Washingtons Top-Denkfabriken erhalten mehr als eine Milliarde Dollar von Pentagon und Rüstungsfirmen
Wie im September bekannt wurde, hat das US-Verteidigungsministerium mit dem Waffenhersteller Northrop Grumman einen kolossalen Vertrag über 13,3 Milliarden US-Dollar zur Entwicklung einer neuen Interkontinentalrakete (ICBM) im Rahmen der Modernisierung seiner nuklearen Militärstruktur abgeschlossen. Bei Northrop Grumman hieß es, das Unternehmen sei "von der US-Luftwaffe ausgewählt worden, um das in die Jahre gekommene System der Interkontinentalraketen der Nation zu modernisieren".
#NorthropGrumman awarded contract to replace aging ICBM systems. Read more: https://t.co/i8rk93VCHz
— Northrop Grumman (@NGCNews) September 8, 2020
Wie allerdings die Notwendigkeit solcher Ausgaben für den US-Haushalt und die Auswahl der Empfänger zustande kommen, ist den Steuerzahlen womöglich nicht bekannt. Es mag in diesem Zusammenhang Zufall sein, doch sowohl Northrop Grumman als auch das Pentagon gehören zu den Hauptsponsoren einiger in den USA sehr einflussreicher Denkfabriken oder Thinktanks, die wiederum gewisse Ausgaben und einen Modernisierungsbedarf befürworten, während andere gesellschaftliche Bereiche keine derartigen Fürsprecher haben.
Ein aktueller Bericht des Center for International Policy (CIP) geht der Finanzierung der Top-50-US-Thinktanks in Höhe von mehr als einer Milliarde US-Dollar durch Regierung und Verteidigungssektor nach. Das CIP beschreibt sich als unabhängiges, gemeinnütziges Zentrum für Forschung, öffentliche Bildung und Lobbyarbeit zur US-Außenpolitik und wurde während des Vietnamkrieges ins Leben gerufen. Einleitend zur Beschreibung der im Jahr 2016 gegründeten "Transparenzinitiative über ausländischen Einfluss" des CIP heißt es:
Während Untersuchungen über den russischen Einfluss bei den Wahlen 2016 regelmäßig Schlagzeilen auf den Titelseiten machen, gibt es die eine halbe Milliarde Dollar schwere Industrie mit ausländischem Einfluss, die jeden Tag an der Gestaltung der US-Außenpolitik arbeitet und der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt bleibt.
Die Foreign Influence Transparency Initiative (FIT) arbeite daran, diese Anonymität durch Förderung von Transparenz und investigative Forschung sowie öffentliche Information zu ändern. Denn die in den USA stark ausgeprägte Thinktank-Landschaft agiere mit großem Einfluss, jedoch weitestgehend außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung.
Check out our @InfluenceWatch's newest report, U.S. Government and Defense Contractor Funding of America’s Top 50 Think Tank, written by our @BenFreemanDC, here: https://t.co/8Pndx3CaaMhttps://t.co/gNwnW7VHZe
— Center for International Policy (@CIPolicy) October 14, 2020
Dabei beeinflussen Denkfabriken Entscheidungen über mitunter nicht nur teure, sondern auch folgenreiche Politikziele der US-Regierung. Während sich Thinktanks hinsichtlich ihrer Ziele und Organisation stark unterscheiden, sei vielen der in Washington ansässigen eines gemeinsam: Sie erhalten erhebliche finanzielle Unterstützung von der US-Regierung und privaten Unternehmen, die für die US-Regierung arbeiten, insbesondere von Rüstungsunternehmen.
Dabei seien Denkfabriken trotz ihres teils enormen Einflusses nicht gesetzlich verpflichtet, der Öffentlichkeit Auskunft über all ihre genauen Einnahmen oder daraus resultierenden Interessenkonflikte zu geben. Die Bereitschaft zu öffentlicher Transparenz ist demnach bei den Denkfabriken sehr unterschiedlich und reicht von der vollständigen Offenlegung aller Geldgeber und genauer Spendenbeträge bis hin zu Thinktanks, die gar keine Informationen über Geldgeber preisgeben. Das versuche die Transparenzinitiative zu ändern.
Das CIP orientierte sich für den Bericht an einer von der University of Pennsylvania erarbeiteten Liste der Top-50-Thinktanks und analysierte deren Finanzmittel in den Jahren 2014 bis 2019, die sie von der US-Regierung und von Rüstungsfirmen erhalten hatte. Zugrunde gelegt wurden der Analyse sowohl Zahlen aus öffentlich zugänglichen Quellen wie Berichten der Thinktanks und Medienberichten als auch Antworten auf Anfragen des CIP.
Daraus geht hervor, dass die 50 führenden Thinktanks in den USA in 600 Spenden mit einer Gesamtsumme von mehr als 1,078 Milliarden US-Dollar aus 68 verschiedenen Quellen in der US-Regierung und Auftragnehmern im Rüstungsbereich erhielten. Hauptempfänger dieser Mittel waren demnach insbesondere die RAND Corporation, gefolgt – mit großem Abstand – vom Center for a New American Security und der New America Foundation.
Hauptsponsoren seitens der US-Regierung waren demnach das Pentagon, die Luftwaffe, die Armee, das Heimatschutzministerium und das Außenministerium. Zu den Rüstungsunternehmen, die den Top-50-Thinktanks am meisten Geld zukommen ließen, waren Northrop Grumman, Raytheon, Boeing, Lockheed Martin und Airbus.
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Der Atlantic Council, die Brookings Institution, der Council on Foreign Relations, der German Marshall Fund, die Heritage Foundation und andere bekannte US-Thinktanks gehören demnach zu den Top Ten unter den Empfängern hoher Summen von der Regierung und aus dem Rüstungssektor.
Das Center for a New American Security (CNAS) ist laut der Analyse der Empfänger mit der zweithöchsten Summe von der US-Regierung und Rüstungsfirmen, vor allem Lockheed Martin, Boeing, General Dynamics, Northrop Grumman und Raytheon, was etwa die Hälfte aller Beiträge aus den zwei Sektoren ausmacht.
Der Atlantic Council hingegen bezog weniger Geld insgesamt, dafür aber neben einigen Quellen in der US-Regierung und der NATO vorrangig von Rüstungsfirmen. Laut der Analyse stammen fast 8,7 Millionen US-Dollar von 27 solcher Unternehmen, darunter Saab (1,485 Millionen Dollar), Airbus (1,25 Millionen Dollar), Raytheon (800.000 Dollar), Lockheed Martin (750.000 Dollar) und United Technologies (600.000 Dollar).
Aber auch andere bekannte Thinktanks erhalten nicht unerhebliche Summen von der US-Regierung und aus dem Rüstungssektor. Der Bericht enthält eine lange Liste von Thinktanks und deren Finanzquellen in der US-Regierung – darunter auch die CIA wie im Falle der Brookings Institution – und im Rüstungssektor.
Der enorme Einfluss dieser nicht demokratisch gewählten Akteure hat in den USA eine lange Tradition, so die Autoren des Berichts. Als Ronald Reagan 1980 zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, stellte die Heritage Foundation, eine prominente konservative Denkfabrik, dem Übergangsteam des gewählten Präsidenten ein mehr als 1.000 Seiten starkes Empfehlungspaket mit dem Titel "Mandate for Leadership" zur Verfügung, das von Steuern bis hin zur Landesverteidigung alles abdeckt. Nach Angaben der Heritage Foundation übernahm die Reagan-Regierung zwei Drittel ihrer Empfehlungen oder versuchte, sie vollständig zu übernehmen.
Erst in der vergangenen Woche äußerte sich der von der US-Regierung als Sonderbeauftragter für Abrüstungsfragen eingesetzte Marshall Billingslea in einer von der Heritage Foundation organisierten Videokonferenz zu einem der wichtigsten Abrüstungsabkommen und behauptete, man sei in den New-START-Verhandlungen einer Lösung mit Russland nähergekommen. Dabei würden einige Punkte in der von Billingslea angestrebten Vereinbarung bekanntermaßen ohne vergleichbare Zugeständnisse seitens der USA eine für Russland nicht akzeptable Verhandlungsgrundlage darstellen.
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