Spanien: Der Triumph der neoliberalen Rechten dank der Hilfe der katalanischen Separatisten
von Vicenç Navarro
Zwei gegenwärtige Ereignisse in Spanien werden die Zukunft des Landes entscheidend bestimmen. Zum einen der Prozess gegen die katalanisch-separatistischen politischen Gefangenen, die zur politischen Polarisierung im Land zwischen Unionisten und Separatisten beiträgt. Eine Polarisierung, die fälschlicher- und bösartigerweise als Konflikt zwischen Spanien und Katalonien präsentiert wird und damit die Tatsache ignoriert, dass die Mehrheit der Katalanen nicht separatistisch ist. Sowohl die spanische Rechte der konservativen Volkspartei (PP) und der rechtsliberalen Partei Ciudadanos (Cs) – die immer weiter nach rechts gerückt sind, als Reaktion auf die politische und mediale Präsenz der neuen ultrarechten Partei Vox (die ihnen Teile der Wählerschaft streitig macht) – als auch die Parteien des katalanischen Separatismus benutzen das Gerichtsverfahren als Schlüsselelement in ihrem jeweiligen Wahlkampf für die kommenden nationalen Parlamentswahlen, die der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez für den 28. April angesetzt hat. Die Erklärungen von Oriol Junqueras, dem Vorsitzenden der katalanischen Partei Esquerra Republicana de Catalunya (ERC) und ehemaligen Vizepräsidenten der separatistischen Regionalregierung Kataloniens, die er in einer Serie von Antworten auf die Fragen seines Anwaltes während seines Prozessauftritts abgab, liegen komplett auf der Linie dieser Strategie, die separatistische Wählerschaft zu mobilisieren. Eine Wählerschaft, die ganz gewiss auch einen wichtigen Teil derjenigen umfasst, die keine Separatisten sind, doch über die Repression des spanischen Staates und der offensichtlichen Befangenheit der zweiten Kammer des spanischen Obersten Gerichtshofs unter Vorsitz von Richter Manuel Marchena empört sind.
Das enorme demokratische Defizit des spanischen Staates
Tatsächlich ist dieses Gerichtsverfahren ein Anzeichen für das enorme demokratische Defizit des spanischen Staates, der aus dem Prozess des Übergangs von der Franco-Diktatur zur Demokratie ("Transición española") hervorging. Dieser Übergang war in der Realität weit davon entfernt, "modellhaft" zu sein, denn er war das Ergebnis eines großen Machtgefälles zwischen den Erben und Siegern des "Bürgerkrieges" und den Erben der Besiegten. Erstere kontrollierten den gesamten Staatsapparat und die große Mehrheit der Medien, während letztere gerade aus dem Gefängnis oder zurück aus dem Exil kamen und damit wieder aus dem Untergrund auftauchten. Wobei klar ist, dass die Mobilisierung und Demonstrationen der einfachen Bevölkerung und speziell der Arbeiterschaft, im Vorfeld der "Transición" (Spanien verzeichnete damals die meisten streikbedingten Arbeitsausfälle in Europa) maßgeblich für das Ende des diktatorischen Franco-Regimes waren. Doch die staatlichen Institutionen, die diesen Übergang steuerten, wurden von den Nachfolgern des Regimes dominiert [König Juan Carlos, der Nachfolger Francos an der Spitze des Staates, wurde von Franco lange vor dessen Ableben höchstpersönlich und mit entscheidender Unterstützung der USA für diesen Prozess der "Aktualisierung des Franco-Regimes" ausgesucht und aufgebaut – Anm. Red.]. Und in deren Macht lag es, die Bedingungen bzw. die Grenzen zu setzen, innerhalb derer das politische Leben stattfand.
Dies erklärt die – trotz der beachtlichen Fortschritte im seit 1978 demokratischen Spanien – anhaltende große soziale Unterentwicklung des Landes und den Fortbestand der Vision eines national einheitlich Zentralstaates mit seiner außerordentlichen repressiven Dimension und seinen sehr geringen sozialen Leistungen (wie ich es 2002 in meinem Buch "Bienestar insuficiente, democracia incompleta. De lo que no se habla en nuestro país" dokumentiert habe). Spanien ist auch heute noch eines der Länder der Europäischen Union mit den meisten Polizeikräften pro Einwohnerzahl und zugleich mit der niedrigsten Anzahl von Beschäftigten im Sozialbereich, etwa im Gesundheitswesen, dem Bildungswesen, der Kinderbetreuung, der häuslichen Pflege, dem Sozialwohnungsbau und ein langes Et cetera.
Ein deutliches Beispiel für die Dominanz des konservativen spanischen Staates ist sein Justizapparat und dessen führende Rolle im politischen Leben des Landes. Das aktuelle Geschehen im Verfahren um die Führer des katalanischen Separatismus verdeutlicht dies. Der Oberste Gerichtshof, der über die politischen Gefangenen entscheidet, hat im Rahmen einer "öffentlichen Klage" ["acusación popular", eine Besonderheit der spanischen Rechtsordnung – Anm. Red.] die ultrarechte Partei Vox als eigenständigen Kläger gegen die Gefangenen zugelassen und diese dadurch legitimiert (eine Partei, die gemäß ihrer Identifikation mit dem Franquismus in anderen demokratischen Ländern verboten wäre, etwa in Deutschland, das mit der Nazi-Diktatur ein dem spanischen Faschismus ähnliches Regime hatte).
Fehler und undemokratische Einstellungen auch auf Seiten der Unterdrückten
Die gerechte und nötige Empörung über den Gerichtsprozess sollte andererseits nicht zu einer "Heiligsprechung" der Gefangenen führen, wie es in weiten Teilen der demokratischen Gesellschaft Kataloniens geschieht. Denn einige der Gefangenen (Jordi Turull, Josep Rull und Joaquim Forn) untersützten die repressive Politik der katalanischen Regionalregierung gegen die "Bewegung der Empörten" ("Movimiento 15-M"), als Teile dieser Bewegung rund um das Regionalparlament gegen die Kürzungen der Sozialausgaben (den drastischsten in ganz Spanien) protestierten, die die Lebensumstände für die einfache Bevölkerung Kataloniens enorm verschlechterten. Jordi Turull, als Sprecher der Regierungskoalition, Josep Rull, als Abgeordneter der Regierungsfraktionen, und Joaquim Forn, als Stadtrat der rechten Partei Convergència in Barcelona, unterstützten die Forderung seitens der katalanischen Regierung, die in einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs angenommen und bestätigt wurde. Und zwar von demselben Richter, Manuel Marchena, der heute den Vorsitz im Prozess gegen diese Gefangenen führt. Es sei also daran erinnert, dass einige dieser Gefangenen und die Partei, die weiterhin in Katalonien regiert, damals zur Unterdrückung der "Bewegung der Empörten" dieselben Mittel und denselben Richter (Marchena) und dasselbe Gericht (den Obersten Gerichtshof Spaniens) benutzten, die gegenwärtig sie selbst unterdrücken.
Die Widersprüche auf Seiten der separatistischen Führer
Ein weiterer Widerspruch ergibt sich aus dem Versuch von Oriol Junqueras, sich einerseits als Verteidiger der Demokratie zu präsentieren (mit dem "Benutzen der Wahlurnen, um den Volkswillen zum Ausdruck zu bringen") und der einseitigen Erklärung der Unabhängigkeit Kataloniens andererseits (ein Ziel, das die Mehrheit der Katalanen weder teilte noch unterstützte, wie es wiederholt die glaubwürdigsten Meinungsumfragen in Katalonien gezeigt hatten). In allen Wahlen der autonomen Region lagen die Stimmenergebnisse der Parteien für die Unabhängigkeit nicht über denen der Parteien gegen die Unabhängigkeit, sondern darunter. Es zeugt von einer gewissen Arroganz oder mangelndem Demokratieverständnis darauf zu bestehen, die Mehrheit der Wähler oder der Bevölkerung Kataloniens zu repräsentieren. Der Ausruf der Empörten-Bewegung "Sie repäsentieren uns nicht!" ("¡No nos respresentan!") traf auch auf die katalanische Regierung zu, deren Austeritätspolitik und Unterstützung der Arbeitsmarktreformen der Zentralregierung nicht in ihrem Wahlprogramm standen.
Des Weiteren verwechselte Oriol Junqueras (wie es bei den Separatisten üblich ist) Souveränität mit Unabhängigkeit. Das Streben nach Souveränität verteidigt das "Recht auf Entscheidung" zwischen verschiedenen Alternativen, von denen eine die Sezession sein kann. Nur zeigen – wie erwähnt – alle glaubwürdigen Meinungsumfragen, dass die Mehrheit der Bevölkerung Kataloniens zwar das "Recht auf Entscheidung" über die Art und Weise des Verhältnisses zwischen Katalonien und dem übrigen Spanien unterstützen würde, was jedoch nicht notwendigerweise bedeutet, dass sie für eine Sezession ist. Tatsächlich war es historisch gesehen die katalanische Linke, die immer das Recht auf Selbstbestimmung bzw. Entscheidung der unterschiedlichen Nationen des spanischen Staatswesens verteidigt hatte, ohne notwendigerweise die Unabhängigkeit zu verlangen. Das Recht auf Entscheidung hatte selbstverständlich auch die spanische Linke (inklusive der sozialistischen Arbeiterpartei, PSOE, und der kommunistischen Partei, PCE) während ihrer Zeit des Kampfes im Untergrund gegen die Diktatur verteidigt. Die Verteidigung dieses Rechts war Ausdruck ihrer Akzeptanz der nationalen Vielfalt des spanischen Staates. Und in der heutigen Demokratie Spaniens waren es die katalanischen Linken, die die Reform der Verfassung der autonomen Region Katalonien (Estatut) ausarbeiteten – welche 2005 vom katalanischen Parlament angenommen wurde (und danach vom spanischen Parlament sowie von der Wählerschaft Kataloniens in einer Volksabstimmung) – und die auf ebendieser Linie lag, Katalonien als eine Nation innerhalb Spaniens anzuerkennen.
Die Ursachen für die Zunahme des Separatismus: die Repression durch den Zentralstaat und dessen Ablehnung der nationalen Vielfalt Spaniens
Diese Verwechslung von Souveränität und Unabhängigkeit befördert auch die spanische Rechte der Unionisten, deren Version von Spanien die eines einheitlichen und zentralistischen Nationastaates mit seiner Verankerung in der Hauptstadt des Königreichs ist. Souveränität und Unabhängigkeit bezeichnen allerdings zwei verschiedene Konzepte und Realitäten. Der rechte Unionismus und Zentralismus, dessen höchster Ausdruck der monarchische spanische Staat ist, haben diese Unterscheidung nie akzeptiert, worin die Ursache für die Unabhängigkeitsbewegung liegt. Innerhalb der katalanischen Bevölkerung stieg der Anteil der Befürworter einer Unabhängigkeit entsprechend enorm an, nachdem das spanische Verfassungsgericht Schlüsselelemente der von der seinerzeitigen katalanischen Regionalregierung vorgeschlagenen neuen Autonomieverfassung ablehnte – und zwar sogar solche Elemente, die für andere Autonomieregionen akzeptiert worden waren. Kurzum, der größte Beförderer der Unabhängigkeitsbewegung sind die für den Staat der bourbonischen Monarchie charakteristische Repression und die fehlende Akzeptanz der nationalen Vielfalt dieses Staates.
Andererseits kann die Tatsache, dass der nationalistische Zentralstaat mit seiner Ignoranz und Repression die größte Ursache für das Anwachsen der nationalen und internationalen Spannungen in der "katalanischen Frage" war und ist, nicht als Entschuldigung dafür dienen, dass die in Katalonien regierenden separatistischen Parteien diese Spannungen durch den von ihnen forcierten "Prozess zum Erreichen der Unabhängigkeit" weiter verschärft haben. Die Maßnahmen und Erklärungen zur "Unabhängigkeit express" als Teil einer Erzählung von der Konfrontation mit Spanien – in einer unter den Separatisten weit verbreiteten Darstellung, die Spanien mit dem spanischen Staat gleichsetzt – sind in der Tat die besten Verbündeten der spanischen Rechten.
Das Veto der katalanischen Separatisten gegen den spanischen Staatshaushalt: ein weiterer großer Fehler
Ein weiteres für die Zukunft Spaniens und Kataloniens wichtiges Ereignis war das Veto der Separatisten gegen den Entwurf für den nationalen Staatshaushalt, den die PSOE-Regierung von Pedro Sánchez ins spanische Parlament eingebracht hatte. Dieser Haushaltsentwurf basierte (mit einigen wesentlichen Änderungen) auf der Vereinbarung zwischen PSOE und Unidos-Podemos [auf der die Minderheitsregierung von Sánchez maßgeblich beruhte – Anm. Red.] und bedeutete einen substanziellen Wechsel in der Wirtschafts- und Sozialpolitik des Landes. Er war in dieser Hinsicht ein historisches Dokument, da er einen großen Teil der neoliberalen Politik zurücknahm, die die Maßnahmen des spanischen Staates dominieren (und die in seinen Autonomieregionen, wie die der katalanischen Regionalregierung, die sich in ihrem Neoliberalismus durch besondere Härte und Strenggläubigkeit auszeichnet) und die für die einfache Bevölkerung der verschiedenen Regionen und Nationen des Landes desaströse Folgen haben – auch in Katalonien. Die Arbeitsmarktreformen der Regierungen Zapatero und Rajoy in Spanien sowie der Regierungen Mas und Puigdemont in Katalonien haben zu einem enormen Anstieg der Anzahl von abhängig Beschäftigten geführt, die lediglich den gesetzlichen Mindestlohn oder noch weniger erhalten. Lag deren Anteil im Jahr 2008 (vor der Arbeitsmarktreform) bei 8,86 Prozent, so stieg er auf 12,56 Prozent im Jahr 2012 (was einem Zuwachs um 41,8 Prozent entspricht). Tatsache ist, dass die Bedingungen des Arbeitsmarktes und des alltäglichen Lebens für die Masse der Arbeiterschaft heute viel schlechter sind als vor dem Beginn der Rezession 2007. Als Folge dessen ging der Anteil der Lohneinkommmen am Bruttoinlandsprodukt von 55,6 Prozent im Jahr 2007 auf 53,7 Prozent im Jahr 2018 zurück. Dieser bedeutende Rückgang der inländischen Kaufkraft ist wiederum ein Grund für die lahmende wirtschaftliche Entwicklung (wie ich es 2015 im meinem Buch "Ataque a la democracia y al Bienestar. Crítica del pensamiento económico dominante" beschrieben habe).
Die Lüge von der sogenannten wirtschaftlichen Erholung
Anders als die Prediger des Neoliberalismus – und die Mehrheit der Massenmedien, die in Spanien und Katalonien eindeutig neoliberal ausgerichtet sind – glauben machen wollen, ist diese desaströse Realität keinesfalls verschwunden. Die berühmte "wirtschaftliche Erholung", die sich laut ihrer Verkünder in dem hohen Maß der Schaffung neuer Arbeitsplätze zeigt (mit einem Wachstum von 9,5 Prozent, das damit fast doppelt so hoch ausfällt wie im Durchschnitt der EU-15, den 15 EU-Staaten mit einem ähnlichen Entwicklungsniveau wie Spanien), basiert auf dem massiven Zuwachs der prekären Beschäftigung, die das vorherrschende Merkmal des spanischen und katalanischen Arbeitsmarktes ist. Während beispielsweise der Anteil der befristeten Beschäftigungsverhältnisse in der EU-15 in der Zeit von 2013 bis 2017 um 13 Prozent anstieg, war dieser Zuwachs in Spanien und Katalonien mit 28 Prozent mehr als doppelt groß.
Die wirtschaftlichen und sozialen Indikatoren vor und nach der Durchsetzung dieser Reformen liefern weitere Anzeichen für das Ausmaß dieses Desasters – es gibt keinen besseren Begriff, um die Folgen dieser neoliberalen Politik zu definieren, die die finanziellen und wirtschaftlichen Eliten und ihre Instrumente in Politik, Medien und Wissenschaftsbetrieb nahezu einhellig begrüßen und befördern. Hier einige Daten: Die Arbeitslosenquote in Spanien stieg von 8,2 Prozent (2007) auf 17,2 Prozent (2017) und die Langzeitarbeitslosigkeit von 20,4 Prozent (2007) auf 45,5 Prozent (2017) (ein Zuwachs um 123 Prozent). Die Anzahl der Arbeitsunfälle erreicht in der Gruppe der Staaten der EU-15 Höchstwerte, mit 2,3 Todesfällen pro 100.000 Beschäftige (gegenüber 0,5 Todesfällen in den Niederlanden, 0,73 in Schweden, 0,83 in Großbritannien, 0,97 in Deutschland, 1,02 in Dänemark etc.).
Dieser desaströse Zustand zeigt sich in allen sozialen Bereichen. So haben die Maßnahmen der neoliberalen Politik beispielsweise im Immobiliensektor dazu geführt, dass die Mehrheit der Bevölkerung keinen bezahlbaren Wohnraum mehr findet. Unter den Ländern der EU-15 ist in Spanien und Katalonien der Anteil der Geringverdiener am höchsten, die mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für ihren Wohnraum ausgeben. Der Anteil ist infolge solcher Politik enorm gestiegen, von 26 Prozent im Jahr 2007 auf 40 Prozent im Jahr 2017. Dieses Desaster verschärft sich zusätzlich durch die massiven Kürzungen im Sozialhaushalt des Staates (Gesundheitswesen, Bildungswesen, sozialer Wohnungsbau, Kinderbetreuung, häusliche Pflege und etliche andere soziale Leistungen).
Der Haushaltsentwurf von PSOE und Unidos-Podemos: die Möglichkeit einer Abkehr vom neoliberalen Desaster
Das Neue an dem Haushaltsentwurf, auf den sich PSOE und Unidos-Podemos verständigt hatten, war, dass er zum ersten Mal eine Abkehr von der neoliberalen Ausrichtung der staatlichen Haushaltspolitik bedeutete, auch wenn zu erwähnen bleibt, dass diese Abkehr noch deutlicher hätte ausfallen müssen. Doch es war ein Schritt in die richtige Richtung. Seine Verabschiedung hätte die Lebensverhältnisse der einfachen Bevölkerung in Spanien und Katalonien spürbar verbessert.
Allerdings scheiterte der Haushaltsentwurf an der Ablehnung durch eine Allianz der neoliberalen und reaktionären spanischen Nationalisten (Vox möchte sogar das Rentensystem vollständig privatisieren, so wie es in Chile unter Pinochet geschah) mit den katalanischen Separatisten (PDeCAT und ERC) gegen die politische Linke, die der Motor für einen Politikwechsel war und ist. Hervorzuheben bleibt, dass diese Ablehnung das Ergebnis einer faktischen Allianz im parlamentarischen Handeln zwischen der spanischen Rechten von PP und Ciudadanos einerseits und den katalanischen Separatisten von PDeCAT und ERC andererseits war. Eine Allianz gegen die Regierung von Pedro Sánchez und gegen die ganze politische Linke, da die PSOE von Sánchez einen Politikwechsel der Partei nach links bedeutet hatte. Dieser begann mit dem Sieg von Sánchez im parteiinternen Wahlkampf gegen die Rechte in seiner Partei (repräsentiert durch zahlreiche Landesfürsten und historische Politikergrößen), die von der PSOE-Vorsitzenden [und seinerzeitigen Präsidentin der Regionalregierung – Anm. Red.] in Andalusien, Susana Díaz, angeführt wurde. Dieser Sieg war wiederum das Ergebnis der landesweiten Protestbewegungen, die von der "Bewegung der Empörten" ausgingen und unter anderem im Aufstieg der Partei Podemos mündeten (mittlerweile mit anderen Teilen der Linken zu Unidos-Podemos vereint) und die mit dazu beitrugen, dass sich die PSOE mit dem Sieg für Sánchez nach links orientierte und Unidos-Podemos annäherte. Diese politische Annäherung wird allerdings durchgehend von der neoliberalen Rechten innerhalb der PSOE infrage gestellt. Der natürliche Verbündete der PSOE ist für deren rechte Fraktion vielmehr die rechtsliberale Partei Ciudadanos.
Sektiererische Parteininteressen setzten sich gegen die Bedürfnisse der einfachen Bevölkerung durch
Dass die konservative PP und die rechtsliberale Ciudadanos den Entwurf für den neuen Staatshaushalt ablehnen, stimmt mit deren neoliberaler Ausrichtung überein. Beide rechten Parteien verteidigen die Interessen der faktischen wirtschaftlichen und finanziellen Machteliten, die einen enormen Einfluss auf den spanischen Staat haben. Der massive Zuwachs der Einkünfte aus Kapital sowie der oberen Lohneinkommen einerseits und der große Rückgang der einfachen Arbeitseinkommen andererseits, der während der zurückliegenden Regierungsjahre der neoliberalen Rechten erfolgte, ist der beste Indikator dafür, wem diese Politik dient und nützt. Und aufseiten der katalanischen Separatisten hat die katalanischen Rechte (die bis vor Kurzem im Europaparlament Teil derselben politischen Familie der neoliberalen Parteien war wie Ciudadanos) ebenfalls im Einklang mit ihren eigenen neoliberalen Forderungen gehandelt. In wirtschaftlichen Fragen war sie immer die große Verbündete der PP. Eine der einflussreichsten Figuren der katalanischen Rechten ist die ultraliberale Ökonomin Elsa Artadi, große Unterstützerin von Sala i Marti, dem ultraliberalen Ökonomen in Katalonien schlechthin.
Die große Überraschung in dieser Allianz aus PP, Ciudadanos, PDeCAT und ERC ist die Haltung von ERC, einer Partei der linken Mitte. Sie hatte während ihrer Beteiligung an der Dreiparteienregierung in Katalonien unter den Sozialisten Pasqual Maragall und José Montilla (den sozial fortschrittlichsten Regierungen in Katalonien in der bisherigen Zeit der spanischen Demokratie seit 1978) eine beachtliche Arbeit im sozialen Bereich geleistet. Diese Überraschung relativiert sich jedoch, denn unter der Führung von Orial Junqueras hat ERC immer die nationale Frage vor jegliches andere Thema und damit auch vor die soziale Frage gestellt (Gleiches ist in der anderen separatistischen Partei CUP geschehen). Das vordringliche Thema war das Erreichen der "Unabhängigkeit express", auch zu dem Preis, sich dafür mit der konservativen Partei Convergència zu verbünden, die innerhalb des aktuellen Separatismus die dominierende und bestimmende Kraft ist. Denn Convergència verfügt infolge ihrer langen Regierungszeit über eine missbräuchliche Kontrolle des ganzen Staatsapparates der Generalitat de Catalunya, der katalanischen Autonomieregierung und -verwaltung (auch über den Medienapparat wie TV3 und Catalunya Ràdio, der für die politische Sache eingespannt wurde). Zudem zeichnet sie sich durch eine massive Feindseligkeit gegenüber der politischen Linken aus, speziell gegenüber den Podemos nahestehenden Formationen (wie Podem Catalunya, EnComúPodem, ICV, EUiA und anderen). Die "großen Verteidiger der Demokratie", die gegenwärtig im Gerichtsverfahren um den "Prozess der katalanischen Unabhängigkeit" erscheinen, haben sich selbst autoritär, manipulativ und nach Gutsherrenart sowie auf schädliche und beleidigende Weise antidemokratisch in Bezug auf die Medien verhalten, die sie kontrollieren.
Der Schaden durch die gemeinsame Ablehnung des Haushaltsentwurfes
Die Kritik der nicht-separatistischen katalanischen Linken an PDeCAT und ERC für deren Ablehnung des Haushaltsentwurfes konzentriert sich auf den enormen Schaden, den diese Ablehnung in den Bereichen der öffentlichen Investitionen und Ausgaben für Katalonien anrichtet. Auch wenn diese Kritik zutrifft, so ist sie zugleich unvollständig. Denn den größten Schaden richtet diese Ablehnung in den Bereichen Arbeits- und Sozialrecht für die ärmsten und bedürftigsten Teile der Bevölkerung in Spanien und Katalonien an: die einfache Arbeiterschaft, die Alten und Kinder, die Frauen der einfachen Bevölkerung – in Katalonien genau die Teile der Bevölkerung, die am wenigsten separatistisch sind. Die Wählerschaft in Regionen und Stadtvierteln Kataloniens mit einer mehrheitlichen Bevölkerung der unteren Einkommenshälfte stimmt nicht vornehmlich für separatistische Parteien, während diese für die Wählerschaft in Zonen der oberen Einkommenshälte die bevorzugte Option sind.
Ein weiterer großer Fehler der Separatisten – in ihrer Ablehnung des Haushaltsentwurfs – war es, sich in dieser Praxis mit der spanischen Rechten zu verbinden, die durchsetzt von dem Geist und der Kultur des Franquismus ist, und dabei die Allianz zu zerstören, die die Ablösung der PP-Regierung von Mariano Rajoy durchsetzen konnte. Eine Allianz, die nicht nur wesentlich dafür ist, die desaströse neoliberale Politik umzukehren, sondern auch dafür, in der Lösung der nationalen Frage voranzukommen, mit einer Anerkennung der nationalen Vielfalt Spaniens, die bis heute äußerst limitiert ist. Doch nicht nur das. Es wird keine Änderungen in Katalonien geben, ohne dass deren fortschrittliche Kräfte und die spanische Linke zusammenarbeiten, mit ihrer Fähigkeit, die einfache Bevölkerung in den verschiedenen Regionen und Nationen Spaniens zu mobilisieren. Ihre Ablehnung eines politischen Projekts (des Haushaltsentwurfes), das von der großen Mehrheit in Spanien, einschließlich der rechten Wählerschaft, befürwortet wurde (55 Prozent der Spanier hatten den Haushaltsentwurf unterstützt, davon 46 Prozent der Wählerschaft von Ciudadanos und 33 Prozent der Wählerschaft der PP), ist ein maßgebliches Hindernis dafür, dass diese Teile der Bevölkerung die Separatisten als Verbündete für den Kampf um eine Änderung des spanischen Staates ansehen können.
Gegenwärtig hat der "Prozess der katalanischen Unabhängigkeit" durch die linken Separatisten einen enormen Schaden nicht nur für ihr eigenes politisches Projekt angerichtet, sondern auch für die Lebensqualität der einfachen Bevölkerung in Katalonien und im restlichen Spanien. Wie auch immer man es betrachtet, die Lebensqualität und der Wohlstand der Mehrheit der breiten Masse der Bevölkerung sind heute bedeutend schlechter als vor zehn Jahren. Katalonien und Spanien durchleben eine massive soziale Krise, die dazu führt, dass die junge Generation nicht besser leben wird als ihre Eltern. Grund dafür ist die enorme Macht der konservativen Kräfte über den gesamten Staatsapparat, einschließlich der Generalitat de Catalunya, und ihrer Allianz bei der Durchsetzung der neoliberalen Politik – all dies verdeckt durch die große nationale Frage und Debatte.
Vicenç Navarro ist Professor (emeritus) für Sozial- und Politikwissenschaft der Universität Pompeu Fabra in Barcelona.
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Weiterführende Informationen
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- Joan Garcés – Entrevista sobre soberanía e intervención – ejemplo Chile e España
- Las cloacas de Interior – Documental
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- 40 Jahre nach dem Ende der Franco-Diktatur: "Der Tote packt den Lebenden" – Teil 1 / Teil 2 / Teil 3
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