Imperialismus weichgespült – Sprache und Strategien im Aufrüstungsmatriarchat

"Verlässlichkeit", "Solidarität", "Selbstvertrauen" – AKKs Grundsatzrede an der Münchner Bundeswehrhochschule demonstrierte: Harmloser könnten Aufrüstung und Kriegsvorbereitung nun wirklich nicht präsentiert werden. Und wirkungsvoller auch nicht!
Imperialismus weichgespült – Sprache und Strategien im AufrüstungsmatriarchatQuelle: Reuters

von Leo Ensel

Man täusche sich nicht: Auch wenn gerade mal wieder auf Wunsch der Verteidigungsministerin im Sinne der "Sichtbarkeit der Bundeswehr" öffentliche Gelöbnisse in zahlreichen deutschen Städten und vor dem Reichstagsgebäude stattfanden – Pickelhaube, schnarrender Befehlston, Preußens Gloria und Tschingderassabumm sind out! Spätestens seit sowohl der höchste EU-Posten als auch Kanzleramt und Verteidigungsministerium von Frauen erobert sind, alle drei obendrein darin einig, dem wiedervereinigten Deutschland die ihm angeblich zustehende Geltung weltweit wieder zu verschaffen, leben wir im Aufrüstungsmatriarchat. 

Und dort gelten andere Sitten und Gebräuche: Der postmoderne Militarismus kommt smart und – wirft man einen Blick auf die neue Verteidigungsministerin aus dem größten Saarland der Welt – scheinbar unbedarft daher! 

"Verlässlichkeit", "Solidarität", "Selbstvertrauen" – Die betörend-schöne Sprache der Kampfeinsätze 

Das gilt nicht zuletzt für die Sprache – und dafür hat Annegret Kramp-Karrenbauer jüngst ein beredtes Beispiel geliefert. In ihrer von den Leitmedien nahezu einhellig akklamierten Grundsatzrede an der Münchner Universität der Bundeswehr vom 7. November wimmelt es nur so von blumigen Worten. Frei nach dem berühmten Satz von Bertolt Brecht: „Die schlimmen Zeiten sind meist Zeiten, wo viel von großen und hohen Dingen die Rede ist.“ 

AKK bemühte nicht nur die oft zitierte "gewachsene internationale Verantwortung", sie ging ein paar, wie der Mainstream ihr attestierte, "mutige" Schritte weiter. Deutschland solle, um "glaubwürdig" zu bleiben, "die Kultur der Zurückhaltung" hinter sich lassen und stattdessen "selbst die Initiative ergreifen, Vorschläge machen, Ideen entwickeln, Optionen vorstellen". Schließlich könne "ein Land unserer Größe und unserer wirtschaftlichen und technologischen Kraft, ein Land unserer geostrategischen Lage und mit unseren globalen Interessen, nicht einfach nur am Rande stehen und zuschauen." Kurz: Deutschland solle "die Kraft und das Selbstvertrauen schöpfen, die Rolle der Gestaltungsmacht" anzunehmen. 

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Was wiederum bedeute, und hier wurde die Verteidigungsministerin allmählich konkreter, "dass Deutschland zu allen Fragen, die seine strategischen Interessen betreffen, eine Haltung entwickeln muss. Denn natürlich hat Deutschland wie jeder Staat der Welt eigene strategische Interessen. Zum Beispiel als global vernetzte Handelsnation im Herzen Europas, die von internationaler Verlässlichkeit lebt." Und als führende Macht in der internationalen Containerschifffahrt "auf freie und friedliche Seewege angewiesen" ist. 

Und dann ließ Kramp-Karrenbauer die Katze endlich aus dem Sack:

Dazu gehört letztendlich auch die Bereitschaft, gemeinsam mit unseren Verbündeten und Partnern das Spektrum militärischer Mittel wenn nötig auszuschöpfen." Denn: "Unsere Partner im Indo-Pazifischen Raum – allen voran Australien, Japan und Südkorea, aber auch Indien – fühlen sich von Chinas Machtanspruch zunehmend bedrängt. Sie wünschen sich ein klares Zeichen der Solidarität. Für geltendes internationales Recht, für unversehrtes Territorium, für freie Schifffahrt. Es ist an der Zeit, dass Deutschland auch ein solches Zeichen setzt, indem wir mit unseren Verbündeten Präsenz in der Region zeigen. 

Und dies alles hat natürlich seinen Preis ...

Zur Erinnerung: Noch vor wenigen Jahren wurde Bundespräsident Köhler wegen ganz ähnlicher Sätze prompt gezwungen, seinen Hut zu nehmen! Dass dies mittlerweile von der gesamten Öffentlichkeit nahezu widerstandslos geschluckt wird, dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass sie nun weichgespült und in Watte gepackt daherkommen. Und dafür ist offenbar niemand besser geeignet als – AKK! 

AKKs giftige Morgengabe zum Mauerfalljubiläum 

Dass Annegret Kramp-Karrenbauer ihre Grundsatzrede der Öffentlichkeit ausgerechnet am 7. November und damit zwei Tage vor dem 30. Jahrestag des Mauerfalles präsentierte, das ist – man darf sich das aussuchen – entweder der Dummheit, Gedankenlosigkeit oder dem Zynismus geschuldet. In jedem Falle war es AKKs vergiftete Morgengabe zum großen Jubiläum eines Tages, der, wie wir heute wissen, der Ausgangspunkt zur Wiedervereinigung wurde. 

Es sei daher an dieser Stelle ins Gedächtnis gerufen, dass das wiedervereinigte Deutschland sich im Rahmen des Zwei-plus-Vier-Vertrages verpflichtet hat, seine Armee und seine Waffen ausschließlich zur Selbstverteidigung einzusetzen. Was natürlich nur funktioniert, wenn man den Begriff "Verteidigung" bis zur Unkenntlichkeit aufbläht: Wurde die Sicherheit Deutschlands in den Nullerjahren am Hindukusch verteidigt, so ist es heute Mali und morgen wird es, laut Verteidigungsministerin, der indopazifische Raum sein. Mit einem Wort: Deutschlands Sicherheit wird demnächst global verteidigt! 

Es kommt also eine Menge Arbeit auf die Truppe zu, weshalb die Bundeswehr nun auch so immens aufgerüstet werden muss, dass nach Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels – von gegenwärtig 43 auf circa 80 Milliarden Euro im Jahre 2031 – allein der deutsche Rüstungshaushalt den gegenwärtigen der Russischen Föderation getoppt haben wird! 

Die Kontrastfolie: Gorbatschows politische Ethik der globalisierten Welt 

Es entbehrt nicht bitterer Ironie, dass vor kurzem kein Geringerer als Michail Gorbatschow, dem die deutschen Leitmedien anlässlich des Mauerfalljubiläums ein kurzes, zeitlich limitiertes Comeback gewährten, in seinem vom Mainstream immer noch weitgehend ignorierten Buch "Was jetzt auf dem Spiel steht – Mein Aufruf für Frieden und Freiheit" eine politische Ethik der globalisierten Welt skizziert hat, die sich hervorragend als Kontrastfolie zum weichgespülten Imperialismus im deutschen Aufrüstungsmatriarchat eignet. 

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Differenzen zwischen Staaten dürfen, seinem Credo gemäß, einzig und allein mit friedlichen Mitteln beigelegt werden, mit Hilfe von Dialog und Verhandlungen.

Der einzige Schiedsrichter, der das Recht hat, die Anwendung von Gewalt in Ausnahmefällen zu erlauben, um Aggressionen abzuwehren, sind die Vereinten Nationen. Militäraktionen von Staaten, die sich selbst in der Rolle des Weltpolizisten sehen, sind inakzeptabel. Die Rüstungspolitik muss sich daran orientieren, was unter vernünftigen Bedingungen notwendig ist zur eigenen Verteidigung. 

Die Beziehungen zwischen den Staaten – alten wie neuen, großen wie kleinen – müssen, laut Gorbatschow, auf Interessenausgleich basieren. Es sollten daher, ein kleiner Seitenhieb auf NATO-Osterweiterung und Ukraine-Krieg, nicht nur die jeweils eigenen Interessen berücksichtigt werden, sondern auch die Interessen anderer Länder. "Und das nicht nur auf bilateraler Ebene." Jedes Land müsse selbst entscheiden dürfen, welchen Weg es gehen wolle. Kein Land dürfe einem anderen sein eigenes Verständnis von Demokratie aufzwingen – schon gar nicht mit Waffengewalt! Kurz:

Moral, universelle Werte, Achtung vor dem Individuum, vor der Würde des Menschen – all das muss zu einem integralen Bestandteil der Weltpolitik werden.

Was der Vater der Wiedervereinigung, Michail Gorbatschow, zur aktuellen Militärpolitik des wiedervereinten Deutschland sagen würde, kann sich nun jeder an fünf Fingern abzählen!

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