20 Jahre seit NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien: Medienlügen (1) – zum Tod von Mira Marković
von Klaus Hartmann
In diesen Archiven fanden sie ihre eigenen Feinbildprodukte, mit denen sie von 20, 30 Jahren das Publikum auf die NATO-Aggression gegen Jugoslawien vorbereitet hatten.
Die Stoßrichtung der psychologischen Kriegsvorbereitung ging damals gegen die Serben, wobei umstandslos an die bekannte rassistische Losung vom "slawischen Untermenschen" angeknüpft werden konnte. Ein Land ohne Regierung, aber mit einem "Regime", und statt eines gewählten Präsidenten mit einem "Diktator" an der Spitze. Über die Methoden und die Gründe, Slobodan Milošević zur Hassfigur, zum Inbegriff des Bösen aufzubauen, wurde hier schon berichtet. Aber es geht noch eine Drehung gehässiger: Dahinter steht meist – und in diesem Fall tatsächlich – eine starke Frau.
Im Kriegsvorbereitungskontext legt "starke Frau" natürlich nahe, dass sie als Einflüsterin ihres Mannes seine Entscheidungen beeinflusste. "Sie zog als kommunistische Universitätsprofessorin in kritischen Momenten seiner Karriere die Fäden im Hintergrund", erfährt man in der Neuen Zürcher Zeitung. So erinnert man sich von der Nachrichtenagentur AFP bis zur New York Times wieder des Ehrentitels "Lady Macbeth des Balkans", sie sei "die treibende Kraft hinter dem Aufstieg Miloševićs" gewesen, und "die ehrgeizige Frau ging mit Härte auch gegen politische Gegner vor".
Die Sprecherin von euronews kann zwar weder den Vornamen Mirjana noch den Nachnamen Milošević unfallfrei aussprechen, verkündet aber gelassen, "er gilt als Hauptverantwortlicher der Balkankriege." Die New York Times spricht von einem "Paar an der Macht", das "in Serbien Chaos angerichtet habe". Slobodan Milošević, Präsident Jugoslawiens, wollte das Land vor der Zerstörung durch westgesponserte Separatisten bewahren, die US-Zeitung macht daraus, er habe das Land "in katastrophale Kriege in Kroatien, Bosnien und im Kosovo geführt" – was man dem US-Publikum mit seinen bekannten Geografie-Kenntnissen vielleicht glaubhaft machen kann.
Noch bunter treibt es der Spiegel mit dem Urteil: "Sie galt als große Stütze des einstigen serbischen Machthabers und Kriegsverbrechers Slobodan Milošević." Da hat sich wohl klammheimlich der Claas Relotius wieder in der Redaktion eingeschlichen. Während "der Machthaber" bei Kriegspropagandisten ja zum normalen Hetz-Wortschatz gehört, wird es beim "Kriegsverbrecher" kritisch: Milošević gehört zwar international zu den vielgescholtensten Männern, aber juristisch ist er unbescholten. Der Spiegel verdächtigt ihn öffentlich einer rechtswidrigen Tat, was de facto einen Verstoß gegen § 164 Strafgesetzbuch darstellt, und – lebten wir in einem Rechtsstaat – "mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft" werden müsste.
Für den deutschen Regierungspropagandasender Deutsche Welle war Mira Marković eine "umstrittene Ideologin", doch nicht nur das: " Milošević und Marković werden viele unaufgeklärte politische Morde ebenso angelastet". Das war’s aber schon, jedoch – mit der Namensgebung einer "Lady Macbeth" als Inkarnation des Perversen und Bösen wird ja schon die Verwicklung in politische Morde in nicht justiziabler Form suggeriert. Dazu machen Räuberpistolen über Auftragsmorde an einem oppositionellen Journalisten und Miloševićs Amtsvorgänger Ivan Stambolić die Runde. Wer Genaueres wissen will, stößt auf den Hinweis, dass "sie seit 2003 in Russland lebte", ebenso auf einen Interpol-Haftbefehl, den die neue NATO-fromme serbische Regierung in just jenem Jahr beantragt hatte.
Doch bevor jetzt die Fantasie mit der geneigten Leserschaft durchgeht, sei zur Aufklärung gesagt: Dieser Internationale Haftbefehl stützt sich ausschließlich auf eine einzige Anklage, die gerne "Manipulation mit staatlichen Immobilien" genannt wird, konkret aber lediglich die Vergabe einer staatlichen Wohnung an das Kindermädchen ihres Enkels zum Gegenstand hatte – wenn auch an der "Warteliste" vorbei. Die Faktenlage war offenbar höchst kompliziert, weshalb das zuständige Belgrader Gericht über 15 Jahre für ein Urteil brauchte. 2018 lautete der Schuldspruch auf ein Jahr Gefängnis, leider war die "Tat" da schon verjährt; weshalb das Berufungsgericht im März 2019 das Urteil aufgehoben hat. Zu der angeordneten Neuverhandlung wird es wohl nicht mehr kommen. Zu den Vorwürfen der Involvierung in Mordanschläge auf ihre politischen Gegner stellt der Wiener Standard klar: "Eine Klage gegen Marković war in diesem Zusammenhang allerdings nie erhoben worden." Bleibt eine Wohnung für das Kindermädchen des Enkels – ein veritables Kapitalverbrechen.
Im Standard konnte man 2003 lesen, Milošević sei "der skrupellose Demagoge", während Marković "der 'chinesische Weg' politisch faszinierte" und sie "ihre eigene radikalkommunistische Partei gründete". Als Titel wurden ihr bei dieser Gelegenheit noch "Die schwarze Frau hinter Milošević", "Rote Hexe" und "Frau Rasputin" verliehen. Zumindest die "Rote Hexe" betrachtete sie eher als Auszeichnung, was auch in den Gesprächen zum Ausdruck kommt, die sie 2002 bis Anfang 2003 mit dem Korrespondenten Giuseppe Zaccaria der italienischen La Stampa führte, und die er in dem Buch "Erinnerungen einer ‚Roten Hexe‘" (Verona und Frankfurt am Main 2005, Zambon-Verlag) veröffentlicht hat. Peter Handke kommentierte: "Ein Buch mit solcher Sachkenntnis, solchem Wirkenlassen der Probleme ohne viel persönliche Besserwisserei, ist in Deutschland, vor allem was die 'seriösen Medien' (die sich selber so bezeichnen) betrifft, undenkbar geworden."
Zu ihrem in der Öffentlichkeit kolportierten Bild gab sie zu Protokoll: "Wenn mich jemand provoziert, werde ich zur wütenden Kämpferin. Ein denkender Mensch muss zu jeder Zeit klar und deutlich sagen können, was er für richtig und wichtig hält. Wahrscheinlich haben viele Journalisten, indem sie sich mit dem Lebensstil und der Frisur der interviewten politischen Persönlichkeit oder mit der Art, in der dieser oder jener Rock getragen wurde, aufhielten, nichts anderes getan, als auf neue Weise die alte balkanische Intoleranz gegenüber den Frauen auszudrücken; das Vorurteil, demzufolge einer Person weiblichen Geschlechts nur in zwei Fällen zusteht, am politischen und gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Sie muss entweder vollkommen unbedeutend in Erscheinung treten, oder so mit männlichen Hormonen ausgestattet sein, dass sie wirklich einem Mann ähnelt.
Mira unterstrich, dass sie als erklärte Kommunistin auftrat und das keinesfalls bereute: "Ich vertrat in der Öffentlichkeit die Ansicht, dass angesichts der Aggressivität der radikalen rechten Parteien die Toleranz der Kommunisten und ihr fortwährendes Üben von Selbstkritik als Zeichen für Minderwertigkeit und Schwäche angesehen würden und dass sie auf diese Weise in der Politik nicht lange überleben könnten. Wenigen war bewusst, dass im Osten nach dem Zerfall der Sowjetunion kein Volk automatisch reich und glücklich geworden war, nur weil es die Regeln des primitiven Kapitalismus angewandt hatte.
Der Autor dieses Beitrags erinnert sich gerne und dankbar an seine eigenen Begegnungen mit Mira und den Gedankenaustausch. Es bestand nie ein Zweifel, dass sie eine starke Persönlichkeit war, die allen Widrigkeiten zum Trotz ihren kommunistischen Idealen und Überzeugungen treu war, und die insbesondere jeden Rassismus und nationalen Chauvinismus zutiefst verabscheute und bekämpfte. Im Grunde genommen spiegelt sich, unbeabsichtigt von den Autoren, genau diese Tatsache in der als Diffamierung gedachten Bezeichnung der "Roten Hexe". Doch eine allein auf ihre politischen Anschauungen abstellende Auseinandersetzung wäre für die Irreführung der Öffentlichkeit nicht dienlich gewesen, weswegen ein anschaulicheres Gespenst erschaffen werden musste, als Teil der antiserbischen Mobilmachung.
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