als Selbstmord bestätigtem Tod hatte ein Berufungsgericht in New York die Entsiegelung umfangreicher Akten verfügt. Die Schriftstücke sollen weitere Einblicke in den mutmaßlichen Sexhandelsring ermöglichen, den Epstein zusammen mit seiner Komplizin Ghislaine Maxwell betrieben haben soll.

Es bleibt abzuwarten, ob sich Wards Verdacht bezüglich einer Geheimdienstverbindung bestätigt. Tatsache ist allerdings, dass Ward auch bereits 2002 mit ihren Recherchen zu Epstein richtig lag. In einem Tweet am Montag schreibt die Journalistin: "Jeffrey Epsteins Tod an diesem Wochenende ist noch nicht das Ende der Sache. Dies ist nach wie vor eine Geschichte, in der sich weitere Entwicklungen ergeben werden."

RT Deutsch bleibt dran.

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