Meinung

Debatte um Rauswurf der US-Kriegsmaschinerie aus Deutschland erreicht den Bundestag

Es gibt erste Reaktionen auf den Appell der Kampagne "NATO raus – raus aus der NATO" mit der entsprechenden Forderungen an die Bundesregierung und die Mitglieder des Deutschen Bundestages. Die Antworten der Abgeordneten und Parteien sind recht aufschlussreich.
Debatte um Rauswurf der US-Kriegsmaschinerie aus Deutschland erreicht den BundestagQuelle: Reuters

von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Erstmals wird im Deutschen Bundestag über den "Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik" (Truppenstationierungsvertrag) und dessen Kündigungsmöglichkeit debattiert. Das ist als beachtlicher Erfolg zu werten, auch weil dies aufgrund eines Antrages der Bundestagsfraktion DIE LINKE mit Datum vom 17. Oktober 2019 zum "Abzug der US-Soldaten aus Deutschland" geschieht. In diesem Antrag wird vorgeschlagen: "Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, den Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik nach Punkt 3 der Vereinbarung der Vertragsparteien vom 25.9.1990 sowie das NATO-Truppenstatut nach Artikel XIX zu kündigen und zu erwirken, dass alle ausländischen Truppen innerhalb der Kündigungsfrist die Bundesrepublik verlassen."

Am 21.10.2019 meldet der Pressedienst des Deutschen Bundestags unter der Überschrift "Linke fordert US-Truppenabzug": "Die Fraktion Die Linke macht sich für einen Abzug der US-Armee aus Deutschland stark..."
Mit Datum vom 26. September 2019 hatte die Kampagne "NATO raus – raus aus der NATO" an die Bundesregierung und alle Bundestagsabgeordneten per Briefpost einen Appell gerichtet, den Truppenstationierungsvertrag und die Mitgliedschaft in der NATO zu kündigen. Dies ist offensichtlich nicht ohne Wirkung geblieben.

Bis zum 23.10.2019 sind als Reaktion darauf sage und schreibe bereits 25 Briefe eingegangen, darunter vom Bundesverteidigungsministerium, vom Bundeswirtschaftsministerium, zwei aus den Reihen der FDP, drei von der SPD, vier von CDU/CSU, fünf von der LINKEN und sogar neun Schreiben von der AfD. Bemerkenswert, dass es keinerlei Reaktion von Den Grünen gibt! Die Antworten reichen von absoluter Ablehnung bis zu ermutigender Zustimmung. Die CSU redet Klartext: "Diese Forderungen sind völlig naiv und realitätsfremd angesichts der weltpolitischen Lage und der daraus resultierenden sicherheitspolitischen Realität. Daher ist der Appell, dass die in Deutschland stationierten Streitkräfte abziehen sollen, genauso absurd wie die Forderung, aus der NATO auszutreten."

DIE LINKE verteidigt natürlich noch einmal den Antrag aus den eigenen Reihen: "Das Anliegen der Kampagne 'NATO raus - raus aus der NATO' nach dem Austritt aus der NATO und der Kündigung des Aufenthaltsvertrags wird von meiner Fraktion und mir vollumfänglich unterstützt... Wir werden nicht aufhören, uns in diesem Sinne einzusetzen und können auch Sie nur ermutigen, weiter Druck auszuüben." Und dabei kann DIE LINKE womöglich durchaus mit breiterer Unterstützung rechnen. Selbst aus den Reihen der AfD wird die Forderung nach Kündigung des Truppenstationierungsvertrags erhoben. "Die AfD setzt sich für den Abzug aller auf deutschem Boden stationierten alliierten Truppen und insbesondere ihrer Atomwaffen ein", heißt es zum Beispiel in einem  Schreiben aus dieser Fraktion.

Auszüge aus Antworten – lesenswert auch zur politischen Einordnung der Autoren

Bundesministerium der Verteidigung:

Unsere Sicherheit beruht auf einer starken und entschlossenen Nordatlantischen Allianz sowie einer geeinten und belastbaren Europäischen Union. Nur wenn wir diese beiden Grundpfeiler unserer Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik stärken und fortentwickeln, werden wir den Herausforderungen unserer Zeit begegnen können. Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik ist auch immer Friedenspolitik und dient den Völkern. Diese Grundlinien implizieren, dass wir die Stationierung befreundeter Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin aufrechterhalten und an der Mitgliedschaft in der NATO vor dem Hintergrund der dargelegten Argumentation vorbehaltlos festhalten.

Christoph Meyer (MdB, FDP):

Anfang April 2019 hatte die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag einen Antrag in den Bundestag eingebracht mit dem Titel "Ein klares Bekenntnis zur NATO – Das transatlantische Sicherheitsbündnis für die Zukunft stärken und weiterentwickeln" (Bundestagdrucksache 19/8954). Darin bekennen wir uns zu den Zielen des Bündnisses aus dessen Präambel, Frieden und Sicherheit zu erhalten. Es ist meine Überzeugung, dass der Nordatlantikpakt auch für die Zukunft der Garant für unsere Sicherheit und Freiheit in Europa ist. Ein Rückzug Deutschlands aus dem Bündnis, wie er im von Ihnen übersandten Appell gefordert wird, kommt daher für mich nicht in Betracht.

Reinhard Houben (MdB, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion):

Auch wenn ich Ihr großes persönliches Engagement sehr schätze, wird es Sie nicht überraschen, dass meine Fraktionskollegen und ich eine andere Position vertreten, ich habe Ihnen daher einen Antrag der FDP-Bundestagsfraktion zur Zukunft der NATO beigefügt. Für uns ist die NATO ein elementarer Bestandteil zur Bewältigung der bestehenden sicherheitspolitischen Herausforderungen.

AG Außenpolitik der SPD:

Der Nordatlantikpakt war in den letzten 70 Jahren einer der Garanten für den Frieden in Europa und ist der Grundpfeiler unserer Sicherheit- und Stabilitätsarchitektur. Wir halten daher an der Transatlantischen Partnerschaft fest... Sozialdemokratische Außenpolitik ist nachhaltige und vorausschauende Friedens-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik – orientiert an einem klaren Wertekompass und basierend auf Interessensausgleich mit unseren Partnern. Der von Ihnen vorgeschlagene Weg eines NATO-Austritts oder eine Kündigung der Truppenstationierungsverträge wäre jedoch ein nationaler Alleingang, den wir schon aus den bereits dargelegten grundsätzlichen Gründen ablehnen.

Alexander Hoffmann (MdB, CSU, Vorsitzender des Unterausschusses Bürgerschaftliches Engagement):

Ich komme zurück auf Ihr Schreiben und Ihren Appell 'NATO raus / raus aus der NATO'. Diese Forderungen sind völlig naiv und realitätsfremd angesichts der weltpolitischen Lage und der daraus resultierenden sicherheitspolitischen Realität. Daher ist der Appell, dass die in Deutschland stationierten Streitkräfte abziehen sollen, genauso absurd wie die Forderung, aus der NATO auszutreten.

Gisela Manderla (MdB, CDU):

Die CDU/CSU-Fraktion setzt sich für den Abschluss neuer Abrüstungs- und Rüstungskontrollabkommen, die Reduktion der weltweiten Waffenarsenale und eine Welt ohne Atomwaffen ein... Jedoch hat sich die sicherheitspolitische Lage in der Welt in den vergangenen Jahren wesentlich verschärft. Zu nennen sind hier die Bedrohung durch das nordkoreanische Nuklear- und Raketenprogramm, der einseitige Bruch des INF-Vertrags durch Russland und nicht zuletzt die völkerrechtswidrige Annexion der Krim. Die Bereitschaft und Fähigkeit, gemeinsam militärisch zu handeln, bilden den Markenkern der NATO... Eine einseitige Abrüstung verbietet sich jedoch, da etwa das Verhalten Russlands in der Ukraine deutlich macht, wie das Land mit Nicht-Atommächten bzw. Nicht-NATO-Mitgliedern verfährt. Hier gilt die Logik der Abschreckung leider immer noch, die ja gerade weitere Eskalationen in Europa vermeiden soll. Ein Austritt Deutschlands aus dem transatlantischen Verteidigungsbündnis wäre vor diesem Hintergrund daher der falsche Weg.

Jürgen Hardt (MdB, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion):

Ich muss Ihnen mitteilen, dass wir Ihre Ansichten über die NATO und die Präsenz ausländischer, befreundeter Streitkräfte in Deutschland in keinster Weise teilen. Vielmehr ist und bleibt die NATO nicht nur das wichtigste und erfolgreichste Verteidigungsbündnis der Welt, sondern sie bildet das Rückgrat der euroatlantischen Sicherheit. Gerade in Zeiten, in denen wir große Umbrüche und Instabilitäten in der unmittelbaren Nachbarschaft der NATO beobachten, in denen aber auch Russland täglich Völkerrecht bricht, indem es Teile der Ukraine völkerrechtswidrig besetzt, kommt der NATO eine ganz entscheidende Bedeutung zu. Insbesondere Deutschland hat der NATO mehr zu verdanken als andere Nationen. Ohne die transatlantische Sicherheitsgarantie hätte sich Deutschland in der Nachkriegszeit kaum als Demokratie entfalten und festigen können. Auch die friedliche Wiedervereinigung wäre kaum möglich gewesen... Wir werden an der NATO auch weiterhin festhalten und streben auch an, unsere Verteidigungsausgaben entsprechend unserer Wirtschaftsleistung und Zusagen im Bündnis weiter zu erhöhen.

Petra Sitte (MdB, stellvertretende Fraktionsvorsitzende von DIE LINKE.):

Das Anliegen der Kampagne 'NATO raus - raus aus der NATO' nach dem Austritt aus der NATO und der Kündigung des Aufenthaltsvertrags wird von meiner Fraktion und mir vollumfänglich unterstützt. Leider stehen wir mit dieser Position im Bundestag ziemlich allein. Wir werden nicht aufhören, uns in diesem Sinne einzusetzen und können auch Sie nur ermutigen, weiter Druck auszuüben.

Sabine Zimmermann (MdB, DIE LINKE.):

DIE LINKE. will die NATO auflösen und durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Einbeziehung von Russland ersetzen, das auf Abrüstung zielt. Solange das nicht geschieht, fordern wir, dass die Bundeswehr dem Oberkommando der NATO entzogen wird und die Bundesrepublik aus den militärischen Strukturen des Bündnisses austritt. Wir fordern den Abzug aller in Deutschland stationierten Atomwaffen und eine Beendigung der so genannten Nuklearen Teilhabe. Damit Drohneneinsätze von deutschem Boden aus nicht mehr möglich sind, sollen die entsprechenden US-amerikanischen Militärstandorte geschlossen werden. Auch darüber hinaus müssen alle ausländischen Militärbasen in Deutschland geschlossen werden. Die entsprechenden Verträge, auch mit den USA im Rahmen von Aufenthaltsvertrag und dem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut, sollen gekündigt werden.

Bernd Riexinger (MdB, Parteivorsitzender DIE LINKE.):

Ihre wichtige Initiative für den Frieden begrüße ich sehr und darf Ihnen versichern, dass Sie in der Partei DIE LINKE eine zuverlässige Bündnispartnerin finden. Im Grundsatzprogramm unserer Partei heißt es unter der Überschrift 'Frieden in Solidarität statt Kriege': 'Für DIE LINKE ist Krieg kein Mittel der Politik. Wir fordern die Auflösung der NATO und ihre Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands, das Abrüstung als ein zentrales Ziel hat. Unabhängig von einer Entscheidung über den Verbleib Deutschlands in der NATO wird DIE LINKE in jeder politischen Konstellation dafür eintreten, dass Deutschland aus den militärischen Strukturen des Militärbündnisses austritt und die Bundeswehr dem Oberkommando der NATO entzogen wird.' Diesem Grundsatz ist DIE LINKE verpflichtet. Ihre Initiative begreife ich als Bekräftigung dieser Position und als Ansporn, dass wir gemeinsam die Anstrengungen intensivieren, um diese so wichtigen friedenspolitischen Forderungen durchzusetzen, ist mein Wunsch.

Dietmar Bartsch (MdB, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE.):

DIE LINKE teilt Ihre Sorge um den Frieden. Wir sind mit Ihnen einer Meinung, dass die deutsche Vergangenheit der Bundesrepublik eine besondere Verantwortung für die Erhaltung von Frieden, guter Nachbarschaft und friedlicher Koexistenz in Europa überträgt. Die weitestmögliche Entmilitarisierung der europäischen Sicherheitsarchitektur muss unser Ziel sein. Wir setzen uns im Bundestag daher dafür ein, dass Deutschland den Truppenstationierungsvertrag kündigt und alle ausländischen Truppen unser Land verlassen. Wir fordern außerdem den sofortigen Austritt aus der nuklearen Teilhabe, den Beitritt der Bundesrepublik zum Atomwaffenverbotsvertrag und als Konsequenz daraus den Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland. Den 2+4-Vertrag wollen wir auf dem gesamten Gebiet der Bundesrepublik anwenden und so sicherstellen, dass keine ausländischen Truppen neu auf deutschem Boden stationiert werden... Eine Rolle der Bundesrepublik als Logistikdrehscheibe für den weiteren Aufmarsch von NATO-Truppen in Osteuropa lehnen wir ab. Dass erstmals seit 1945 in großem Stil Militärgerät von Deutschland aus Richtung Russland geschickt wird und dass die Bundesregierung dem inzwischen routinemäßig zustimmt, halten wir für verheerend für die Sicherheit in Europa.

Andreas Wagner (MdB, DIE LINKE.):

DIE LINKE. fordert seit langem, den Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik und das NATO-Truppenstatut zu kündigen und zu erwirken, dass alle ausländischen Truppen innerhalb der Kündigungsfrist die Bundesrepublik verlassen.

Jörg Schneider (MdB, AfD):

Einen Austritt Deutschlands aus der NATO lehnen wir aktuell aus mehreren Gründen ab. Bezüglich einer Kündigung des Truppenstationierungsvertrags müssten Sie sich an die Bundesregierung wenden.

Stefan Keuter (MdB, AfD):

Wir setzen uns dafür ein, den europäischen Teil der atlantischen Allianz deutlich zu stärken. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es unabdingbar, die militärischen Fähigkeiten der deutschen Streitkräfte wiederherzustellen, um Anschluss an die strategischen und operativen Erfordernisse zu finden. Diese von der AfD geforderte Wiederherstellung soll nicht nur die Landesverteidigung als zentrale Aufgabe der Bundeswehr sicherstellen, sondern die deutschen Streitkräfte auch in erforderlichem Maß zur Bündnisverteidigung und Krisenvorsorge befähigen... NATO-Einsätze außerhalb des Bündnisbereichs, an der sich deutsche Streitkräfte beteiligen, sollten grundsätzlich unter einem UN-Mandat stattfinden und nur, wenn deutsche Sicherheitsinteressen berücksichtigt werden... Vor diesem Hintergrund steht 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und 25 Jahre nach der Beendigung der Teilung Europas die Neuverhandlung des Status alliierter Truppen in Deutschland auf der Tagesordnung. Dieser muss an die wiedergewonnene deutsche Souveränität angepasst werden. Die AfD setzt sich für den Abzug aller auf deutschem Boden stationierten alliierten Truppen und insbesondere ihrer Atomwaffen ein.

Tino Chrupalla (MdB, AfD):

Selbstverständlich sollte von Deutschem Boden kein Krieg mehr ausgehen. Auch den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der BRD sehe ich kritisch. Wesentlich kritischer als das NATO-Bündnis ist nach meiner Auffassung jedoch der Aachener Vertrag zwischen Deutschland und Frankreich, der territorial weiter geht als der NATO-Vertrag und von der AfD als Friedenspartei abgelehnt wird. Wie Sie wissen, ist die AfD jedoch nicht in der Regierung und hat derzeit keine Möglichkeit, entsprechende Verträge zu beenden.

Beatrix von Storch (MdB, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD):

Die AfD übt durchaus Kritik an der NATO und setzt sich dafür ein, die NATO wieder auf ein reines Verteidigungsbündnis zurückzuführen. Denn entgegen mündlicher Zusagen hat sich die NATO bis an die russische Grenze ausgedehnt und ist zunehmend zu einem Instrument amerikanischer Geopolitik geworden. Einen Austritt aus der NATO lehnen wir aber ab.

Hansjörg Müller (MdB, AfD):

Es ist festzuhalten, dass sowohl das Grundgesetz, als auch der 2+4-Vertrag betonen, dass von deutschem Boden niemals mehr Angriffskriege geführt werden dürfen, Herstellung und Besitz von Atomwaffen ist Deutschland vertraglich verboten. Trotzdem sind atomare Sprengköpfe in Deutschland stationiert. Auch die Mitgliedschaft in der NATO, die als reines Verteidigungsbündnis gedacht war, sollte nur Frieden und Schutz für seine Mitglieder bedeuten. Von einem in das NATO-Bündnis eingebetteten Deutschland würde nie mehr Krieg ausgehen, das war die Devise. Davon sind seit Jahrzehnten nur noch leere Worthülsen übriggeblieben. Der Kosovo-Krieg im Jahre 1999 im Rahmen der NATO erfolgte ohne UN-Mandat, der damalige Außenminister Joschka Fischer hatte üble Kriegspropaganda gegen Serbien betrieben, obwohl sich viele besonnene Politiker aller Parteien gegen diesen Angriffskrieg ausgesprochen hatten (z.B. Gregor Gysi-PDS, Helmut Schmidt-SPD, Willy Wimmer-CDU). Nichts anderes war die NATO-Intervention in Syrien, die ohne UN-Mandat erfolgte und deren Ziele sowie Mittel höchst umstritten sind, zumal der IS zuvor aus NATO-Waffen- und Munitionsarsenalen gespeist wurde. Und was aktuelle Bundeswehreinsätze, sei es in Afghanistan, in Mali, Irak oder sonstwo auf der Welt anbelangt, es handelt sich in keinem dieser Fälle um einen Verteidigungseinsatz im originären NATO-Bündnis. Ich persönlich plädiere ganz klar für einen NATO-Austritt, ebenso wie für eine Kündigung des Truppenstationierungsvertrages. Ich hoffe wie Sie, dass die irren Kriegstreiber in diesem Bundestag von lila über grün, rot und schwarz endlich vom Bürger abgestraft und abgewählt werden, sonst haben die Vernünftigen keine Chance.

Dr. Anton Friesen (MdB, AfD, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, Mitglied des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe):

Ich befürworte den Abzug sämtlicher US-Nuklearwaffen aus Deutschland. Zudem teile ich Ihre Forderung, den Konfrontationskurs mit Russland zu beenden. Um dies zu erreichen, haben ich und die AfD-Bundestagsfraktion einen Antrag mit dem Titel 'Für eine neue Russlandpolitik - Kooperation statt Konfrontation' in den Bundestag eingebracht... Leider wurde der Antrag von den anderen Fraktionen abgelehnt. Die Forderung, dass Deutschland aus der NATO austreten soll, halte ich allerdings für falsch. Wir sind auf unsere NATO-Partner angewiesen, wenn es um die äußere Sicherheit unseres Landes geht. Das liegt unter anderem am katastrophalen Zustand unserer eigenen Streitkräfte. Aus diesen beiden Gründen setze ich mich auch konsequent für die Einhaltung des Zwei-Prozent-Zieles der NATO ein.

Resümee
Bezüglich CDU/CSU, SPD und FDP sind die Positionen klar. In ihnen sind keine Stimmen erkennbar, die den Ausstieg aus der imperialen Kriegsmaschinerie befürworten würden. Die von ihnen zu verantwortenden Kriegsverbrechen wollen sie nicht sehen.

Sowohl ein Austritt aus der NATO als auch eine Kündigung des Truppenstationierungsvertrags sind aus ihrer Sicht mit den transatlantischen Herrschaftsabsichten unvereinbar. Für Die Grünen dürfte dasselbe gelten, auch wenn von ihnen bislang keine Stellungnahme eingegangen ist.

DIE LINKE scheint den Forderungen der Kampagne "NATO raus – raus aus der NATO" am nächsten zu stehen. Sie hat nach ihrem eher fragwürdigen Antrag "Die NATO durch ein kollektives System für Frieden und Sicherheit in Europa unter Einschluss Russlands ersetzen" vom 2. Juni 2016, der lediglich die Kündigung des untergeordneten NATO-Truppenstatuts forderte, aktuell mit Datum vom 17. Oktober 2019 den eingangs erwähnten weiter gehenden Antrag "Abzug der US-Soldaten aus Deutschland" in den Bundestag eingebracht. Damit stellt sie sich in vollem Umfang hinter die Forderung nach Kündigung des Truppenstationierungsvertrags. Bezüglich des Austritts aus der NATO ist den verschiedenen Schreiben Widersprüchliches zu entnehmen. Die Behauptung der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Petra Sitte, die Partei fordere den Austritt, stehen Äußerungen gegenüber, sich auf einen Ausstieg aus den militärischen Strukturen der NATO zu beschränken – was immer das genau heißen mag.

In der AfD ist die Spannbreite der dargestellten Positionen geradezu erstaunlich. Während ein Bundestagsabgeordneter persönlich den Austritt aus der NATO voll und ganz begrüßt, überwiegen ansonsten Positionen, dass Deutschland Mitglied der NATO bleiben müsse. Sogar die Einhaltung des Zwei-Prozent-Zieles der NATO wird mit der Begründung angeblich mangelnder Einsatzbereitschaft der Bundeswehr gefordert, andererseits allerdings auch eine Beschränkung auf reine Verteidigungsfunktion und die Unterordnung allein unter UN-Mandate.

Hinsichtlich der Forderung nach einer Kündigung des Truppenstationierungsvertrags könnte die LINKE jedoch in der AfD Bündnispartner finden. Insbesondere die Ausführungen des AfD-Abgeordneten Hansjörg Müller könnten deutlicher auch kaum von jemandem aus den Reihen DER LINKEN oder der Friedensbewegung formuliert werden.

Wie ernst einzelne Bekundungen aus der AfD zu nehmen sind, muss sich in Zukunft erst erweisen. Aber immerhin hat die AfD im laufenden Jahr 2019 bereits selbst zwei Anträge eingebracht, die Forderungen der Kampagne "NATO raus – raus aus der NATO" und anderer Teile der Friedensbewegung nahe stehen, so zum Beispiel: "Das deutsche Engagement in Afghanistan beenden" vom 20. Februar 2019 und "Für eine neue Russlandpolitik – Kooperation statt Konfrontation" vom 30. Januar 2019.

In jedem Fall ist festzustellen: Der von der Kampagne "NATO raus – raus aus der NATO" an Bundesregierung und Bundestag gerichtete Appell und die dem vorausgegangene jahrelange Vorarbeit sind nicht ohne Wirkung geblieben. Das geht einher mit sichtbaren Tendenzen, dass auch in anderen Staaten – insbesondere in denen, die Mitglied der NATO sind – von den Bevölkerungen vergleichbare Initiativen ergriffen oder noch intensiviert werden.

RT Deutsch bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln. 

Anhang:

Appell der Kampagne "NATO raus – raus aus der NATO" an Bundesregierung und Bundestag vom 26.09.2019


Sehr geehrte Mitglieder des Deutschen Bundestages,
sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung,

80 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wenden wir uns an Sie mit einem dringenden Appell, der die Hauptforderungen der internationalen Konferenz "Nein zu Militärstützpunkten & Kriegen" enthält, die am 28. Juni 2019 auf Initiative der Kampagne "Stopp Air Base Ramstein" und weiterer Organisationen in Steinwenden nahe der US Air Base Ramstein stattgefunden hat. In der einvernehmlich verabschiedeten Abschlusserklärung der Konferenz heißt es:

Wir fordern die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag auf, den 'Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland' – den Truppenstationierungsvertrag – zu kündigen, um damit alle US/NATO-Militärbasen und Nuklear-Waffen von deutschem Territorium zu entfernen.

Wir... fordern die Regierungen der NATO-Mitgliedsstaaten auf, aus der NATO auszutreten.

Wir verweisen auch auf den Beschluss der Mitgliederversammlung der ärztlichen Friedensorganisation IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung) am 3.-5. Mai 2019 in Stuttgart:

Die IPPNW fordert von der Bundesregierung, den Truppenstationierungsvertrag von Seiten Deutschlands zu kündigen.

Wir erwarten, dass Sie im Sinne dieser Forderungen aktiv werden.

Sie wissen, der Truppenstationierungsvertrag ist gemäß Notenwechsel vom 25.9.1990 mit Zwei-Jahres-Frist kündbar, und der NATO-Austritt kann gemäß NATO-Vertrag mit Ein-Jahres-Frist vollzogen werden.

Sie wissen, dass sich Deutschland mit dem "Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland", dem so genannten 2+4-Vertrag, verpflichtet hat, "daß von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird", und sich völkerrechtlich wie folgt gebunden hat:

Nach der Verfassung des vereinten Deutschland sind Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, verfassungswidrig und strafbar. Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik erklären, daß das vereinte Deutschland keine seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen.

Sie wissen, dass sich Deutschland gemäß 2+4-Vertrag verpflichtet hat, "auf Herstellung und Besitz von und auf Verfügungsgewalt über atomare, biologische und chemische Waffen" zu verzichten. Sie wissen, dass der Einsatz von atomaren Waffen ein Menschheitsverbrechen ist, das das Leben auf unserer Erde auszulöschen droht.

Sie wissen, dass die militärischen Einrichtungen der ausländischen Streitkräfte auf deutschem Boden, insbesondere die der NATO und der USA (darunter die US-Airbase Ramstein, EUCOM und AFRICOM), zur Führung völkerrechtswidriger Angriffskriege genutzt werden, und auf diese Weise der 2+4-Vertrag verletzt wird. Sie wissen, dass sich nach Völkerstrafgesetzbuch (VStGB § 13 Verbrechen der Aggression) strafbar macht, wer dies zulässt oder gar befördert.

Sorgen Sie mit Kündigung des Truppenstationierungsvertrags und mit Austritt aus der NATO dafür, dass Deutschland seinen Beitrag zur Entmilitarisierung leistet, die militärischen Einrichtungen, insbesondere die von USA und NATO, zusammen mit den Atomwaffen aus Deutschland verbannt werden, das unverantwortbare so genannte Zwei-Prozent-Aufrüstungsziel der NATO zugunsten von zivilen Aufgaben aufgegeben wird und so künftig "von deutschem Boden nur Frieden" ausgeht. Beenden Sie den Konfrontationskurs gegenüber Russland. Der 2+4-Vertrag gibt Ihnen dazu den Auftrag und die Befugnis, denn es heißt darin: "Das vereinte Deutschland hat... volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten." Und, um es noch einmal zu wiederholen: "von deutschem Boden" darf "nur Frieden ausgehen".

Bitte informieren Sie uns umgehend, was Sie zu unternehmen gedenken, um die beschriebenen Schritte Realität werden zu lassen.

Mit vorzüglicher Hochachtung
für die Kampagne "NATO raus - raus aus der NATO":
Sebastian Bahlo (stellv. Bundesvorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbands),
Tanja Banavas (Deutscher Freidenker-Verband),
Anita Beyer (Deutscher Freidenker-Verband),
Peter Betscher (Bundesverband Arbeiterfotografie, Vorstand),
Toni Brinkmann (Juristin, Mitarbeit im Bremer Friedensforum),
Anneliese Fikentscher (Vorsitzende des Bundesverbands Arbeiterfotografie),
Annette van Gessel (Lektorin),
Senne Glanschneider (Bundesverband Arbeiterfotografie, Vorstand),
Klaus Hartmann (Bundesvorsitzender Deutscher Freidenker-Verband),
Samira Jouini (Deutscher Freidenker-Verband, Landesvorstand NRW),
Wolfgang Jung (LUFTPOST – Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/ Ramstein),
Jürgen Kelle, Düsseldorf (Rentner),
Dr. Ansgar Klein (Sprecher der Aachener Aktionsgemeinschaft "Frieden jetzt!"),
Helene Klein (Sprecherin der Würselener Initiative für den Frieden),
Dr. Klaus-Peter Kurch (Blogger, opablog.net),
Ullrich Mies (Publizist/Autor),
Andreas Neumann (Bundesverband Arbeiterfotografie, Vorstand),
Klaus v. Raussendorff (Mitglied im Vorstand des Deutschen Freidenker-Verbands), Wilhelm Schulze-Barantin (Deutscher Freidenker-Verband, Landesvorsitzender Hessen), Ernesto Schwarz (Deutscher Freidenker-Verband),
Fee Strieffler (LUFTPOST – Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein),
Jürgen Suttner (Mitglied im Siegener Friedensbündnis ABFS und im Freidenkerverband), Georg Maria Vormschlag (Bundesverband Arbeiterfotografie, Vorstand),
Elke Zwinge-Makamizile (Gewerkschafterin, Freidenkerin, Friedensaktivistin)

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