Meinung

Rettete Russland die Berliner Libyen-Konferenz?

Wochenlang sah es um die Berliner Libyen-Konferenz düster aus. Deutschland ist im Land nicht einflussreich genug, um als Ordnungsmacht auftreten zu können. Dass die Konferenz nicht in einem Fiasko endete, ist vor allem der russischen Diplomatie geschuldet. Ein Meinungsbeitrag.
Rettete Russland die Berliner Libyen-Konferenz?Quelle: www.globallookpress.com © Fabian Sommer/dpa

von Dennis Simon

Noch bis vor Kurzem war der Ausgang der Libyen-Konferenz, die gestern endete, ungewiss. Obwohl die Vorbereitungen schon seit September letzten Jahres liefen, führte die chaotische Situation im Land selbst und die beständige Einmischung externer Akteure dazu, dass die Chancen, ein tragfähiges Abkommen erreichen zu können, äußerst gering waren. Der Umstand, dass die Konferenzteilnehmer am Ende dennoch einige Fortschritte erzielen konnten, ist vor allem der konstruktiven russischen Diplomatie zu verdanken.

So betonte der russische Außenminister Sergei Lawrow auch im Anschluss an die Konferenz:

Die Veranstalter der Konferenz haben ihre anfängliche Idee, die Konferenz ohne libysche Vertreter zu berufen, fallen gelassen, weil wir darauf bestanden haben.

Auch enthüllte Lawrow, dass die Idee, die Nachbarstaaten Libyens ebenfalls zur Konferenz einzuladen, auf die diplomatischen Initiativen Russlands zurückgeht. Diese Fakten zeigen: Im Westen ist man zwar gewöhnt, über schwächere Staaten im Stile der Kolonialpolitik imperialistischer Reiche des 19. Jahrhunderts zu entscheiden, ohne sie überhaupt zu ihrem Schicksal zu befragen, aber diese Zeiten nähern sich nun endgültig ihrem Ende zu. Die weitrechenden Veränderungen in der Weltpolitik, die sich unter dem Stichwort "Multipolarisierung" zusammenfassen lassen, haben zu solch einem relativen Machtverlust der westlichen Staaten geführt (insbesondere, wenn europäische Staaten nicht mit Unterstützung der USA agieren), dass sie alleine ihren Willen nicht mehr diktieren können. Bereits im Vorfeld der Konferenz war auffällig, dass deutsche Außenpolitiker – bis hin zu solchen Figuren wie Wolfgang Ischinger – plötzlich die russische Diplomatie im Nahen Osten würdigten. Das ist als Eingeständnis des eigenen (relativen) Bedeutungsverlusts zu werten.

Für Verfechter des Völkerrechts und der vorteilhaften Kooperation zwischen Staaten ist dies ein erfreulicher Umstand, da er bedeutet, dass die westlichen Staaten, wenn sie Lösungen für Konflikte anstreben wollen, nunmehr auf die Unterstützung von nichtwestlichen Staaten wie vor allem Russland und China angewiesen sind, die auf eine rigorose Einhaltung der UN-Charta und deren Prinzipien bestehen und die die Interessen der Entwicklungsstaaten umfassend berücksichtigen.

Dass Russlands Diplomatie auch positiv auf Staaten wirken kann, die bisher eher negativ zu regionalen Konflikten beigetragen haben, zeigt die türkische Beteiligung am Friedensprozess in Libyen. So lobte der russische Präsident Wladimir Putin seinen türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdoğan im Anschluss an die Konferenz mit folgenden Worten:

Meiner Ansicht nach haben wir mit Ihnen zusammen einen sehr guten Schritt während eines Treffens in Istanbul getan, indem wir die libyschen Parteien zu einem Waffenstillstand aufforderten, (...) und obwohl noch einige Zwischenfälle stattfinden, haben beide Parteien unseren Ruf befolgt. Größere militärische Aktionen sind eingestellt worden. 

Anschließend bemerkte der russische Staatschef, dass die Türkei und Russland zu einer Reihe von Fragen der internationalen Politik zusammenarbeiten würden, vor allem im regionalen Bereich:

Ich meine Syrien. Ich meine alles im Zusammenhang mit dem iranischen Nuklearprogramm. Ich meine natürlich die Lösung des Libyen-Konflikts.

Der Dialog verlaufe nicht immer einfach, aber man habe gelernt, wie man zu einer Übereinkunft finden und beidseitig akzeptable Kompromisse ausloten kann. Das sei ein "gutes Beispiel für konstruktive Kooperation zwischen Nachbarn".

Yang Jiechi, der Sondergesandte des chinesischen Präsidenten Xi Jinping, der auch an der Berliner Konferenz teilnahm, äußerte sich derweil zum Verhältnis zwischen China und Deutschland:

Angesichts einer komplexen und sich verändernden globalen Situation sollten China und Deutschland als zwei wichtige Staaten der Welt sich gegenseitig respektieren, ihre Kooperation ausbauen, gemeinsam Multilateralismus praktizieren, gemeinsam globale Herausforderungen angehen und beständig eine gesunde und stetige Entwicklung der bilateralen Beziehungen fördern", zitiert ihn die chinesische Agentur Xinhua.

Auch hier sollte man die Betonung auf den Multilateralismus und den gegenseitigen Respekt beachten. Zwar äußert sich der hochrangige chinesische Vertreter – wie es für Pekings Außenpolitiker üblich ist – sehr diplomatisch und höflich, aber das sollte nicht davor täuschen, dass hier auch implizit eine Absage an westliche Kanonenbootpolitik, an überhebliche, unilaterale Diktate enthalten ist. 

Yang betonte zudem, dass China hinsichtlich der Libyen-Frage immer eine objektive und gerechte Haltung einnimmt, die Zwecke und Prinzipien der UN-Charta einhält, immer Libyens Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität respektiert und eine politische Lösung der Libyen-Frage unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen befürwortet. China sei bereit, weiterhin positiv zur Wiederherstellung des Friedens und der Stabilität beizutragen.

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