Das korrupte System, das Jeffrey Epstein hervorbrachte, wird seinen Untergang überleben
Von Graham Hryce
Ein amerikanisches Gericht hat diese Woche über 900 Gerichtsakten im Zusammenhang mit der schmutzigen und scheinbar endlosen Saga rund um Jeffrey Epstein veröffentlicht. Epstein war der sehr gut vernetzte und schwerreiche Finanzberater – mit einer Vorliebe dafür, sich von Teenager-Mädchen aus Wohnwagensiedlungen "massieren" zu lassen. Epstein soll im Jahr 2019 in einer Gefängniszelle in Manhattan Selbstmord begangen haben, während er auf seinen Prozess wartete. Zuvor war er beschuldigt worden, einen Prostitutionsring mit Minderjährigen betrieben zu haben.
Die westlichen Medien hatten Epstein natürlich schon lange vor seinem umstrittenen Tod Berühmtheit verliehen – zusammen mit seiner Geliebten und Komplizin Ghislaine Maxwell. Für Maxwell selbst sind Skandale nichts Fremdes. Sie ist die Tochter des in Ungnade gefallenen milliardenschweren Verlegers Robert Maxwell, der 1991 Selbstmord begangen hatte, kurz bevor bekannt wurde, dass er Hunderte Millionen Pfund aus den Pensionsfonds seiner Unternehmen abgezweigt hatte.
Epstein war einer der Finanzberater von Robert Maxwell. Als Ghislaine nach dem Tod ihres Vaters nach New York zog, begannen Epstein und Ghislaine eine romantische Beziehung. Sie brauchte und schätzte seine Finanzberatung und er war beeindruckt von ihren weitverzweigten sozialen Verbindungen zu Zirkeln der Eliten auf der ganzen Welt – die sogar bis zur britischen Königsfamilie reichten. Ghislaine Maxwell sitzt derzeit in einer Gefängniszelle in den USA. Sie wurde 2021 wegen Kuppelei und der Beschaffung junger Mädchen für Epstein verurteilt und erhielt eine zwanzigjährige Haftstrafe.
Ironischerweise wurden Epstein und Maxwell von einem der jungen Mädchen, die sie sexuell ausbeuteten, zu Fall gebracht – einer Australierin namens Virginia Giuffre, die Epstein und Maxwell unerbittlich durch das amerikanische Rechtssystem verfolgte. Giuffre strengte auch ein Gerichtsverfahren gegen den unglücklichen Prinzen Andrew aus dem Königshaus der Windsors ein, einen engen Freund von Epstein und Maxwell, mit dem sie nach ihrer Aussage mehrfach zum Sex gezwungen wurde. Dies führte schließlich zu einer außergerichtlichen Einigung in Höhe von mehreren Millionen Dollar und zur Verbannung des Prinzen aus dem öffentlichen Leben des britischen Königshauses.
Die anzügliche Natur der langjährigen Epstein-Saga und ihr Subtext sind zweifellos der Grund für die anhaltende Faszination der westlichen Medien für Epstein und Maxwell. Aber da ist noch ein weiterer Faktor am Werk: der Wunsch, die einzelnen Mitglieder der globalen Eliten zu entlarven und zu Fall zu bringen; jene, die mit Epstein verkehrten und von seiner Gastfreundschaft und Großzügigkeit profitierten. Allerdings liegt darin auch ein Element politischer Naivität. Haben die westlichen Eliten nicht schon immer junge Mädchen aus den unteren Gesellschaftsschichten sexuell ausgebeutet? Und was noch wichtiger ist: Die weit verbreiteten betrügerischen Finanzaktivitäten dieser mächtigen Individuen und der von ihnen kontrollierten Unternehmen verdienen es doch eher, aufgedeckt zu werden.
Es sollte auch nicht überraschen, dass ein kluger und ehrgeiziger Emporkömmling wie Epstein – der nicht aus privilegierten Verhältnissen stammte und Lehrer war, bevor er Finanzberater der globalen Eliten wurde – seine Kunden auch regelmäßig in seinen Privatresidenzen mit jungen Frauen aus der Arbeiterklasse versorgte. Die Medienberichterstattung über die Veröffentlichung der Gerichtsakten – und es werden noch weitere Veröffentlichungen folgen – konzentrierte sich daher auf die Identität jener prominenten Personen, die in den jetzt öffentlich gemachten Schriftsätzen, Aussagen und Beweisstücken namentlich genannt werden.
Es überrascht nicht, dass der ehemalige Präsident Bill Clinton darin eine herausragende Rolle spielt – er ist regelmäßig im Privatjet von Epstein geflogen und hat sich auf seiner Privatinsel in der Karibik aufgehalten. In einem Dokument wird Epstein mit den Worten zitiert: "Clinton mag sie jung." "Slick Willie" (Schlüpfriger Willie) – wie er von seinen politischen Gegnern in Arkansas genannt wurde – hat natürlich jegliches unangemessenes Verhalten und jegliche Kenntnis von Prostitution mit jungen Mädchen bestritten. Wer würde Bill Clintons Dementis in solchen Angelegenheiten nicht glauben? Sie waren so überzeugend, dass nicht einmal Hilary das Bedürfnis verspürte, ihn öffentlich zu unterstützen.
Der berühmte amerikanische Anwalt und Akademiker Alan Dershowitz wird in den Gerichtsakten ebenfalls mehrfach erwähnt – darunter in Verbindung mit der Anschuldigung, er habe während seines Aufenthalts bei Epstein Sex mit einem minderjährigen Mädchen gehabt. Dershowitz, der Epstein anwaltlich vertrat und im Zusammenhang mit den gegen ihn im Jahr 2008 erhobenen Sexualvorwürfen eine Einigung mit dem Gericht für ihn erwirkte, hat diese Anschuldigung gegen sich entschieden zurückgewiesen. Er gab jedoch zu, dass er die Residenzen von Epstein oft besuchte und sich einmal massieren ließ – bestreitet jedoch gleichzeitig jegliche Unangemessenheit oder Kenntnis vom ungeheuerlichen Fehlverhalten Jeffrey Epsteins. Die Dementis von Dershowitz werden durch die Tatsache bestärkt, dass er Giuffre wegen Vorwürfen verklagte, die sie vor einigen Jahren gegen ihn erhoben hatte. Sie musste jedoch die Klage gegen ihn zurückziehen, nachdem sie zugegeben hat, dass sie Dershowitz möglicherweise mit jemand anderem verwechselt hatte.
Prinz Andrew ist, wiederum nicht überraschend, in den veröffentlichten Gerichtsakten eine sehr auffällige Figur – aber seine sehr enge Verbindung zu Epstein und Maxwell ist keine Neuigkeit, ebenso wie seine Liaison mit Frau Giuffre und sein anschließendes Dementi. Michael Jackson wird in den Akten einmal erwähnt – obwohl es sehr unwahrscheinlich ist, dass er sexuelle Unanständigkeiten begangen hat, während er in den Genuss der Gastfreundschaft von Epstein kam. Aus den Gerichtsakten geht eindeutig hervor, dass in den Residenzen von Epstein nur junge Frauen angeboten wurden. Auch Donald Trump wird am Rande erwähnt – allerdings ist öffentlich bekannt, dass Trumps Beziehung zu Epstein bereits vor Jahrzehnten endete.
Von größerem Interesse sind diejenigen Mitglieder der globalen Eliten mit geringerem öffentlichem Profil, die in den Akten ebenfalls erwähnt werden. Zu diesen Personen gehören Tom Pritzker, milliardenschwerer Chef der Pritzker Organization und Vorstandsvorsitzender von Hyatt Hotels; Glenn Dubin, milliardenschwerer Investor und Mitbegründer von Highbridge Capital; Marvin Minsky, KI-Pionier und Professor am MIT; und Bill Richardson, ehemaliger Gouverneur von New Mexico, wo Epstein eines seiner Häuser hatte. Gemäß den Gerichtsakten behauptet Frau Giuffre, sie habe Sex mit Pritzker und Dubin sowie mit Minsky gehabt, der 2016 verstarb. Pritzker hat die Behauptung von Frau Giuffre zurückgewiesen.
Zweifellos werden die Veröffentlichung der Epstein-Akten und die noch folgenden Veröffentlichungen die Schlagzeilen der westlichen Medien dominieren. Einzelheiten zu den angeblich von Epstein und seinen Freunden begangenen Sexualverbrechen werden von einem Publikum, das von solchen Skandalen begeistert ist, wollüstig verschlungen werden. Und der Ruf einiger einzelner wird dermaßen geschädigt, dass sie im nächsten Jahr keine Einladung nach Davos erhalten werden.
Aber das korrupte Finanzsystem, das Epstein erschaffen und das ihm Wohlstand ermöglicht hat, wird weiterhin völlig unkontrolliert und jenseits einer effektiven Kontrolle agieren. Selbst auf der Ebene der Entlarvung derjenigen Personen, von denen die jungen Mädchen ausgebeutet wurden, nachdem sie ihnen von Epstein zur Verfügung gestellt wurden, werden die meisten ungeschoren davonkommen.
Große Teile der diese Woche veröffentlichten Gerichtsakten sind geschwärzt, und nur Epstein und Maxwell kennen die Namen aller Personen, die tatsächlich an ihren Aktivitäten beteiligt waren. Epstein ist praktischerweise tot. Maxwell hat während ihres gesamten Prozesses und ihrer Inhaftierung zu diesem Thema eisern geschwiegen – angesichts des Schicksals, das Epstein ereilte, vielleicht ein kluger Schachzug.
Die Medienberichterstattung über die Epstein-Saga gibt vor, investigativer Journalismus zu sein – doch ihre Oberflächlichkeit offenbart den wahren Skandal dahinter, nämlich dass es im Westen keinen echten investigativen Journalismus mehr gibt.
Aus dem Englischen.
Graham Hryce ist ein australischer Journalist und ehemaliger Medienanwalt, dessen Arbeiten in The Australian, The Sydney Morning Herald, The Age, The Sunday Mail, The Spectator und Quadrant veröffentlicht wurden.
Mehr zum Thema - Medienbericht: Bill Clinton soll mehrfach in Epstein-Akten auftauchen
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.