Meinung

Demokratieverständnis der EU am Beispiel Italiens und des Brexit

Die Reaktionen des politischen Parteiestablishments und der Massenmedien der EU zeigen ein seltsames Demokratieverständnis. Das meint der Autor Jochen Mitschka. Nicht der Wille des Souveräns, sondern die beste politische Lösung gilt als wünschenswerte Politik.
Demokratieverständnis der EU am Beispiel Italiens und des BrexitQuelle: Reuters

von Jochen Mitschka

Da schreibt Annalena Baerbock, Mitglied des Bundestages und Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen auf Twitter, dass sie das Vorhaben Boris Johnsons, den Brexit nun durchzusetzen, für einen "Angriff auf die demokratischen Strukturen" hält. Sie vertritt damit die Meinung, die uns aus fast allen Massenmedien und Kommentaren von Parteikadern deutscher politischer Parteien entgegenschallt, die im Bundestag vertreten sind. Und was niemandem aufzufallen scheint, ist die Tatsache, dass in dieser Reaktion eine tiefe Verachtung für die Demokratie zum Ausdruck kommt.

Ich halte nicht viel von Boris Johnson, und auch das Ziel, das er verfolgt, nämlich nach dem Brexit die letzten sozialen Errungenschaften Großbritanniens abzubauen, stößt mich zutiefst ab. Aber als Radikaldemokrat muss ich feststellen, dass er der erste Spitzenpolitiker ist, der konsequent den Willen des Souveräns umsetzen will. Dieser Wille war durch den Brexit zum Ausdruck gekommen, und er besteht im Austritt aus der EU. Wer nun behauptet, dass die Umsetzung dieses Willens "undemokratisch" sei, verrät sich und die Politik des Establishments.

Demokratie bedeutet nicht, die "bestmögliche" Politik zu betreiben, sondern den Willen des Souveräns umzusetzen. Und es ist vollkommen egal, wie desaströs sich ein Austritt aus der EU für Großbritannien darstellen könnte, entscheidend ist, dass dies der Wille des Wählers ist und dass dieser Wille zu respektieren ist. Was wir aber in der Vergangenheit sahen, war eine jahrelange Hinhaltetaktik des Establishments und ein Hinarbeiten auf ein "Wählen, bis das Ergebnis passt", weil die Mehrheit der Abgeordneten und des politischen sowie ökonomischen Establishments der Meinung ist, dass ein Verbleib Großbritanniens in der EU von Vorteil für das Land (und für sich) wäre.

Genau das gleiche Denken erkennt man an den Reaktionen auf die politische Entwicklung in Italien. Da hatte der rechtskonservative Salvini die Regierung platzen lassen und auf Neuwahlen hingearbeitet, weil der Souverän in Italien seine Politik ganz offensichtlich so sehr schätzt, dass er wahrscheinlich eine absolute Mehrheit für sich gewinnen könnte. Aber die anderen Parteien verhindern aus Furcht vor dem Willen des Wählers Neuwahlen und raufen sich zu einer Regierung ohne Salvini zusammen.

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Und unisono wird dies in allen Medien und politischen Kreisen in Deutschland hochgelobt. Auch hier hört man aus jedem Satz heraus, dass nicht der Wille der Wähler, des Souveräns, entscheidend für die Politik ist, sondern dass eine "vernünftige" Politik betrieben werden kann, und dies innerhalb der EU.

Die große Frage, die man stellen sollte, wäre: Wenn nicht der Wähler darüber entscheiden soll, welche Politik ein Land betreibt, sondern die politische Elite, weil die es ja angeblich viel besser weiß – wer ist dann verantwortlich für Fehler? Wer ist verantwortlich für versenkte Milliarden für die Bankenrettung, wer ist verantwortlich für Kriege, die ganze Regionen verseucht und zerstört haben?

Bisher müssen die Wähler letztlich auslöffeln, was ihnen die politische Elite eingebrockt hat. Aber vielleicht wäre es angesichts der zu offensichtlichen Behauptung, alles besser zu wissen und zu können, an der Zeit, die Entscheider zur Verantwortung zu ziehen. Und das nicht nur durch Abwahl (bei gleichzeitiger Erlaubnis, Beraterposten innezuhaben und Reden gegen Honorar zu halten), sondern zum Beispiel durch Einführung von Paragraphen im Strafgesetz, die die Vorschriften des Grundgesetzes verwirklichen.

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