Meinung

Die Medien: Von der Vierten Gewalt zum Ersten Stand

Die Medien feiern sich gern als Vierte Gewalt, dabei kontrollieren sie die Macht nicht mehr, sondern verschaffen ihr vielmehr ihren geistig-moralischen Überbau. Damit haben sie faktisch die Rolle eingenommen, die früher der Geistlichkeit zufiel.
Die Medien: Von der Vierten Gewalt zum Ersten Stand© Spiegel.de

von Andreas Richter

Die westlichen und vor allem die deutschen Mainstream-Medien preisen sich gern als Vierte Gewalt, die die anderen Gewalten – Exekutive, Legislative und Judikative – kontrolliert und durch Berichterstattung und Debatte gegebenenfalls korrigiert. Selbst wenn sie diese Rolle früher einmal ganz oder teilweise ausfüllten, heute ist davon nichts mehr übrig.

Der Fall Assange zeigte es wieder einmal: Der Mainstream scheute sich nicht, dessen Auslieferung und Verhaftung als irgendwie gerechtfertigt darzustellen, obwohl er seinerzeit keine Hemmungen hatte, aus den WikiLeaks-Enthüllungen Kapital zu schlagen. Dann noch die ewige Russland-Hysterie: Russland wird nun schon reflexartig für fast jedes Übel im In- und Ausland verantwortlich gemacht. Das Fehlen von Belegen für die kühnen Behauptungen stört dabei nicht. Westliche Interventionen im Namen des "Guten" werden dagegen gern gepriesen, zivile Opfer und andere "Nebenwirkungen" werden selbstverständlich ausgeblendet.

Ganz ähnlich bei der Berichterstattung zu nationalen Themen. Die seit Jahrzehnten andauernde Umverteilung von Unten nach Oben, die moralisch verbrämte katastrophale Flüchtlings- und Migrationspolitik, eine verfehlte Energiewende, die der Umwelt nicht hilft und die nachhaltige Energieversorgung in Frage stellt – das alles verteidigt und legitimiert damit der mediale Mainstream. Natürlich wird auch einmal gestritten und gestritten, aber nur über Randthemen. Über die großen Fragen ist sich der mediale Mainstream einig.

Damit erfüllen die Medien nicht mehr die Rolle der Vierten Gewalt, sondern eher die des Ersten Standes im vormodernen Europa: der Geistlichkeit. Sie sind zu Hohepriestern eines zerfallenden Imperiums und einer zügellosen Wirtschafts-"Ordnung" geworden. Die Medien kontrollieren die Politik nicht, sondern verleihen ihr durch die Übernahme von deren moralisch gestrickten Argumentationsmustern Legitimität. Auch deshalb geht es immer öfter um Gut und Böse, Richtig und Falsch, immer seltener um Fakten, die zu diskutieren wären, oder um das Verstehen und den Ausgleich unterschiedlicher Interessen.

Die Folgen für das Land treten immer deutlicher zu Tage, die Folgen für die Medien selbst sind heute schon sichtbar: Immer weniger Menschen sind bereit, für lückenhafte, tendenziöse oder irreführende Berichterstattung noch Geld auszugeben; entsprechend ist die Lage der Medienunternehmen. Wer doch noch dem Glauben an die Mainstream-Medien anhängt, kann sich an dem Gedanken wärmen, zu den "Guten" zu gehören. So etwas wie gesunden Menschenverstand wird man bei denjenigen aber kaum noch in nennenswerter Dosis nachweisen können.

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