Meinung

Auf Kuschelkurs mit der EU: Linkspartei revidiert Kritik am Staatenbündnis

Eigentlich wäre aus linker Sicht viel an der EU zu kritisieren – und zwar grundsätzlich. Doch die Linkspartei hat beschlossen, den Entwurf für das EU-Wahlprogramm, der als zu EU-kritisch galt, zu entschärfen. Ein erneuter Sieg des rechten Flügels.
Auf Kuschelkurs mit der EU: Linkspartei revidiert Kritik am StaatenbündnisQuelle: www.globallookpress.com © dpa/Jens Kalaene

von Hasan Posdnjakow

Der ursprüngliche Entwurf kritisierte die vertraglichen Grundlagen, auf denen die EU aufgebaut ist, als "militaristisch, neoliberal und undemokratisch". Wie die taz berichtete, beschloss der Parteivorstand der Linken am Wochenende, diese Passage zu streichen und durch einen weitaus schwammigeren Text zu ersetzen. Dies bestätigte später der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch in der ARD. Das Gremium entschied sich zu diesem Schritt mit nur zwei Gegenstimmen. 

Am kommenden Wochenende findet der Parteitag statt, auf dem das EU-Wahlprogramm sowie die Kandidatenliste beschlossen werden sollen. Führende Vertreter des rechten Flügels trommeln bereits für ein noch viel eindeutigeres "Ja" zur EU. In einem Thesenpapier, das im Dezember letzten Jahres erschien, spricht sich die rechte Parteiströmung "Forum Demokratischer Sozialismus" für eine "Republik europäischer Regionen" aus und stellt die These auf: "Die Europäische Union ist reformierbar und kein Auslaufmodell." Zudem plädieren die Parteirechten für eine "europäische Regierung".

Am Montag präsentierte Gregor Gysi mit weiteren Gesinnungsgenossen ein achtseitiges Papier mit dem Titel: "Ja: Wir sind Europäerinnen und Europäer". Auf der Pressekonferenz betonte Gysi, wie die Märkische Allgemeine Zeitung berichtete, dass er trotz einzelner Kritikpunkte grundsätzlich für die Europäische Union sei.

Der Berliner Linken-Politiker Klaus Lederer ergänzte, dass sich die Linkspartei entscheiden müsse, "ob sie mitmacht oder am Rand steht und zuschaut". Gegenüber der ARD fand Bartsch eine noch deutlichere Sprache:

Wir als Linke sind selbstverständlich eine Partei, die an die Tradition des Friedensprojekts Europa, an das große kulturelle Projekt anknüpfen will." 

Die Linkspartei-Führung scheint in dem Wahn zu leben, ein Problem hört auf zu existieren, wenn man es nicht mehr oder anders benennt. Doch die Realität ist, dass die EU von Anfang an kein "großes kulturelles Projekt" (!) oder gar ein "Friedensprojekt" (!!!) war, sondern als Bündnis europäischer Staaten gegründet wurde - im Kern die alten Großmächte -, und zwar gegen gegen die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Staaten. In ihren Verträgen sind die kapitalistische Marktwirtschaft und ein antidemokratischer Bürokratismus tief verankert. Um das zu ändern, bräuchte es das einstimmige Einverständnis aller Mitgliedsstaaten – illusorisch!

Sollte es in einem der EU-Länder zu einer breiten Volksbewegung kommen, die eine Alternative anstrebt zu der aggressiven Außenpolitik und antisozialen Agenda der herrschenden Parteien in der EU, dann würden die anderen Staaten gerade aufgrund dieser Verträge in diesem Staat intervenieren. Was sich tatsächlich hinter dem "Friedensprojekt" Europa verbirgt, durften die Jugoslawen bei der gewaltsamen Zersplitterung ihres Staates, die Ukrainer bei der Installierung der faschistischen Maidan-Junta und die Griechen bei der Zerstörung ihrer wirtschaftlichen Zukunft erfahren. Folglich hält sich die Begeisterung für die EU-Politik an den geographischen und sozialen Randgebieten der EU-Gesellschaften in engen Grenzen. 

Jetzt wäre der Augenblick, eine breite gesellschaftliche Offensive zu starten gegen die antisoziale Politik, die die Nationalstaaten (vor allem Deutschland) mittels der EU durchsetzen. Jetzt könnte die Linkspartei endlich das lange Umfragetief überwinden. Doch sie überlässt das Feld der EU-Kritik lieber der rechten AfD, die unter dem Deckmantel von Kritik an der Brüsseler Bürokratie die EU nur noch radikaler als Instrument der europäischen (vor allem deutschen) Großkonzerne etablieren will. Somit besiegelt sie vielleicht endgültig ihren Übergang in das Lager der für das Establishment ungefährlichen "Kulturlinken". Das Resultat einer derartigen Transformation sieht man am Beispiel des politischen Werdegangs von Joschka Fischer.

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