Verdächtig wenig Corona-Fälle: Tagesschau wartet, wann "Russland von der Realität eingeholt wird"
von Wladislaw Sankin
Ob gewollt oder nicht – zu Zeiten dieser Corona-Pandemie, die viele Länder buchstäblich lahmlegt, entwickelt sich unweigerlich auch ein Wettbewerb, ein Nachdenken über die unterschiedlichen Gesundheitssysteme und das Krisenmanagement verschiedener Staaten und Systeme. Auch nährt der Vergleich, wie unterschiedlich stark betroffen einzelne Staaten sind, einige Spekulationen.
Während in einigen europäischen Regionen das Coronavirus wütet und die Zahl der Todesfälle infolge der Lungenkrankheit COVID-19 nach oben schnellt, rangiert Russland im unteren Bereich der Skala – sowohl, was die Anzahl bestätigter Krankheitsfälle betrifft, als auch hinsichtlich der Todesopfer. Derzeit gibt es erst einen Corona-Toten in Russland (Stand 12:00 Uhr am 24. März - Anm. der Red.).
Angeblich, denn all das macht viele westlichen Beobachter immer misstrauischer. Dahinter wird zunehmend ein listiger Kreml-Plan vermutet – wenn nicht beim Tricksen mit der Zahl der Toten, die womöglich statt als Corona-Tote "nur" als gewöhnliche Pneumonie-Opfer verbucht werden – so etwa glaubt die Zeit – oder zumindest bei der intransparenten Kommunikationsstrategie des Kreml, wie man sie ja seit Sowjet-Zeiten kennt, so meint es CNN zu wissen.
Auch die Tagesschau meldete sich natürlich – nicht mit Fakten, sondern mit einem Kommentar. Eigentlich geht es in dem Artikel "Populisten und die Pandemie: Wenn plötzlich Sündenböcke fehlen" darum, dass die Corona-Krise der AfD wenig nutzt, weshalb ihre Beliebtheitswerte im Moment sinken. Ein Vergleich mit der Flüchtlingskrise wird bemüht – nur gebe es derzeit aber niemanden, den man für die Krise die Schuld zuweisen könne.
"In den sozialen Medien kann die Partei nicht mehr wie gewohnt Themen setzen", schreibt die Tagesschau und berichtet ansonsten von ungeschickten Versuchen einiger AfD-Politiker, Schadenfreude nach der Meldung über die Quarantäne der Bundeskanzlerin zu verbreiten. Aber nicht die Hetze, sondern Sachlichkeit sei gefragt, so meint der Autor.
Russland soll die Krise wieder missbrauchen
Ganz nebenbei wird aber auch Russland thematisiert – wie auch sonst? Zur AfD und zu "Rechtspopulisten" gehört "Russland" einfach dazu. Zunächst seien nun – und zwar von der EU durch das Project "East StratCom Task Force" ganz "amtlich" bestätigt – russische und kreml-freundliche Medien schon wieder dabei zu versuchten, durch ihre Desinformation die aktuelle Krise noch zu verschärfen:
So werden Berichte verbreitet, die das Vertrauen in die nationalen Gesundheitssysteme und Regierungen zerstören sollten.
Na, dann sollte die ARD aber selbst gleichfalls zu den Saboteuren gezählt werden, und zwar in der ersten Reihe, denn ausgerechnet am Vortag durfte dort die Medizinerin Bernadett Erdmann bei Anne Will Folgendes sagen:
Ich befürchte, dass wir in wenigen Wochen vor einem Kollaps stehen, weil wir die Versorgung nicht mehr sicherstellen können.
Erdmann kann die Lage vor Ort sehr genau einschätzen, denn sie leitet die Notaufnahme am Klinikum Wolfsburg. Daher haben ihre Worte einiges Gewicht. Aber das hat sie in einer Talkrunde gesagt. Die anderen Medien könnten – wenn sie denn vorhätten, keine "Panik" zu verbreiten – ihre Worte einfach ignorieren. Doch viele Medien, darunter die Welt und NTV titelten ihre Berichte über die Talkrunde am nächsten Morgen mit den "schockierenden Aussagen" der Ärztin.
Russland und sein "Informations-Bumerang"
Wer also schürt Panik und Vertrauensverlust? Russland, dessen mediale Wirkung auf deutsches Publikum bei deutschen Inlandthemen im Vergleich zu Axel-Springer-Medien oder öffentlich-rechtlichem Rundfunk und Privatsendern doch wohl nahe bei null liegt? Jedenfalls glaubt die ARD, es Russland mit gleicher Münze heimzahlen zu müssen und beginnt vorab gleich mal eine angebliche "Gegenoffensive". Das hört sich dann so an:
Offiziell gibt es in dem riesigen Land erst einige Hundert Corona-Infizierte – doch Fachjournalisten und Analysten meinen, die Zahl sei unrealistisch. Die russische Propaganda, wonach man im Gegensatz zu anderen Staaten alles unter Kontrolle habe – könnte bald von der Realität eingeholt werden, so der Autor und verweist dabei auf einen anderen Artikel des East StratCom TaskForce.
Der bei EUvsDisinfo zitierte Artikel „Der Informations-Bumerang“ gibt im O-Ton die Meinung von sechs russischen Journalisten und Politkommentatoren wieder. Die sind allesamt in kremlkritischen NGOs und Medien beschäftigt, zwei von ihnen melden sich gar allwissend aus dem Ausland. Bis auf die wenig verwunderliche Tatsache, dass ihre Meinung tendenziös einseitig ist, können sie natürlich zum Thema Virologie und Gesundheitswesen in Russland nicht fachlich Fundiertes vermelden, nur Spekulationen wie diese:
Manipulationen mit Statistiken sind unvermeidlich – und sie werden genutzt werden. Höchstwahrscheinlich werden sie bereits eingesetzt.
Eigentlich sind die Bürger in allen von Coronavirus betroffenen Ländern angehalten, sich auf fachlich begründete sowie amtliche Angaben zu verlassen, um eben nicht Opfer von Desinformation oder Panikmache zu werden, auch nicht durch die Tagesschau und die East StratCom Task Force der EU.
Und so hat das wohl wichtigste internationale Organ bei der Corona-Bekämpfung, die Weltgesundheitsorganisation WHO, Russland bereits am 26. Februar für vorzüglichen "aggressiven" Kampf gegen das Coronavirus gelobt. Im gleichen Atemzug nannte der WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus damals bereits Italien, Iran und Spanien Problemfälle. Vor drei Tagen hat die WHO-Vertreterin in Russland Melita Wujnowitsch gegenüber RIA Nowosti gesagt:
Russland unternimmt wesentliche Maßnahmen für Tests und Rückverfolgung der Kontakte (von Infizierten), um sich zu vergewissern, dass alle Fälle erkannt werden und gemäß Notwendigkeit behandelt werden.
Doch was zählt hierzulande schon eine WHO, wenn diese internationale Organisation nicht einmal Raum für ein paar kritische Zeilen über Russland bieten kann? Dann bleibt nur noch das kaum verhohlene Bedürfnis, wieder einmal wenigstens "russische Propaganda" zu enttarnen – zunächst als Vorgeschmack auf für später erhoffte Schadenfreude. Aber liebe Tagesschau, ihr habt doch im gleichen Artikel gesagt, Schadenfreude zu Zeiten der Pandemie sei etwas ganz Verwerfliches.
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