Texas werde die Grenzmauer weiterbauen und illegale Migranten verhaften lassen. Das machte der texanische Gouverneur Greg Abbott (Republikaner) gestern in einer Ansprache in der texanischen Grenzstadt Del Rio klar. Damit soll nach seinen Aussagen die ansteigende Migrationskrise eingedämmt werden. Für die umfangreichen Grenzsicherungsmaßnahmen, zu denen auch die Erschaffung einer Grenzschutz-Taskforce gehört, stellte Abbott eine sofortige Investitionssumme von einer Milliarde US-Dollar in Aussicht.
Der republikanische Gouverneur verdeutlichte, die Arbeiten an bestimmten Grenzabschnitten sollten sofort beginnen. Für die kommende Woche kündigte er die Veröffentlichung eines detaillierten Bauplans an. In seiner öffentlichen Ansprache betonte Abbott:
"Wir werden alles dafür tun, unsere Grenze zu sichern – und das beginnt heute und genau hier in Val Verde County. Wir brauchen dringend Veränderungen, um die Grenzkrise einzudämmen."
Abbott machte die US-Zentralregierung unter Präsident Joe Biden für die derzeitige Krisensituation verantwortlich. Er bezeichnete ihre Handlungsweise als "desaströs". Als eine seiner ersten Amtshandlungen als US-Präsident verhängte Biden einen Baustopp für die, von seinem Vorgänger Donald Trump auf den Weg gerbachte, Grenzmauer. Damit gingen reduzierte strikte Grenzkontrollen und das Abfangen von Migranten an der Grenze zu Mexiko einher. Seitdem gab es einen sprunghaften Anstieg von illegalen Einwanderern in die USA – mit seit 20 Jahren nicht registrierten Rekordwerten. Allein im April dieses Jahres kamen über 170.000 Menschen illegal über die US-Grenze, im Mai waren es über 180.000 Menschen.
Abbott betonte, wie stark sich der Regierungswechsel in den USA auf diese Situation ausgewirkt habe:
"Präsident Trump hat unsere Grenze adäquat gesichert. Er hat eine 'Bleibt in Mexiko'-Politik vertreten und angefangen, die Grenzmauer zu errichten. Und nun ist das alles ganz plötzlich verschwunden und führte zu genau diesem dramatischen Anstieg von Menschen, die über die Grenze kommen."
Für den texanischen Gouverneur stehen dabei nicht allein die deutlich gestiegenen Zahlen von Migranten im Vordergrund, sondern die damit einhergehenden Folgen. Er hob hervor, wie sich die illegale Migration auf die Land- und Viehwirtschaft in Texas auswirke. Außerdem berichtete er von zunehmenden Hausüberfällen, Drogen- und Menschenhandel. Nach Angaben der Texas Rangers sei die aufgegriffene Menge der Substanz Fentanyl, ein als Droge missbrauchtes Schmerzmittel, das 80 Mal stärker als Morphin wirkt, im ersten Jahresdrittel um 800 Prozent gestiegen im Vergleich zum Vorjahr. Es wurde genug Substanz sichergestellt, um 21 Millionen Menschen eine tödliche Dosis davon zu verabreichen.
Sicherheit steht ganz vorne in der Argumentation von Abbott. Die derzeit offene Grenze werde von Kartellen, Drogenschmugglern und Menschenhändlern ausgenutzt. Er betonte vor der jubelnden Menge, dass "niemand diese Bedrohungen in der eigenen Gemeinde erleben solle". Dafür bräuchte es grundlegende Veränderungen in der Grenzsicherung.
Grenzsicherung als Aufgabe der US-Regierung
Trotz der deutlichen Worte des texanischen Gouverneurs ist es fraglich, ob es dem Bundesstaat Texas möglich ist, die Grenzsicherung selbst in die Hand zu nehmen. Diese obliegt eigentlich der US-Regierung, der auch die bisher errichteten Teile der Grenzmauer unterstehen.
Noch im Wahlkampf hatte Joe Biden betont, es solle "kein weiterer Fuß Mauer" mehr gebaut werden. Angesichts der zunehmenden Migrationskrise ruderte die US-Regierung bereits zurück. Sie erklärte, es würden einige wenige Teile der Grenzsicherung ergänzt und ausgebessert werden – nach Regierungsaussage zum Ausgleichen der Fehlplanungen der Trump-Regierung.
Um die Situation in den Griff zu bekommen, übertrug Biden im März seiner Vizepräsidentin Kamala Harris die Verantwortung in der Einwanderungsfrage. Als eine erste Maßnahme hatten Harris und die US-Regierung Verträge mit den lateinamerikanischen Staaten Mexiko, Guatemala und Honduras erarbeitet. Danach sollten diese die Migranten militärisch an ihren Grenzen stoppen. Der Erfolg blieb bislang aus.
Vergangenen Sonntag trat Harris auf ihrer ersten offiziellen Auslandsreise als US-Vizepräsidentin in Guatemala auf. Dort richtete sie im Beisein des guatemaltekischen Präsidenten Alejandro Giammattei einen Appell an alle potenziellen Migranten in die USA. Sie warnte davor, "den gefährlichen Treck zur US-Mexiko-Grenze zu unternehmen". Eindringlich betonte Harris:
"Kommen Sie nicht, kommen Sie nicht."
Auf die Bemühungen der US-Regierung wollen sich die Texaner nicht länger verlassen. Vergangene Woche brachten 34 texanische Countys gemeinsam mit dem Gouverneur Abbott eine Notstandserklärung auf den Weg, um zusätzliche Finanzmittel einzusetzen im Kampf gegen "kriminelle Aktivitäten, die aus Bidens Grenzkrise entstammen". Abbott kündigte an, dass in der kommenden Woche eine weitere Notstandserklärung erfolgen solle. Der Republikaner betonte:
"Obwohl der Grenzschutz in der Verantwortung der US-Regierung liegt, wird Texas nicht untätig danebenstehen und zusehen, wie die Krise weiter wächst."
Bereits im März hatte Abbott die Operation Lone Star gestartet. Im Zuge deren wurden Hunderte von neuen Sicherheitskräften entlang der Grenze stationiert und Finanzmittel bereitgestellt. Insbesondere das Schmuggeln von Menschen, Waffen und Drogen soll unterbunden werden.
Der Texaner Abott ist sich sicher, dass diese Maßnahmen gemeinsam mit dem nun forcierten Weiterbau der Grenzmauer geeignet sind, die Migrationskrise einzudämmen. Er argumentierte:
"Es ist nicht das, was die illegalen Migranten erwarten, es ist nicht der rote Teppich, den die US-Regierung für sie ausgerollt hat. Hier im Staat Texas werden sie ins Gefängnis gesteckt."
Die Pläne der texanischen Regierung werden von Migranten-Hilfsorganisationen kritisch gesehen. Edna Yang, Co-Direktorin von American Gateways betonte, Abbott habe "keinen wirklichen Plan", wie er der Krise begegnen wolle. Die Mauer weiterzubauen und mehr Grenztruppen aufzustellen, werde "keine Grenzgemeinde und kein Grenz-County sicherer machen".
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