Musk lässt Twitter-Nutzer über seinen Rücktritt abstimmen – und verliert
Wenn sich der temperamentvolle neue Chef des Kurznachrichtendienstes Twitter tatsächlich an sein Versprechen hält, muss er den Konzern nach weniger als zwei Monaten im Amt nun schon wieder verlassen. Denn Elon Musk hat seinen Job als Firmen-CEO am Sonntag in die Hände der Twitter-Nutzer gelegt. "Sollte ich als Chef von Twitter zurücktreten?", fragte Musk an die Nutzer des Kurznachrichtendienstes gewandt. Dann versprach er:
"Ich werde mich an die Ergebnisse dieser Umfrage halten."
Should I step down as head of Twitter? I will abide by the results of this poll.
— Elon Musk (@elonmusk) December 18, 2022
An der Umfrage hatten sich insgesamt mehr als 17,5 Millionen Nutzer beteiligt. Die Ansage ist klar: Die Mehrheit (57,5 Prozent) votierte für Musks Rücktritt als Twitter-Chef. Lediglich 42,5 Prozent sprachen sich hingegen für sein Bleiben aus. "Wie ein Sprichwort sagt: Sei vorsichtig, was du dir wünschst, denn du könntest es bekommen", hatte Musk noch scherzhaft getwittert, nachdem er die Debatte in der Nacht zu Montag selbst in Gang gesetzt hatte. Ob der Milliardär das Ergebnis wie versprochen nun tatsächlich annimmt, ist indes zwar unklar. Allerdings hatte er vor einigen Wochen ohnehin bereits angedeutet, sein Engagement bei Twitter auf ein Minimum zurückfahren zu wollen: "Ich habe vor, meine Zeit bei Twitter zurückzufahren und mit der Zeit jemand anderen zu finden, der Twitter leitet", sagte Musk bei einem Gerichtsverfahren.
Der Milliardär machte bisher allerdings keine näheren Angaben dazu, wann genau er zurücktreten würde, sollten die Umfrageergebnisse – wie jetzt geschehen – dies nahelegen. Auch gibt es noch keinen offensichtlichen Nachfolger. "Niemand will den Job, der Twitter wirklich am Leben erhalten könnte. Es gibt keinen Nachfolger", antwortete Musk auf Frage eines Twitter-Nutzers zu einem möglichen Wechsel auf dem Chefposten des Kurznachrichtendienstes. Daraufhin meldete sich dann jedoch doch ein Interessent zu Wort. "Ich akzeptiere Zahlungen in Bitcoin", kommentierte der Whistleblower Edward Snowden Musks Tweet.
I take payment in Bitcoin. https://t.co/wW0Qa9NxWi
— Edward Snowden (@Snowden) December 19, 2022
Die Umfrage erfolgt inmitten des jüngsten Aufruhrs über eine neue Richtlinie, die es Nutzern verbietet, auf Twitter für andere Social-Media-Plattformen zu werben. Bevor er die Nutzer über seinen Verbleib befragte, hatte Musk in einer Reihe abgesetzter Tweets eingeräumt, dass seine Entscheidung, neue Sprachbeschränkungen einzuführen, die die Erwähnung konkurrierender Social-Media-Webseites verbieten, ein Fehler gewesen sei. "Ich bitte um Entschuldigung. Es wird nicht wieder vorkommen", versprach er hinsichtlich der umstrittenen Richtlinienänderung, bevor er seine jüngste Umfrage teilte. Der 51-Jährige kündigte zudem an, die Nutzer künftig über "größere Änderungen der Richtlinien" abstimmen lassen zu wollen.
In der vergangenen Woche geriet Twitter zudem in die Kritik, weil der Konzern die Accounts mehrerer prominenter US-Journalisten sperren ließ. Vorausgegangen war die Suspendierung eines Accounts, auf dem der Standort von Musks Privatjet veröffentlicht worden war. Das Unternehmen begründete seine Entscheidung damit, dass der Nutzer des Kontos damit angeblich gegen eine kürzlich eingeführte Richtlinie zur Weitergabe von Standortinformationen verstoßen hatte. Jedoch sperrte Twitter auch andere Journalisten, die kritisch über Musk oder dessen Unternehmen berichtet hatten. Ein Großteil der Accounts wurde inzwischen aber wieder freigeschaltet, nachdem sich bei einer von Musk geteilten Umfrage 59 Prozent der Befragten für die sofortige Wiederherstellung der Konten ausgesprochen hatten.
Die Entscheidung, prominente Journalisten von Twitter zu verbannen, hatte bei Politikern auf beiden Seiten des Atlantiks vergangene Woche heftige Reaktionen ausgelöst. Es gebe "rote Linien", und die aktuellen Entwicklungen seien "besorgniserregend", erklärte EU-Vizekommissionspräsidentin Věra Jourová am Freitag auf Twitter. Sie verwies darauf, dass dem Unternehmen infolgedessen Sanktionen drohen könnten. Musk solle sich dessen bewusst sein, so Jourová weiter. "Es gibt rote Linien. Und bald Sanktionen." Kritik kam aber nicht nur von der EU, sondern auch aus Deutschland. Das Außenministerium verurteilte die Sperrungen am Freitag scharf und äußerte auf Twitter Bedenken gegen den Schritt:
"Pressefreiheit darf nicht nach Belieben ein- und ausgeschaltet werden. Damit haben wir ein Problem @Twitter."
Doch auch die Vereinten Nationen zeigten sich zutiefst beunruhigt. Reporter dürften auf einer Plattform, die vorgebe, ein Raum für Meinungsfreiheit zu sein, nicht durch die willkürliche Sperrung zum Schweigen gebracht werden, mahnte UN-Sprecher Stéphane Dujarric am Wochenende in New York. "Aus unserer Sicht schafft der Schritt einen gefährlichen Präzedenzfall zu einer Zeit, in der Journalisten auf der ganzen Welt Zensur, körperlichen Drohungen und noch Schlimmerem ausgesetzt sind." Die UNO habe in letzter Zeit einen sehr besorgniserregenden Anstieg von Hassreden, Desinformationen zum Klima und anderen Themen auf Twitter beobachtet, so Dujarric weiter. Man wolle mit Twitter deshalb weiter in Kontakt bleiben.
Musk hatte Twitter im Oktober übernommen und setzt bei dem Online-Dienst seitdem seine Vorstellungen durch. Der Milliardär, der sich selbst als "absoluten Verfechter der freien Meinungsäußerung" bezeichnet, hatte in den vergangenen Wochen die Schlagzeilen bestimmt.
So ließ er etwa diverse Accounts freischalten, die vor seiner Twitter-Übernahme wegen vermeintlicher Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen des Konzerns gesperrt worden waren, darunter auch das Konto des früheren US-Präsidenten Donald Trump. Der Kurznachrichtendienst Twitter hatte sich in den vergangenen Jahren zu einer der beliebtesten Kommunikationsplattform entwickelt: Auf der ganzen Welt nutzen Regierungen, Behörden und Politiker Twitter für ihre Öffentlichkeitsarbeit.
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