Meinung

Deutschland unter massivem Druck der USA

Der alte Kampf um Deutschland ist wieder voll entbrannt. Für die einen ist Berlin zu mächtig, für die anderen noch zu schwach, aber alle betrachten die deutsche Politik mit Sorge. Die USA versuchen deshalb, deutsche "Alleingänge" zu unterbinden.
Deutschland unter massivem Druck der USAQuelle: AFP © Bernd von Jutrczenka

von Zlatko Percinic

Obwohl sich Deutschland unter Bundeskanzlerin Angela Merkel sehr loyal gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika gezeigt hat und in vielen Dingen gegen die eigenen Interessen gehandelt hat – zu nennen wären da beispielsweise der NSA-Abhörskandal, die immer wieder verlängerte Afghanistan-Mission, das Sanktionsregime gegen Russland, das auf Druck Washingtons unrechtmäßige Einfrieren von iranischem Guthaben etc. –, gibt es doch gelegentlich auch Bereiche, in denen Berlin andere Wege geht. Dazu gehört ganz sicher die eigenmächtige Entscheidung Angela Merkels, sämtliche EU-Konventionen zu missachten und durch die Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge und Migranten im Jahr 2015 viele Länder ins Chaos zu stürzen.

Dazu gehört aber auch die Entscheidung der Bundesregierung, am mühsam ausgehandelten Atomabkommen mit dem Iran festzuhalten, obwohl die Regierung von US-Präsident Donald Trump unmissverständlich klargemacht hatte, dass die Vertragspartner des Abkommens zwischen Amerika und dem Iran wählen müssten. Das ohne Konsequenzen gebliebene Einmischen des US-Botschafters in Berlin, Richard Grenell, in die deutsche Wirtschaft ist dabei nur Ausdruck und Symptom der hegemonialen Machtpolitik der Vereinigten Staaten.

Washington ist es auch, das dem Rest der Welt zu diktieren versucht, aus welchem Land man Erdöl importieren darf und aus welchem eben nicht. Der Iran gehört seit dem 4. November 2018 zu den Ländern, aus denen man zumindest nach US-Lesart kein Öl beziehen darf. Geschäfte machen eigentlich auch nicht, und schon gar nicht den Versuch unternehmen, eine eigene Clearinggesellschaft zu gründen, um die bisher auf Europa beschränkten Geschäfte mit dem Iran abzuwickeln. "Das ist Missachtung der US-Politik", empörte sich US-Botschafter Grenell über die Gründung von INSTEX, einer eigens für die Einhaltung und Umsetzung der vereinbarten Punkte des Atomabkommens mit dem Iran gegründeten Zweckgesellschaft. 

Aber auch der von der Bundesregierung unterstützte Bau der Ostseepipeline Nord Stream 2, die dringend benötigtes und vor allem günstiges Gas aus Russland nach Europa bringen soll, wird von Grenell und seiner Regierung in Washington scharf angegriffen. Unverhohlen drohte der US-Botschafter mit Sanktionen gegen deutsche Unternehmen und schrieb Mitte Januar sogar Drohbriefe an die beteiligten Konzernchefs, um sie so zur Aufgabe des Projektes zu zwingen. Beim Irangeschäft hatte es ja schließlich auch geklappt, was Grenell immer wieder stolz auf seinem Twitter-Konto verkündete.

Dann ist da noch die Sache mit der NATO. Donald Trump forderte seit seinem Amtsantritt eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben der europäischen NATO-Mitglieder beziehungsweise die Einhaltung der Marke von zwei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandprodukt. Bei Deutschland, dem wirtschaftlich stärksten Land in Europa, kommen da einige Milliarden zusammen, die das Verteidigungsministerium jährlich ausgeben müsste, um Trump zufriedenzustellen. Das Poltern des US-Präsidenten hat seine Wirkung zumindest nicht verfehlt, fast alle Länder haben ihre Ausgaben erhöht. 

Lediglich Deutschland hatte 2018 diese anvisierte Zweiprozentmarke nicht erreicht. Berlin hatte erst kürzlich angekündigt, dass man 1,5 Prozent ausgeben werde, aber das konnte die erregten Gemüter nicht besänftigen. Diese Zusagen "genügen nicht", beschwerte sich Richard Grenell am 10. Februar in einem Interview mit der Welt am Sonntag. Halbherzig versuchte er den Anschein zu erwecken, dass Deutschland nicht den USA, sondern dem "besten Verteidigungsbündnis der Welt", der NATO, die Zusage gemacht hatte: 

Amerika erinnert seinen großartigen Bündnispartner Deutschland lediglich daran, dass dies keine Zeiten sind, um die NATO zu schwächen oder auszuhöhlen. Russland steht vor unserer Haustür, jedem sollte klar sein, dass die NATO jetzt gestärkt werden muss. Die Deutschen haben einen Hebel gegenüber Russland. Stellen Sie sich vor, die Bundeskanzlerin würde aufstehen und sagen: So wie sich die Russen benehmen, wegen all dieser bösartigen Aktivitäten und der sich häufenden Vergehen, können wir ihnen nicht mehr Einfluss einräumen, indem wir ihr Gas kaufen.

Und weil "Russland vor unserer Haustür" steht – gemeint ist wohl die NATO-Osterweiterung bis an die Grenzen Russlands – und die Russen mit ihren "bösartigen Aktivitäten" eine Gefahr darstellen, eröffnet sich das nächste Problem für Deutschland. Bisher ist es NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der dieses Problem anspricht. Gibt es aber auch da nicht bald eine den USA genehme eindeutige Erklärung der Bundesregierung, wird es wahrscheinlich nicht lange dauern, bis auch Washington in dieser Frage Druck auf Berlin ausüben wird. 

Die Rede ist von US-Atombomben in Europa und dabei insbesondere von jenen in Deutschland. Stoltenberg drängt die NATO-Länder nach dem US-Ausstieg aus dem INF-Vertrag, "Teil dieser nuklearen Teilhabe zu sein". Und das schließe Deutschland mit ein, sagte der NATO-Generalsekretär. Das Problem für Deutschland ist nun nicht nur die Frage, wie man mit einer eventuellen Stationierung von mehr Atombomben und mit nuklearen Gefechtsköpfen bestückbaren Mittelstreckenraketen umgehen möchte, sondern auch, mit welchen Bombern die deutsche Luftwaffe ihrer Verpflichtung als "Nuclear-Sharing"-Macht nachkommen wird.

Bis jetzt sieht das Notfallszenario der USA beziehungsweise der NATO vor, dass Deutschland zusammen mit Belgien, den Niederlanden und Italien Angriffsmissionen mit eigenen Bombern fliegt und dabei die US-Atombomben zum Einsatz kommen. Mit der geplanten Ausmusterung der deutschen Tornados ab 2025 und der gleichzeitigen Absage an das F-35-Programm der US-Amerikaner fehlen der Luftwaffe die Mittel für solch einen Einsatz. Noch ist unklar, für welche Alternative sich Berlin entscheiden wird. Eigentlich hätte es der Eurofighter sein sollen, der allerdings (wie auch der F-35) mit erheblichen Problemen zu kämpfen hat.

Eine Ausweichmöglichkeit wäre der Kauf von den erprobten, aber bereits in die Jahre gekommenen F-18 von Boeing, was aber der Logik und dem Wunsch der Harmonisierung der europäischen Rüstungsindustrie und -systeme widersprechen würde. Sollten also bis 2025 die Probleme mit dem Eurofighter nicht gelöst sein, wird der Druck auf Berlin auch in diesem Bereich zunehmen, zumal sich auch die anderen "Nuclear-Sharing"-Partner für das F-35-Programm der USA entschieden haben.

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