Nordamerika

Mainstream-Medien rätseln über Folgen der US-Wahl für Russland, China und Iran

Westliche Medien versuchen, das Ergebnis der US-Wahl für den Herausforderer des amtierenden US-Präsidenten als "bedeutsam" zu bezeichnen. Der Ausgang der US-Wahlen wird aber an den derzeitigen geopolitischen Entwicklungen in der Welt für Russland, China und Iran wenig ändern.
Mainstream-Medien rätseln über Folgen der US-Wahl für Russland, China und IranQuelle: Reuters © Ashley L. Conti

von Seyed Alireza Mousavi

US-Geheimdienste warfen in den vergangenen Monaten wieder einmal mehrfach Russland, China und Iran vor, sich angeblich in die US-Wahlen einzumischen. Vor Kurzem wurden Russland und Iran von den USA beschuldigt, beide Länder verbreiteten "Falschinformationen" und hätten illegal persönliche Daten registrierter Wähler erbeutet. Obwohl die drei Herausforderer der bisherigen Weltmacht USA die Anschuldigungen wiederholt dementierten, spekulieren die westlichen Medien weiterhin darüber, welche Folgen der Ausgang der US-Wahlen für die Großmächte Russland und China und für die Regionalmacht Iran haben wird.

Dabei wird unterstellt, dass das Ergebnis der Wahl enorme Auswirkung auf die Außenpolitik der drei Länder habe: Russland nutze "eine Reihe von Maßnahmen", um den Ruf des früheren Vizepräsidenten Biden zu untergraben. China dagegen wolle eine zweite Amtszeit Trumps verhindern, weil Peking ihn für "unberechenbar" hält. Und die Iraner wollten hingegen "ganz offensichtlich" Biden, aus gutem Grund, denn er könne versuchen, die Gespräche mit Iran wiederaufzunehmen, und das sei – auch für Iran – "dringend" notwendig. Das Rennen um den Sitz im Weißen Haus ist in vollem Gange, und aus der geopolitischen Sicht lohnt es sich erneut, einen kurzen Blick auf die geopolitische Landkarte zu werfen.

Iran: Die iranische Führung geht davon aus, dass Trump im Falle seiner Wiederwahl die Strategie des maximalen Drucks gegen Teheran weiterführen würde, um einen drastischen Kurswechsel Irans im Bereich der Außenpolitik und der Atomenergie zu erzwingen. Biden hat sich bereit erklärt, dass die USA zum bestehenden Atomabkommen zurückzukehren und dementsprechend ihre Sanktionen gegen Iran bei Einhaltung der Vereinbarungen schrittweise auszusetzen.

In einem umstrittenen Alleingang stieg Trump bekanntlich im Jahr 2018 aus dem mehrseitigen Atomabkommen mit Iran aus und setzte einseitig die US-Sanktionen gegen das Land wieder in Kraft. Einige liberale Kräfte unter Präsident Rohani sind daher an einer Abwahl des Präsidenten Trump interessiert, um damit ihre "diplomatische Errungenschaft", also das Atomabkommen von 2015 wiederbeleben zu können. Das iranische Außenministerium unterstrich dennoch offiziell, dass das Land weder ein Interesse an der US-Wahl noch an deren Ergebnis habe.

Die konservativen und nationalistischen Kräfte um die Iranische Revolutionsgarde blieben zudem bei der Bewertung des Ausgangs der US-Wahl eher neutral, weil sie davon ausgehen, dass im Weißen Haus ohnehin eine strategische Feindschaft mit Iran herrscht und die Unterschiede zwischen Republikanern und Demokraten nicht substanziell seien, sondern sie resultierten höchstens aus taktischen Gründen. Dennoch würden wohl iranische Konservative ihre Schadenfreude bei einer Trump-Niederlage kaum verbergen, weil damit der Anstifter zur Ermordung des iranischen Generals Qassem Soleimani politisch ausgeschaltet würde. 

China: Trumps Antwort auf die Frage nach dem zentralen Gegenspieler des Landes war bis vor Kurzem eindeutig: China. "Sie sind ein Gegner, sie sind ein Wettbewerber, sie sind in vieler Hinsicht ein Feind", sagte der Präsident. Trump macht Peking unter anderem sogar dafür verantwortlich, dass das Coronavirus die Grenzen des Landes verlassen konnte und nennt es das "China-Virus". Trump nennt seinen Herausforderer oft "Beijing-Biden", um dem "Peking-Biden" damit zu unterstellen, die Machthaber in Peking hätten die Fäden für die Marionette der Demokratischen Partei in Händen.

Seit 2018 belastet der eskalierte und weiter schwelende Handelsstreit das Verhältnis zwischen den USA und China. Die USA und China steuerten während Trumps Amtszeit auf eine Phase ernster Kriegsgefahr zu. Bereits mehrmals kam es zu gefährlichen Annäherungen und Kollisionen im Südchinesischen Meer. Tatsache bleibt, dass China eine aufstrebende Macht in der Weltpolitik ist, wobei die Konturen einer neuen Weltordnung sich immer deutlicher herausschälen. Denn China hat die Dominanz der USA in vielen technologischen und geopolitischen Bereichen herausgefordert. Die neue Ordnung ist daher zunehmend bipolar: China gegen Amerika.

Nicht zuletzt deswegen dürfte eine Wiederwahl des Republikaners für China ein überschaubares, kleineres Übel sein, obwohl kein US-Präsident die Volksrepublik so hart angegangen ist wie Trump. Denn der US-Präsident hat nicht nur für eine Entfremdung in den US-amerikanisch-chinesischen Beziehungen gesorgt, sondern die Beziehungen zwischen USA und ihren Partnern in der EU durch Trumps isolationistischen Kurs auf einen Tiefpunkt manövriert. Im Grunde treibt er mit der Spaltung in der westlichen Welt den Aufstieg Chinas zur Weltmacht sogar voran.

Russland: Der Präsidentschaftskandidat Joe Biden von der Demokratischen Partei der USA sieht den wichtigsten Gegenspieler der USA in der Weltpolitik weiterhin in Russland. "Ich denke, die größte Bedrohung für Amerika ist aktuell Russland, was Angriffe auf unsere Sicherheit und die Spaltung unserer Allianzen angeht", sagte er auch kürzlich wieder in einem Interview mit dem TV-Sender CBS. Abgesehen von den verbalen Attacken der "Demokraten" und den unbewiesenen Vorwürfen der US-Geheimdienste gegen Russland wegen angeblicher "Wahleinmischung", sind die Konflikte zwischen Russland und den USA als geopolitische Fragen einzuordnen.

Insofern ist die Feststellung der westlichen Medien, dass Trumps Wiederwahl Russland zugutekomme, eher eine journalistischen Behauptung, um damit bei dieser Wahl in einer zutiefst polarisierten US-Gesellschaft am Ende Russland die Schuld zuzuschieben, wie der Botschafter Russlands im Vereinigten Königreich, Andrei Kelin, unlängst erklärte. Obwohl Trump es vermeidet, den russischen Präsidenten Wladimir Putin persönlich und öffentlich zu kritisieren – zuletzt zum Beispiel, als es um die angebliche "Vergiftung des russischen Oppositionellen" Alexej Nawalny ging –, betont Trump jedoch immer wieder, niemand sei härter gegenüber Russland eingestellt als er selbst.

Und tatsächlich verhängte seine Regierung diverse neue Sanktionen gegen Russland und kämpft bis heute nachdrücklich gegen die Fertigstellung von Nord Stream 2. Wenn Joe Biden ins Weiße Haus einziehen sollte, würden sich vermutlich die EU und die USA solider gegen Russland ausrichten. Dies ändert dennoch nichts an der Tatsache, dass der US-Unilateralismus das gemeinsame Konzept jeder US-Außenpolitik bleibt und die USA auch weiterhin gegen jegliche andere aufstrebende Macht in der Weltpolitik vorgehen werden.

Trumps erste Amtszeit wird als eine Übergangsphase in Erinnerung bleiben, in der die Welt vom bisherigen unipolaren Paradigma gelöst wurde und nun dabei ist, zu einem anderen System überzugehen. Einer möglichen Biden-Regierung würde es auch schwerfallen, die Verbindungen zu US-Verbündeten wieder so eng wie vor Trumps Amtszeit zu gestalten.

Die EU sucht bereits unter Führung von Frankreich und Deutschland eine strategische Autonomie "Europas", während China sich als neue Weltmacht zunehmend durchsetzen kann. US-Verbündete im Nahen Osten werkeln zudem untereinander an bilateralen "Friedensabkommen", auch weil die US-Schutzmacht sich aus der Region erkennbar zurückzieht. Insofern ändert der Ausgang dieser US-Wahl für Russland, China und Iran nicht grundsätzlich die geopolitischen Entwicklungen in der Welt, die bereits in vollem Gange sind.

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