Der Fall Clemens Tönnies und die Plage der politischen Korrektheit
von Andreas Richter
Clemens Tönnies, Aufsichtsratschef des Fußballvereins FC Schalke 04, lässt nach einem Auftritt vor dem Ehrenrat des Vereins für drei Monate sein Amt ruhen. Tönnies wird Rassismus vorgeworfen, nachdem er sich beim Tag des Handwerks in Paderborn in der vergangenen Woche deutlich gegen Steuererhöhungen im sogenannten "Kampf gegen den Klimawandel" ausgesprochen hatte.
Stattdessen, so Tönnies, solle man lieber jedes Jahr 20 Kraftwerke in Afrika finanzieren:
Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn's dunkel ist, Kinder zu produzieren.
Diese Aussage wurde als rassistisch gewertet. Zu den Kritikern, die Tönnies aufgrund dieser Worte Rassismus vorwarfen, zählten Vertreter aus Politik, Medien und Sport, auch die Amadeu Antonio Stiftung durfte nicht fehlen. Inzwischen hat sich Tönnies entschuldigt, seine Äußerungen seien falsch gewesen, er stehe für eine "offene und vielfältige Gesellschaft", so der Fleischunternehmer.
C. Tönnies: Ich möchte meine Aussage zum Thema Auswirkungen beim Klimawandel richtigstellen. Ich stehe als Unternehmer für eine offene und vielfältige Gesellschaft ein. Meine Aussage zum Kinderreichtum in afrikanischen Ländern tun mir leid. Das war im Inhalt und Form unangebracht
— Tönnies Dialog (@ToenniesDialog) August 2, 2019
Den meisten Kritikern reicht das nicht. Viele fordern weiterhin Tönnies' Rücktritt. Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, nannte die Entscheidung des Schalker Ehrenrates auf Twitter "irritierend". Eine klare Haltung sehe anders aus; Schalke dürfe seinen "antirassistischen Charakter" nicht verlieren. Immerhin gehe man mit der Ämterpause nicht zur Tagesordnung über.
Man muss Tönnies und dessen unternehmerisches Wirken nicht sympathisch und die Form seiner Äußerungen nicht angemessen finden, aber die Debatte um seinen angeblichen Rassismus ist ein weiteres Beispiel dafür, wie die Empörungsmechanismen der politischen Korrektheit den Blick auf die Realität verstellen.
Denn Tönnies sagt eben nicht, dass "der Schwarze gern schnackselt", wie seinerzeit die bekannte Fürstin, sondern beschreibt in flapsigen Worten die Realität jeder vorindustriellen Gesellschaft, bis ins 19. Jahrhundert auch der deutschen, die eben von der Abhängigkeit vom Rohstoff Holz und einer hohen Geburtenrate bestimmt wurde und wird. Daran ist nichts rassistisch.
Diskriminierend, aber nicht rassistisch? Irritierendes #Toennis-Urteil des Ehrenrates - eine klare Haltung sieht anders aus. @s04 darf seinen antirassist. Charakter nicht verlieren. Immerhin wird durch die Ämterpause nicht zur Tagesordnung übergegangen! https://t.co/8XHHsehXxc
— Timo Reinfrank (@timoreinfrank) August 7, 2019
Die Abholzung der Wälder und die demografische Entwicklung in Afrika sind reale, gravierende Probleme. Es ist richtig, darauf hinzuweisen. Den großflächigen Bau von Kraftwerken als Lösungsansatz ins Spiel zu bringen, gewissermaßen auf den Spuren Lenins, ist wenigstens ein interessanter Ansatz.
Der eigentliche Skandal ist doch das Fehlen jeglicher Entwicklungsperspektive für die Länder Afrikas. Es gibt keine Grundlage für eine eigenständige wirtschaftliche und soziale Entwicklung, keine funktionierende Infrastruktur. Die Einbindung des Kontinents in ungleiche Handelsverträge mit dem Westen und die massenhafte Abwanderung der Mittelschicht zeigen das Fortwirken kolonialer Strukturen und sind eben keine Lösung, sondern verschärfen das Problem nur. Wo es Lichtblicke gibt, stehen sie in der Regel mit dem Wirken Chinas in Zusammenhang.
Da gibt es reichlich Stoff, über den man diskutieren, sich aufregen und streiten kann, zumal auch dieses Land Teil der erwähnten Strukturen ist. Aber nein, Medien und Politik im Deutschland des Jahres 2019 reden lieber über angebliche "kolonial-rassistische Bilder" als über wirtschaftliche Strukturen, produzieren lieber Scheindebatten, als über reale Probleme zu reden. Dabei gibt es davon – auch hierzulande – mehr als genug.
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