Nordamerika

"Konzern sorgt für Arbeitnehmerrechte und Gemeinwohl" – Wenn Amazon die Nachrichten vorgibt

In den USA berichten mehrere lokale Nachrichtensender einhellig über löblichen Arbeitnehmerschutz und Hygienestandards beim Onlineversand- und Streaming-Giganten Amazon. Statt einer berichtenswerten Entwicklung handelt es sich dabei um einen Text, den Amazon verfasst hat.
"Konzern sorgt für Arbeitnehmerrechte und Gemeinwohl" – Wenn Amazon die Nachrichten vorgibtQuelle: www.globallookpress.com

Dass journalistische Grundsätze wie Objektivität und Neutralität unter anderem von US-Nachrichtensendern nicht immer ideal eingehalten werden, ist keine berichtenswerte Neuigkeit. Auch die Nähe zwischen dem US-Geheimdienst und beispielsweise dem Sender NBC ist mittlerweile bekannt.

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Doch dass nun der Streaming-Riese und größte Online-Versandhandel der Welt Nachrichten produziert, welche im Wortlaut von lokalen US-Sendern übertragen werden, hat wohl auch mit dem Zeitpunkt der Jahreshauptversammlung des Konzerns zu tun, die am heutigen Mittwoch und kurz nach Bekanntwerden des Todes von mehreren Lagerhausangestellten durch COVID-19 stattfindet. Mehrere Amazon-Aktionäre hatten angekündigt, den Vorstand von Amazon zur Umsetzung besserer Arbeitnehmerbedingungen aufzufordern.

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Diesem PR-Knick zuvorkommend wurde fertiges Filmmaterial aus Amazon-Zentren inklusive Interviews mit Arbeitern und einem Skript für die Moderatoren an diese Sender geliefert. Darin wird der Konzern, der mehrfach aufgrund des höchst bedenklichen Umgangs mit Arbeitnehmern sowie Gemeingütern Schlagzeilen machte, geradezu als Wohltätigkeitsstifter dargestellt, der neben dem Schutz seiner Angestellten durch gründlichste Gesundheits- und Sicherheitsbemühungen außerdem größten Wert auf das Gemeinwohl legt und quasi das Land am Laufen hält, indem es trotz der Krise die Logistik für alle Lebensbereiche sicherstellt. Damit steht die Selbstdarstellung in starkem Kontrast zu den wiederholten Berichten über Ausbeutung und Ausnutzung des Machtgefälles zwischen dem größten Online-Händler der Welt, der zugleich als Streaming- und Cloud-Anbieter rapide wächst, und seinen Angestellten, welche wenig Rechte haben. Zuletzt waren in den USA mindestens acht Mitarbeiter von Amazon gestorben, mehrere hatten die unzureichenden Schutzmaßnahmen kritisiert, davon verloren einige ihre Stelle. Diese Diskrepanz ist nicht selten zwischen Werbung und Realität, doch wurde jetzt bekannt, wie diese Amazon-Werbung als Nachrichten verkauft wurde.

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Manche Redakteure haben den Vorschlag abgelehnt und gar verspottet, sich von Amazon Worte in den Mund legen zu lassen und fertiges Bildmaterial zu senden. Zach Rael, ein Reporter des Senders KOCO aus Oklahoma City, schrieb per Twitter, dass er Filmmaterial über die Einrichtungen von Amazon und ein fertiges Skript für den Nachrichtensprecher erhalten habe, welches lobende Worte über den Konzern wie eine Enthüllung erscheinen lässt:

Zum ersten Mal erhalten wir einen Einblick in die Fulfillment-Zentren von Amazon, um zu sehen, wie das Unternehmen für die Sicherheit und Gesundheit seiner Mitarbeiter sorgt.

Doch mehr als zehn Sender in verschiedenen Teilen des Landes, darunter West Virginia, Miami, Tennessee, Kentucky und Georgia, haben Teile des von Amazon-Sprecher Todd Walker vorgefertigten Skripts eins zu eins übernommen, wie Courier News eindrucksvoll in einem Video aufzeigt, in dem Moderatoren dieselben Sätze unverändert sagen wie: "Das Unternehmen sorgt für die Sicherheit und Gesundheit seiner Mitarbeiter".

Nur drei Sender gaben demnach überhaupt Hinweise darauf, dass der Text nicht von Journalisten recherchiert wurde, sondern von dem Unternehmen stammt; andere Sender hingegen verschwiegen dies gänzlich, manche sendeten den Text gar mehrmals. Mindestens zwei Sender warben auf Twitter für den Beitrag, einige TV-Reporter riefen per Twitter Amazon auf, ihnen das Material zu schicken.

Senator Bernie Sanders kritisierte Amazons Praxis per Twitter als "Propaganda" und schrieb, Jeff Bezos, einer der reichsten Männer der Welt, solle sich lieber darauf konzentrieren, seinen Angestellten Krankheitstage zuzugestehen.

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Amazon hingegen betonte auf Anfrage seine Ansicht, dass an der Praxis gar nichts falsch oder auch ungewöhnlich sei. Schließlich sei es transparent gemacht worden, dass das Video von Amazon stammt, geradezu entgegenkommend war es demnach gemeint:

"Wir heißen Reporter in unseren Gebäuden willkommen, und es ist irreführend, etwas anderes zu behaupten", so die Sprecherin gegenüber dem Guardian. "Diese Art von Video wurde erstellt, um einen Einblick in die Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen zu geben, die wir in unseren Gebäuden eingeführt haben, und war für Reporter gedacht, die aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage waren, einen unserer Standorte selbst zu besichtigen."

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