Meinung

Nach US-Abfuhr bereiten Europäer den Boden für Ausstieg aus Atomabkommen vor

Die gut gemeinte Initiative von Emmanuel Macron zur Rettung des Atomabkommens mit dem Iran scheiterte an der Haltung des "maximalen Drucks" der US-Regierung. Da die Europäer ihren Teil des Abkommens nicht einhalten können, wird bereits der Schuldige für das vollständige Scheitern gesucht.
Nach US-Abfuhr bereiten Europäer den Boden für Ausstieg aus Atomabkommen vorQuelle: AFP © Atomic Energy Organization of Iran

von Zlatko Percinic

Im Kontext mit anderen vergleichbar wichtigen politischen Maßnahmen handelt es sich bei dem zwischen Frankreich und dem Iran ausgehandelten Paket zur Rettung des Atomabkommens um einen relativ kleinen Betrag: 15 Milliarden US-Dollar. Die Summe entspricht der Vereinbarung zwischen Teheran und den verbliebenen EU-Partnern des JCPOA-Abkommens – aber unter Federführung Frankreichs -, täglich mindestens 700.000 Barrel Rohöl zu beziehen. Im Gegenzug dafür sollte der Iran diesen Kredit über 15 Milliarden US-Dollar erhalten und über das Geld frei verfügen können.

Es sollte mehr eine Geste des guten Willens sein als ein tatsächlicher wirtschaftlicher Ausgleich im Sinne des JCPOA-Abkommens, für den der Iran sein Atomprogramm massiv herunterfuhr und einer strengen Aufsichtskontrolle durch die Internationale Atomenergiebehörde IAEA unterwarf.

Nach iranischen Angaben folgte Außenminister Mohammed Dschawad Sarif der Einladung von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron zum G7-Gipfel nach Biarritz, da die Franzosen angedeutet haben sollen, dass US-Präsident Donald Trump bereit wäre, das Sanktionsregime etwas zu lockern. In Biarritz hätte ein Treffen zwischen Trump und dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani angekündigt werden sollen.

Doch nachdem Trump die französische Initiative abgelehnt hatte und auch Finanzminister Bruno Le Maire in Washington eine Abfuhr für solche Pläne erhielt, hat Washington die europäischen Bemühungen endgültig begraben. Für alle Beteiligten steht fest, dass die Europäer nicht in der Lage sind, ihre Verpflichtungen des Atomabkommens umzusetzen, und diese Erkenntnis resultierte in einer bereits angekündigten Ausweitung des iranischen Atomprogramms.

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Obwohl reversibel, setzt diese Dynamik alle noch verbliebenen Vertragspartner unter Druck. Die Hardliner im Iran sehen sich in ihrer Einschätzung bestätigt, dass man den USA nicht trauen kann und die Europäer ohne Washington impotent sind. Die US-Amerikaner sehen sich ebenso darin bestätigt, dass ihre Sanktionspolitik funktioniert und die Europäer es nicht wagen werden, dieser einen Strich durch die Rechnung zu machen.

Obwohl es die Vereinigten Staaten von Amerika waren, die diese Dynamik mit ihrem Rechtsbruch durch den Rückzug aus dem Atomabkommen erst in Gang gebracht haben, kann man dieser Tage erleben, wie auch die Europäer das Ende des mit so viel Hoffnungen versehenen JCPOA-Abkommens vorbereiten. Den erhobenen Zeigefinger werden sie allerdings nicht nach Washington zeigen, sondern nach Teheran.

Als Grund dafür werden jetzt "Erkenntnisse" aufgewärmt, die schon seit Längerem bekannt sind. Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte EU-Diplomaten, die von Ergebnissen der IAEA-Laboruntersuchung der Proben des "geheimen Atomlagers" in Teheran sprachen. Die Proben hätten ergeben, dass sich auch Spuren von nicht hoch angereichertem Uran nachweisen ließen. Damit scheint sich auf den ersten Blick die Behauptung von Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zu bestätigen, der vor einem Jahr Bilder des "geheimen Atomlagers" präsentierte und meinte, dass dort 15 Kilogramm von nicht näher benanntem radioaktiven Material gelagert wurden. Für Danny Danon, israelischer UN-Botschafter und ehemaliger Vorsitzender des Siedlerrates in den besetzten Gebieten, steht das außer Frage:

Diese als explosive Neuigkeit dargestellte Nachricht ist allerdings mindestens zwei Monate alt. Der israelische TV-Sender Channel 13 berichtete bereits Anfang Juli von diesen Ergebnissen, nachdem IAEA-Spezialisten mehrere Male das unscheinbare Lagerhaus im Turquzabad-Bezirk von Teheran besucht und Proben genommen haben. Laut dem Sender habe der Iran damit gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoßen, der von Teheran unterzeichnet und 1970 ratifiziert wurde, und dies sei ein Zeichen dafür, dass das Land auch nach der Unterzeichnung des Atomabkommens an einem geheimen Nuklearwaffenprogramm arbeite.

Das alles läuft laut Alex Fishman, einem angesehenen israelischen Militäranalysten, nach einem ausgeklügelten Plan ab. Zusammen mit dem nun gefeuerten Nationalen Sicherheitsberater der USA, John Bolton, und Zeev Snir, dem Vorsitzenden der Israelischen Atomenergiekommission, hat Netanjahu die gemeinsamen Positionen koordiniert, um die angeblichen "iranischen Verletzungen des JCPOA" der IAEA vorzulegen. Er versprach außerdem, dass "mehr Beweise bald veröffentlicht werden".

Nur kurze Zeit später erklärte Mossad-Chef Yossi Cohen bei der Herzliya-Sicherheitskonferenz Anfang Juli, dass sein Geheimdienst aufgrund der erbeuteten Dokumente des "Atomarchivs" ein aktives Nuklearwaffenprogramm des Irans nachweisen könne. Die Proben der IAEA würden diese Erkenntnis aus den Dokumenten nur bestätigen, meinte Cohen weiter.

Und wie auf Knopfdruck beschuldigen nun Israelis und die USA gemeinsam den Iran, eine geheime Anlage zur Herstellung von Nuklearwaffen in der Nähe von Abadeh betrieben zu haben. Diese sei aber zwischen Juni und Juli dieses Jahres "vernichtet" worden, nachdem Teheran erfahren habe, dass Israel die Anlage entdeckt habe.

Danny Danon ging sogar einen Schritt weiter: Er behauptete, dass Israel und die IAEA herausgefunden haben, dass der Iran über das Atomprogramm gelogen habe, und fordert nun von den Europäern und insbesondere Frankreich, es den USA gleichzutun:

Und jetzt für die Europäer, lasst es mich auf Französisch sagen: Der einzige Weg, das iranische Regime zu stoppen, besteht darin, Sanktionen zu verhängen. Nicht nachlassen, erhöht den Druck!

Davon will die Internationale Atomenergiebehörde IAEA aber nichts wissen und auch nichts bestätigen. Danons Behauptung ist schlicht falsch, folgt aber auch Netanjahus Plan, den Eindruck entstehen zu lassen, dass der Iran sich nicht an seine internationalen Verpflichtungen hält und heimlich an der Atombombe bastelt. Sein Ziel ist es, auch die Europäer von dieser Sichtweise zu überzeugen. Dafür erhält er Unterstützung aus Washington.

Was die gefundenen Spuren von nicht hoch angereichertem Uran betrifft, so kann aber nicht nachgewiesen werden, von wann diese sind. Radioaktive Rückstände können noch Jahre nach deren Entfernung nachgewiesen werden, wie Mark Fitzpatrick, ein ehemaliges führendes Mitglied des London International Institute for Strategic Studies, darlegt. Laut seinem "Verständnis" nach, was ein Hinweis auf eine informelle Nachricht der IAEA sein könnte, stammen die Spuren "vermutlich" vom "Green Salt"-Projekt, das 2005 entdeckt und im Jahr darauf von der IAEA rapportiert wurde. Dieses Projekt war in der Tat Bestandteil des bis 2004 betriebenen geheimen militärischen Nuklearprogramms.

Fitzpatrick geht auch auf die israelische Anschuldigung ein, dass der Iran damit gegen das Atomabkommen verstoßen haben soll, und kommt angesichts der Wahrscheinlichkeit, dass es sich um alte Rückstände handelt, zum Schluss, dass es eben kein Meldeverstoß darstellt. Dass bei der jährlichen Sitzung des Gouverneursrates der Internationalen Atomenergiebehörde am 9. September der geschäftsführende Generaldirektor Cornel Feruta nicht auf die israelischen Vorwürfe eingegangen ist, scheint die Einschätzung von Mark Fitzpatrick zu bestätigen. Aber das wird weder Israel noch die USA davon abhalten, den Iran so lange an den Pranger zu stellen, bis auch die Europäer auf diesen Zug aufspringen. Aufgrund der entstandenen Dynamik und des Unvermögens, ihren Teil des Atomabkommens umzusetzen, wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis es so weit ist. 

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