Nordamerika

Trump: Ein Präsident der Machtdemonstration

Donald Trump gewann die Wahlen als "Sprachrohr" der Bürger, die der globalen Rolle ihres Landes überdrüssig waren. Dennoch können sich die USA nicht einfach auf sich selbst konzentrieren: Je komplexer die innenpolitischen Transformationen sind, desto mehr außenpolitische Erfolge sind erforderlich.
Trump: Ein Präsident der MachtdemonstrationQuelle: Gettyimages.ru © Andrew Harnik

Von Fjodor Lukjanow

Die US-Politik als Außenstehender zu beurteilen, ist äußerst schwierig: Die Wahrscheinlichkeit, dabei danebenzuliegen, ist groß. Das politische System der Vereinigten Staaten ist sehr spezifisch. Es hat sich unter besonderen Bedingungen herausgebildet, als ein "Einwanderer-Staat", der von Grund auf neu aufgebaut wurde, wobei ein aktiver Teil der Bevölkerung von messianischen Ambitionen geleitet wurde.

Letztere hatten ihre Wurzeln in recht radikalen religiösen Strömungen. Die Entwicklung dieser Nation – von einer "Bauernrepublik", die gegen die europäischen Metropolen kämpfte, über die Eroberung weitläufiger Territorien mit drastischen Mitteln und das Bevölkerungswachstum durch Einwanderer aus aller Welt bis hin zur Weltmacht – trug zur Einzigartigkeit der gesamten gesellschaftspolitischen Struktur bei.

Der Gerechtigkeit halber muss man aber anmerken, dass jeder große Akteur auf der Weltbühne einzigartig ist und das Verhalten jeder Macht durch ihre eigene Kultur und Geschichte bestimmt wird. Was die USA betrifft, so erstaunt es, dass gerade dieses Land, dessen Kultur und Geschichte so einzigartig sind, nicht nur eine dominierende Rolle auf der internationalen Bühne spielt und als Führer der sogenannten "freien Welt" gilt, sondern auch als Maßstab und Vorbild für alle anderen angesehen wird. Angesichts des einzigartigen historischen Weges der USA erscheint dies jedoch als ein gewisser Nonsens, da ihre Erfahrungen schlichtweg nirgendwo anders Anwendung finden können.

Diese Überlegungen dienen nicht dazu, tief in die Abgründe der Geschichte und der nationalen Psychologie einzutauchen. Jetzt – in der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump – kommen die Besonderheiten des politischen Systems der Vereinigten Staaten deutlich zum Vorschein und beeinflussen aufgrund der zentralen Lage der USA die ganze Welt.

Donald Trump gewann die Präsidentschaftswahlen als "Sprachrohr" eines erheblichen Teils der US-Bürger, die der globalen Rolle ihres Landes überdrüssig waren. Bemerkenswert ist, dass dieser Präsident, der versprochen hatte, sich in erster Linie um "sein eigenes Haus", also um die Lösung innerstaatlicher Probleme, zu kümmern, ein Jahr später vor allem auf internationaler Ebene in Erscheinung tritt.

So macht er das Thema "Friedensstiftung" zu seinem Steckenpferd ("Ich habe acht Kriege in acht Monaten beendet, bald werde ich noch mehr beenden"), löst großangelegte Handelskriege aus, droht mit dem Einsatz militärischer Gewalt in verschiedenen Regionen, insbesondere im karibischen Raum, verteidigt lautstark Weiße und Christen in Afrika und beabsichtigt nun sogar, die Atomtests wieder aufzunehmen (was auch immer er damit meint) und das Wettrüsten anzukurbeln.

Derzeit sieht die innenpolitische Lage für Donald Trump nicht besonders rosig aus. Der "Shutdown" in Rekordlänge und der Parteienstreit um die Finanzierung staatlicher Einrichtungen schaden laut Umfragen primär den US-Republikanern. Die ersten Wahlen unter der aktuellen US-Regierung, darunter auch in New York, waren für ihre Opponenten erfolgreich. Die für Trump so wichtige Zollpolitik sorgt bei vielen für Verwirrung. Es ist auch ungewiss, ob der U.S. Supreme Court, der derzeit über die Rechtmäßigkeit dieser Politik entscheidet, diesen Kurs unterstützen wird. Und dort bilden die Konservativen die Mehrheit.

Bis zu den Zwischenwahlen zum US-Kongress, bei denen entschieden wird, ob die US-Republikaner die Kontrolle über die beiden Kongresshäuser behalten, verbleibt noch ein Jahr. Aber schon jetzt bereitet sich das Land auf die Wahlen vor.

Und hier entsteht ein Paradoxon. Donald Trump, der all seine Vorgänger dafür kritisiert hat, die Interessen des einfachen Volkes zu vernachlässigen und sich mit Themen zu beschäftigen, die für die Menschen nicht relevant sind, widmet nun viel Zeit außenpolitischen Themen. Darüber hinaus gibt es Grund zu der Annahme, dass solche Aktivitäten mit dem Näherrücken der Kongresswahlen noch zunehmen werden. Die nächste Verleihung des von Donald Trump so sehr herbeigesehnten Friedensnobelpreises findet genau einen Monat vor der Wahl statt. Und der US-Präsident wird diesen Trumpf sicherlich ausspielen wollen; zumindest wird er einige Anstrengungen in diese Richtung unternehmen.

Dass Trump den Nobelpreis erhält, ist eher unwahrscheinlich, da er nicht den liberalen und internationalistischen Grundsätzen derjenigen entspricht, die den Preisträger auswählen. Die paradoxe Verlagerung des Fokus vom innenpolitischen zum außenpolitischen Bereich ist jedoch nachvollziehbar. Die Vereinigten Staaten können sich nicht einfach auf sich selbst konzentrieren und an die Traditionen des Isolationismus anknüpfen. Denn viel, vor allem der finanzielle und wirtschaftliche Wohlstand, hängt von ihrer globalen Rolle ab, auch wenn sie diese nicht mehr in der bisherigen Form spielen möchten. Zwar fehlt es Trump wahrscheinlich an einem durchdachten Programm zur Neuausrichtung, jedoch besteht ein instinktives Verständnis für die Notwendigkeit eines solchen Schrittes. Daher rührt sein Vorgehen nach der Versuch-und-Irrtum-Methode, begleitet von lautstarkem und ununterbrochenem Trommelwirbel.

Die US-amerikanische Öffentlichkeit ist natürlich an ihrem eigenen Wohlstand und ihrer Lebensqualität interessiert, und diese lassen sich nicht durch internationale Erfolge ersetzen, aber als Instrument zur Bildung einer positiven öffentlichen Meinung sind sie durchaus geeignet. Und je komplexer die innenpolitischen Transformationen sind, desto mehr außenpolitische Erfolge sind erforderlich. Denn (siehe oben) die messianischen Wurzeln der amerikanischen Idee wurden nicht abgeschafft – lediglich die Formulierungen wurden angepasst.

Für die übrige Welt bedeutet dies, dass die außenpolitischen Aktivitäten Washingtons ebenso intensiv fortgesetzt werden oder sich sogar noch verstärken könnten. Und sie werden höchstwahrscheinlich noch stärker von der innenpolitischen Lage in den USA abhängen. Berücksichtigt man zusätzlich die persönlichen Eigenschaften von Donald Trump, kann man davon ausgehen, dass seine Handlungen und Äußerungen zunehmend impulsiver werden.

Das vergangene Jahr konnte die Annahme nicht widerlegen, dass Trump grundsätzlich kein Kriegspräsident ist und ihm ernsthafte Militäraktionen mit Verpflichtungen zuwider sind. Er ist jedoch ein Präsident der Machtdemonstration (durch die, wie sein Motto lautet, Frieden erreicht werden kann), und dabei besteht immer die Gefahr, dass man sich in eine Demonstration hineinziehen lässt, sogar gegen den eigenen Willen.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 11. November 2025 zuerst auf der Homepage von "Russia in Global Affairs" erschienen.

Fjodor Lukjanow ist seit 2002 Chefredakteur von "Russia in Global Affairs". Im Jahr 2012 wurde er zum Vorsitzenden des Präsidiums des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik Russlands gewählt. Seit 2015 ist er Forschungsdirektor des Internationalen Diskussionsklubs Waldai. Lukjanow ist zudem Forschungsprofessor an der Fakultät für Weltwirtschaft und Globale Politik der Nationalen Forschungsuniversität "Hochschule für Wirtschaft".

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.