Wettrüsten lautet ab jetzt: "Korrekturmaßnahme"! – Der Neusprech des neuen US-Verteidigungsministers

Die Aufkündigung des INF-Vertrages durch die USA fiel fast zeitgleich mit der Ankündigung einer schnellstmöglichen Stationierung von Mittelstreckenraketen in Asien zusammen. Dabei erwies sich Verteidigungsminister Esper als versierter Sprachverdreher.
Wettrüsten lautet ab jetzt: "Korrekturmaßnahme"! – Der Neusprech des neuen US-VerteidigungsministersQuelle: Reuters

von Leo Ensel

Die USA reiben sich die ihnen nicht mehr gebundenen Hände. Der INF-Vertrag war noch nicht kalt, da preschte bereits der neue US-Verteidigungsminister Mark Esper mit der frohen Botschaft vor, die USA beabsichtigten, "so schnell wie möglich" Mittelstreckenraketen in Asien zu stationieren.

Natürlich beeilte sich Esper gleich zu versichern, die USA wollten kein neues Wettrüsten beginnen. Die mitlieferte Begründung sollte man sich merken: Wettrüsten, so die originelle Begriffsdefinition Espers, beziehe sich nämlich im herkömmlichen Sinne immer auf einen "nuklearen Kontext", die geplanten Mittelstreckenraketen dagegen seien – "nur", so die subkutane Message – mit konventionellen Sprengköpfen ausgestattet.

Nur.

Espers Neusprechdefinition ist aus zweierlei Gründen unerhört: Folgt man dem US-Verteidigungsminister, dann hat es zum Beispiel vor dem Ersten Weltkrieg zwischen der deutschen Kaiserlichen Marine und der britischen Royal Navy gar kein Wettrüsten zur See gegeben – die Rivalität fand schließlich nicht im "nuklearen Kontext" statt! Und zweitens suggeriert Esper, alle Waffensysteme unterhalb der nuklearen Schwelle seien, da nicht "wettrüstungsfähig", eigentlich gar nicht so schlimm!

Vielleicht hatte der neue Verteidigungsminister im Einarbeitungstrubel ja noch keine Gelegenheit, sich Fotos von den in Schutt und Asche liegenden europäischen und sowjetischen Städten nach dem – bekanntlich, bis auf die US-"Feldversuche" über Hiroshima und Nagasaki, "nur" mit konventionellen Waffen ausgetragenen – Zweiten Weltkrieg anzusehen. Es sei ihm dringend ans Herz gelegt, damit er weiß, welches Ausmaß an Zerstörung auch außerhalb des "nuklearen Kontextes" mit herkömmlichen Waffensystemen angerichtet werden kann!

Esper hatte für den so unpassenden Begriff "Wettrüsten" auch bereits ein Alternativwort parat. Es lautet "Korrekturmaßnahme" und bezieht sich auf den Skandal, dass den Chinesen erlaubt ist, was den USA noch bis letzten Freitag über drei Jahrzehnte lang verboten war: die Herstellung und Stationierung landgestützter Kurz- und Mittelstreckenraketen.

Dass die chinesischen Mittelstreckenraketen aufgrund mangelnder Reichweite für das Territorium der Vereinigten Staaten überhaupt keine Bedrohung darstellen – was umgekehrt sehr wohl der Fall wäre –, irritiert den Verteidigungsminister offensichtlich nicht im Mindesten. Verfügen doch die USA, wie überall auf dem Globus, auch in Asien über zahllose Militärstützpunkte, die es zu schützen gilt!

Stutzig macht allerdings Espers Ankündigung, die eben noch verbotenen Raketensysteme auch noch "so schnell wie möglich" zu stationieren. Offenbar haben die USA seit dem 2. August gigantische Kapazitäten aus dem Boden gestampft, landgestützte Kurz- und Mittelstreckenraketen in atemberaubendem Tempo zu planen und zu produzieren. Ein Schelm, wer da auf die Idee käme, diese Systeme seien bereits seit Längerem in der Pipeline – die USA hätten mithin selbst schon seit geraumer Zeit gegen den INF-Vertrag verstoßen!

Dass Esper schließlich die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen in Asien ausgerechnet im zeitlichen Umfeld der Jahrestage der Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki verkündete, verleiht seiner Message eine ganz besonders delikate Note. Der nicht nur linguistisch versierte neue US-Außenminister ist eben ein sensibler Schöngeist mit ausgeprägtem Sinn für Ästhetik!

PS:

Übrigens war Esper bei seiner Suche nach geeigneten "Hosts" für die geplante "Korrekturmaßnahme" bislang noch nicht sonderlich erfolgreich. In Australien jedenfalls heimste er sich prompt eine Abfuhr ein. Offenbar ist man dort – wie vermutlich auch anderswo – nicht gewillt, sich durch die USA zur Zielscheibe machen zu lassen. Auch nicht durch eine Stationierung "nur" konventioneller Waffensysteme!

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