
"Schädliche Dreadlocks": Wenn selbst Haare gegen die politische Korrektheit verstoßen

Eine Kleinunternehmerin in Seattle wurde zum Umfrisieren und zu einer langen öffentlichen Entschuldigung genötigt, nachdem im Internet ihre Dreadlocks als eine Form der "kulturellen Aneignung" interpretiert wurden – ein Vorwurf, den andere als eine Form von "Mode-Polizei" abgetan haben.

In einem Instagram-Post am Montag entschuldigte sich Rachel Marshall, die Gründerin von Rachels Ginger Beer in Seattle, in einem langen mea culpa (in einer langen Schuldbekenntnis) für ihre "schädliche" Frisur und erklärte, sie sei sich jetzt bewusst, dass Afroamerikaner "diskriminiert und misshandelt werden, weil sie Dreadlocks haben", während sie versprach, ihre eigenen abzuschneiden.
"Es tut mir so leid, dass es so lange gedauert hat, meinen Fehler einzugestehen und auszusprechen", schrieb Marshall auf Instagram und fügte hinzu:
Ich habe einen Termin, um meine Dreadlocks abschneiden zu lassen, und im weiteren Sinne bin ich auch dazu verpflichtet, ernsthaft den Stimmen und Erfahrungen zuzuhören, die sich von meinen eigenen unterscheiden.
Während man Marshall auf Fotos und in Social Media-Posts seit Jahren mit Dreadlocks sieht, hat die Nachricht von ihrer Frisur anscheinend gerade erst den Weg zu unzufriedenen Nutzern im Netz gefunden, was viele dazu veranlasst hat, ihre Frisur zu verurteilen und "kulturelle Aneignung" darin zu sehen. Das scheint ein Konzept zu sein, das bei einigen in der "politischen Linken" gerade in Mode ist und Mitgliedern einer "dominanten" Kultur verbieten soll, Elemente einer "marginalisierten" sozialen Gruppe oder Kultur, wie etwa deren Kleidung oder Frisur, zu kopieren. Im Fall von Marshall wurde behauptet, ihre Dreads seien von Afroamerikanern "angeeignet" worden.
Selling good-tasting product is only half the win, says Rachel Marshall, founder of @rgbsoda. There's more to her business than that. Her goal is “for everybody that walks out of our shops to leave with warm fuzzies.” Rachel’s Ginger Beer is an #AmexWelcomed business in Seattle. pic.twitter.com/W0bnmegfg3
— American Express Business (@AmexBusiness) March 19, 2019
"Das ist schön zu hören. Ich persönlich habe wegen des unangenehmen Bildes einer weißen Frau mit Dreadlocks aufgehört, Ihre Geschäfte aufzusuchen. Ich nahm an, dass Sie nicht verstanden hatten, wie verletzend solche Bilder sein können", schrieb ein Kritiker als Antwort auf Marshalls Instagram-Post.
Danke, dass Sie endlich und entschlossen, obwohl fraglos zu spät, eine kulturell angemessene Wahl getroffen haben.
Einige Kommentatoren forderten Marshall auf, ihre Frisur so zu belassen, weil sie die Kritik als kleinlich und übertrieben abtaten, während andere auf die allgemeine Absurdität der Situation hinwiesen – nämlich als das Spektakel von "Progressiven", die einer Frau diktieren wollen, was sie mit ihrem Körper machen soll.
Telling women what to do with their bodies is never okay unless she’s a white woman with dreadlocks
— Katie Herzog (@kittypurrzog) July 14, 2020
Über den trivialen Charakter der Kritik hinaus stellten einige auch die faktische Grundlage des Vorwurfs der "kulturellen Aneignung" infrage, indem sie feststellten, dass Dreadlocks und verfilzte Frisuren in Kulturen auf der ganzen Welt seit Hunderten von Jahren dokumentiert wurden – darunter auch in nordischen und germanischen Stämmen in Europa, bei Hindus in Indien und den Ureinwohnern Australiens, um nur einige zu nennen.
Public apology from Seattle business owner who was called out on social media for having dreadlocks (she’s white.) “I have come to understand—far too belatedly—that my hairstyle is harmful.” pic.twitter.com/83jJsOynp0
— Katie Herzog (@kittypurrzog) July 14, 2020
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