Prof. Furedi: Extinction Rebellion ist ein Karneval für Mittelschichtler, die sich gerne verkleiden
von Professor Frank Furedi
Frank Furedi ist Autor und Professor für Soziologie an der University of Kent in Großbritannien. Er forscht zur Soziologie der Angst und dem Umgang mit Risiken und Wissen.
Ich erkenne einen Protest, wenn ich einen sehe. Wenn man heute durch London läuft, ist es offensichtlich, dass die Zehntausende von Erwachsenen, die Kinder spielen, nicht so sehr protestieren, sondern eine Perfomance des Protests zelebrieren.
Im Gegensatz zu normalen Protesten sind die Männer und Frauen, die in diesen Tagen in London oder Berlin Uniformen tragen, nicht als Polizei da, sondern als Helfer und Unterstützer dieser sehr lauten und sehr bunten Performance.
Die Chorsänger apokalyptischer Parolen und die übermütigen Teilnehmer, die erklären, dass sie wissen, was für alle am besten ist, haben ihrerseits ihre Rolle in diesem teuren Straßentheater für die Massen einstudiert. Anzustehen, um verhaftet zu werden, ist Teil dieses Dramas. Es gibt sogar Prominente, die herumlungern, um ein Gefühl für den Moment zu bekommen.
Als ich auf eine Gruppe von Aktivisten mittleren Alters treffe, die sich auf dem Bürgersteig am Ufer sitzend ihr Mittagessen schmecken lässt, erinnert mich das an die Art von Straßenpartys, die während des Thronjubiläums der Queen stattfanden. Im Gespräch mit diesen Burschen und Bürschinnen wird deutlich, dass sie sich nicht nur herrlich amüsieren, sondern auch den Eindruck haben, dass ihr Picknick zur Rettung des Planeten beiträgt. Wenn ich ihnen meine Ansicht vorlege, dass "dies ein selbstgefälliger Karneval der Reaktion ist", streiten sie sich nicht mit mir. Einer von ihnen sagt mir, ich solle zur Hölle gehen. Eine ältere Dame grinst mich höhnisch an und sagt einfach: "Ich werde kein schlechtes Wort gegen diese jungen Leute dulden." Was sie und ihre Gefährten betrifft, so verfügt Extinction Rebellion jetzt über die Art von moralischer Autorität, die zuvor mit der Kirche und den Institutionen des Staates verbunden war.
Die Leichtigkeit, mit der es Extinction Rebellion gelungen ist, die moralische Überlegenheit zu erlangen, hat wenig mit der Qualität ihrer Thesen oder guten Argumenten für ihre Sache zu tun. Die politischen Einrichtungen der westlichen Welt haben praktisch den Versuch aufgegeben, moralische Autorität auszuüben. Die Elite hält die Werte ihrer Vorfahren nicht mehr aufrecht und ist sich ihres Legitimitätsverlustes nur allzu bewusst. Sie glaubt nicht mehr an sich selbst und ist offensichtlich bereit, sich von kritischen Umweltschützern geißeln zu lassen. Im Gegenzug weiß Extinction Rebellion, dass, wenn es seinen reichen Freunden befiehlt zu springen, deren Antwort wahrscheinlich "Wie hoch?" sein wird!
Viele Menschen auf den Straßen Londons und anderswo sind natürlich wirklich verärgert und wütend über die Art und Weise, wie dieser Karneval der Reaktion ihr Leben gestört hat. In privaten Gesprächen murren und schimpfen sie auf "diese Taugenichtse". Aber solange die Darsteller die Unterstützung der Medien, der kulturellen Eliten, eines bedeutenden Teils des politischen Establishments und natürlich der wichtigsten Prominenten genießen, kann deren Stimme von den Demonstranten getrost ignoriert werden.
Bisher war die Teilnahme an einer Extinction-Rebellion-Performance eine risikofreie Aktivität. Im Gegensatz zu echten Protesten, die immer ernste Risiken mit sich bringen, dürfte die Darbietung dieser Woche die Darsteller kaum etwas kosten. Die Kosten werden von einer Öffentlichkeit getragen, die es zunehmend satt hat und nie gefragt wurde, ob sie ihr Leben auf den Kopf gestellt haben will oder nicht.
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