Nordamerika

Weiches Lächeln, harter Verhandler – Wer ist Dan Driscoll?

Mitte November tauchte in Kiew überraschend statt Keith Kellogg ein neuer Ukraine-Unterhändler auf und sorgte für Furore. Wer ist dieser Daniel P. Driscoll, in dem viele einen aufsteigenden Star der US-Politik sehen, der unabhängig davon schon jetzt eine Spur in der Geschichte der Diplomatie hinterlassen hat?
Weiches Lächeln, harter Verhandler – Wer ist Dan Driscoll?Quelle: Gettyimages.ru © Anna Moneymaker/Getty Images

Von Anton Gentzen

Im Zusammenhang mit der aktuellen Runde der Versuche der US-Regierung für die Ukraine ein Friedensabkommen auszuhandeln, trat überraschend eine neue Personalie auf die Weltbühne, die für Aufsehen sorgte. Statt General Keith Kellogg, der bisher als Donald Trumps offizieller Sonderbeauftragter für die Ukraine für Verhandlungen mit Kiew und den Europäern zuständig war, saß am 19. November der außerhalb der USA bislang wenig bekannte US-Armeeminister Daniel (Dan) Driscoll dem Kiewer Machthaber Wladimir Selenskij und den seinen gegenüber.

Berichten zufolge schlug Driscoll sofort einen schärferen Ton als seine Vorgänger in der Funktion von Unterhändlern an. So soll er während eines Treffens mit europäischen Beamten in der Residenz der US-Geschäftsträgerin in der Ukraine, Julia Davis, unverblümt erklärt haben: "Es ist Zeit, mit dem Sch… aufzuhören!" Die Financial Times nannte den neuen Ton gleich einen "widerlichen".

Vieles spricht dafür, dass hier ein aufsteigender Star der US-Politik seine Premiere auf der Weltbühne erlebte. Und so lohnt es sich, diesen Dan Driscoll einmal genauer anzusehen. 

Die Biografie des US-Armeeministers ist für einen Bestseller und eine Hollywood-Verfilmung nicht weniger geeignet als die des aktuellen Vizepräsidenten J. D. Vance. Beide sind übrigens seit Studienzeiten befreundet. Geboren wurde Daniel P. Driscoll 1985 als Sprössling einer Familie von Berufssoldaten. Sein Vater kämpfte in Vietnam, sein Großvater diente während des Zweiten Weltkriegs als Codierer bei der Marine. Die ersten Lebensjahre sind eine typische Americana: Aufwachsen in einer Kleinstadt (Banner Elk, North Carolina, hat etwa tausend Einwohner), College, wo er sich in die schönste Frau seiner Klasse, Cassie, verliebte, University of North Carolina mit Bachelor-Abschluss in Betriebswirtschaft.

Danach folgte er der Familientradition und trat in den Militärdienst ein. Von 2007 bis 2011 Offiziersausbildung und Zugführer der Kavallerie-Aufklärer der 10. Gebirgsdivision in Fort Drum. Etappen der militärischen Laufbahn waren ein neunmonatiger Einsatz im Irak. Driscoll verließ den Dienst im Rang eines Oberleutnants.

Nach seiner Demobilisierung nutzte Driscoll die Vergünstigungen, die das Gesetz zur Wiedereingliederung von Militärangehörigen (G.I. Bill) für ehemalige Soldaten vorsieht, und schrieb sich an der Yale Law School ein, einer der renommiertesten Rechtsfakultäten der USA. Dort lernte er auch Vance kennen. Beide arbeiteten in einer Studentengruppe, die die juristische Monatsschrift der Universität redigierte. 

Später wird Vance seinen alten Universitätsfreund nicht vergessen und ihn Anfang dieses Jahres in die höchsten Kreise Washingtons aufsteigen lassen.

Nach seinem Abschluss an der Yale Law School ging Driscoll in die Wirtschaft und arbeitete bei einer Investmentbank in Charlotte, North Carolina. Er heiratete seine Schulfreundin Cassie, und als ihr Sohn Daniel Jr. geboren wurde, gab er seinen vielversprechenden Job auf, um sich um das Kind zu kümmern, während seine Frau an der medizinischen Hochschule studierte. Dann beschloss er, sich in der Politik zu versuchen – zunächst ohne Erfolg.

Driscolls Sternstunde kam, als Donald Trump die Präsidentschaftswahlen 2024 gewann. Da stellte sich heraus, dass Verbindungen zu den richtigen Leuten wichtiger sind als die Beliebtheit bei den Wählern. Vance holte Driscoll als Seniorberater in sein Team, und am 4. Dezember 2024 gab Trump bekannt, dass er Driscoll für das Amt des Armeeministers nominieren werde:

"Ich freue mich, Daniel P. Driscoll aus dem großartigen Bundesstaat North Carolina für das Amt des Verteidigungsministers zu nominieren. Als ehemaliger Soldat, Investor und politischer Berater verfügt Dan über eine beeindruckende Kombination aus Erfahrungen in verschiedenen Bereichen, die es ihm ermöglichen, etablierte Normen zu durchbrechen und Veränderungen voranzutreiben",

schrieb Trump damals im sozialen Netzwerk Truth Social.

Der Posten des US-Armeeministers ("United States Secretary of the Army") ist am ehesten mit einem Stellvertretenden Minister oder einem deutschen Staatssekretär zu vergleichen. Er ist dem Verteidigungsminister (der seit einiger Zeit offiziell Kriegsminister heißt) unterstellt. In den Zuständigkeitsbereich fallen Fragen im Zusammenhang mit Humanressourcen, Personal, Reserven, Gebäuden und Anlagen, Kommunikation und Finanzmanagement.

Driscoll ist alles andere als ein Pazifist. Als er vor seiner Bestätigung im Senat über die Rekrutierung für die Armee sprach, betonte er, dass die USA mehr Soldaten benötigen:

"Wir haben die geringste Zahl an aktiven Soldaten seit dem Zweiten Weltkrieg. Dabei toben Konflikte auf der ganzen Welt."

Die Grundidee, die auch sein Chef, Kriegsminister Peter Hegseth, teilt, ist eine Änderung der Ideologie der Rekrutierung für den Militärdienst, unter anderem durch die Schaffung von Militärdynastien:

"Die Stammbäume, Verbindungen und Ketten, die wir in den Gemeinden aufbauen wollen, können uns nicht nur einen zukünftigen Soldaten, sondern ganze Generationen von Soldaten bescheren",

erklärte Driscoll den Senatoren.

Und natürlich müsse auch die Politik der positiven Diskriminierung an Militärakademien wie West Point beendet werden. Denn sie entspricht nicht der langjährigen Tradition der Meritokratie in der Armee. Offiziersränge sollten diejenigen erhalten, die über mehr Fähigkeiten verfügen, und nicht diejenigen, die eine politisch korrekte Hautfarbe oder eine modische sexuelle Orientierung haben.

Auch bei der Rüstungsbeschaffung setzt Driscoll auf eine offensivere Herangehensweise, macht sich aber bei den "Platzhirschen" der US-Rüstungsindustrie wenig Freunde, wenn er eine Ausweitung des Lieferanten- und Subunternehmerkreises fordert.

Klar ist: Wenn Driscoll sich keine schweren Patzer leistet, steht er am Anfang einer großen Karriere und wir werden noch häufig über den Mann reden, der hinter einem charismatischen Lächeln offenbar einen entschlossenen Charakter verbirgt.

In dem Artikel fanden Recherchen des Politologen Kirill Benediktow Verwendung.  

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