Chancen für US-Präsident Trump durch Tod von Ruth Bader Ginsburg
Nach dem Tod der legendären Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg zeichnet sich ein erbitterter politischer Kampf um die Nachbesetzung eines Schlüsselpostens im US-Justizsystem ab. Die linksliberale Juristin starb am Freitag im Alter von 87 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung, wie das Oberste Gericht mitteilte. Sollten die Republikaner von US-Präsident Donald Trump den freigewordenen Posten neu besetzen, könnte das die konservative Mehrheit im Supreme Court zementieren – und das Land auf Jahrzehnte prägen. Das Oberste Gericht hat in den USA oft das letzte Wort bei umstrittenen Grundsatzfragen zu Streitthemen wie Abtreibung, Einwanderung, Waffenrecht und Diskriminierung.
Trump würdigte Ginsburg als "Titanin des Rechts", die "alle Amerikaner und Generationen großartiger juristischer Denker inspiriert" habe. Er äußerte sich zunächst nicht dazu, ob er noch in seiner aktuellen Amtszeit, die bis zum 20. Januar läuft, oder gar vor der Präsidentschaftswahl am 3. November dem Senat einen Nachfolgekandidaten vorschlagen werde. Im August hatte er in einem Radiointerview gesagt, er werde "ganz sicher" die Gelegenheit dazu ergreifen, falls sie sich ihm bietet.
Von den neun Richtern des Supreme Courts, der oft mit knapper Mehrheit entlang ideologischer Linien entscheidet, werden nun noch drei klar dem liberalen Lager zugerechnet. Ginsburg galt als prominenteste Vertreterin des liberalen Flügels. Sie war in diesem Jahr mehrfach kurzzeitig im Krankenhaus behandelt worden.
Mit ihrem jahrzehntelangen Kampf für die Gleichberechtigung der Frauen, für Minderheiten und gegen Diskriminierung avancierte Ginsburg zu einer Justiz-Ikone der Vereinigten Staaten und einem Idol der Bürgerrechtsbewegung. Nach Bekanntwerden ihres Todes versammelten sich vor dem Gericht in Washington Hunderte Trauernde. Trump ordnete an, dass Flaggen auf dem Weißen Haus und staatlichen Gebäuden für einen Tag auf halbmast gesetzt werden.
Ungeachtet der Zurückhaltung des Präsidenten erklärten sich die Republikaner im Senat umgehend bereit, über einen Nachfolgekandidaten zu entscheiden. "Der von Präsident Trump nominierte Kandidat wird eine Abstimmung im Senat der Vereinigten Staaten bekommen", teilte Mehrheitsführer Mitch McConnell wenige Stunden nach Ginsburgs Tod mit. Die Republikaner halten im Senat eine Mehrheit von 53 der 100 Sitze. Einige republikanische Senatoren wie Mitt Romney und Lisa Murkowski gelten dabei als mögliche Abweichler.
Die Demokraten fordern mit Nachdruck, die Nachfolge Ginsburgs erst in der nächsten Präsidentschaft zu regeln. "Ohne Zweifel sollten die Wähler den Präsidenten aussuchen, und der Präsident sollte den Richter dem Senat vorschlagen", sagte Trumps Herausforderer Joe Biden. Die Präsidentschaftswahl findet am 3. November statt, die Vereidigung des Siegers am 20. Januar 2021.
Im Jahr 2016 hatten die Republikaner unter McConnells Führung einen vom damaligen demokratischen Präsidenten Barack Obama nominierten Supreme-Court-Kandidaten im Senat blockiert – auch unter Hinweis auf die anstehende Präsidentschaftswahl. Mit Blick darauf rief nun der demokratische Minderheitsführer im Senat, Chuck Schumer, die Republikaner auf, erst unter dem nächsten Präsidenten über die Nachbesetzung zu entscheiden. Er wiederholte dabei exakt McConnells Worte von 2016. McConnell argumentierte, anders als damals gehörten der Präsident und die Mehrheit der Senatoren diesmal einer Partei an.
Auch Ginsburg, die sich – für eine Richterin ungewöhnlich – deutlich als Kritikerin Trumps zu erkennen gab, wollte offenbar keine rasche Entscheidung in der zu Ende gehenden Amtszeit des Republikaners. "Mein innigster Wunsch ist, dass ich nicht ersetzt werde, bis ein neuer Präsident im Amt ist", habe Ginsburg wenige Tage vor ihrem Tod gesagt, berichtete der Rundfunksender NPR unter Berufung auf ihre Enkelin Clara Spera.
Ginsburg war 1993 vom damaligen demokratischen Präsidenten Bill Clinton für den Supreme Court nominiert worden – und wurde in der Folge zum wohl bekanntesten Gesicht der neunköpfigen Richterriege. Die damals 60-Jährige war die zweite Frau überhaupt an dem Gericht. Auch in ihrer Studienzeit war sie eine der wenigen Frauen in einer Männerdomäne.
Einen Namen machte sich Ginsburg nicht zuletzt mit ihrer scharfen Argumentationsweise. Ihr Leben und Wirken ist Gegenstand mehrerer Filme und Bücher. Gerade viele Liberale feiern sie als Ikone. Ihr Konterfei befindet sich auf Souvenirs und als Graffiti an Hausfassaden.
Ginsburg hatte sich im August 2019 wegen eines bösartigen Tumors in der Bauchspeicheldrüse einer Strahlentherapie unterziehen müssen. Bereits im Jahr davor war sie an der Lunge operiert worden, nachdem Ärzte zwei bösartige Knoten gefunden hatten. Nach mehreren Krankenhausaufenthalten teilte sie im Juli 2020 mit, dass sie erneut an Krebs erkrankt sei und sich einer Chemotherapie unterziehe.
Ihren Posten am Supreme Court wollte sie deshalb nicht aufgeben: "Ich habe oft gesagt, dass ich Mitglied des Gerichts bleiben werde, solange ich die Arbeit mit voller Kraft erledigen kann", hatte sie bei Bekanntgabe der Erkrankung erklärt.
Die Besetzung eines Richterpostens am Supreme Court ist stets ein großes Politikum. Mit der Ernennung kann der Präsident die Linie des obersten Gerichts auf viele Jahre hinaus beeinflussen, denn die Richter werden auf Lebenszeit gewählt. Schon jetzt hat das Gericht ein konservatives Übergewicht. Mit dem Tod Ginsburgs könnte sich dieses womöglich für lange Zeit festigen.
Trump ernannte während seiner Amtszeit bislang die konservativen Verfassungsrichter Neil Gorsuch und Brett Kavanaugh. Insbesondere die Berufung Kavanaughs war wegen Vorwürfen sexueller Übergriffe in den 1980er-Jahren heftig umstritten.
Ex-Präsident Obama sagte über Ginsburg:
Als zweite Frau, die jemals ins höchste Gericht des Landes ernannt wurde, war sie eine Kämpferin für die Gleichberechtigung der Geschlechter – und jemand, der glaubte, dass gleiches Recht vor dem Gesetz nur dann einen Sinn ergibt, wenn das für jeden einzelnen Amerikaner gilt.
(rt deutsch/dpa)
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