Meinung

Die Saudi-Mafia und der goldene Westen

Es ist nicht immer leicht, im Irrgarten der "westlichen Werte" gleich die Wegweiser zum Wohle von Machterhalt und Freiheit des Wirtschaftens nach Belieben zu finden. Und dann auch noch zu erklären. Der Fall um den ermordeten Journalisten Khashoggi zeugt davon.
Die Saudi-Mafia und der goldene Westen Quelle: Reuters © Reuters

von Flo Osrainik

Der Fall um den im saudischen Konsulat in Istanbul getöteten und zuvor vermutlich auch noch gefolterten saudischen Journalisten Jamal Khashoggi (oder auch Dschamal Chaschukdschi) sollte nun auch dem letzten Hinterbänkler hierzulande klarmachen, was für ein Haufen von Kriminellen der monarchistische Clan der Saud ist. Feines Tuch hin, feines Tuch her.

Und wer die doppelten Standards der so gern von "unseren Werten" schwafelnden westlichen Politiker und Meinungsmacher nicht schon längst durchschaut hat, kann das ja jetzt am Beispiel Khashoggi nochmals lang und breit nachholen. Erinnert sei nur an wenige herausragende Beispiele: an den Umgang mit den saudischen Terrorfinanziers nach 9/11 oder etwa jüngst erst nach der Entführung des libanesischen Premiers Saad Hariri. Oder zahllose andere Beispiele, wie die Inhaftierung von Frauenrechtlerinnen und Aktivistinnen mit drohender Todesstrafe, die Entführung und Erpressung konkurrierender Feudalherren im eigenen Machtbereich und in der Nachbarschaft oder an den völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Jemen, inklusive Bombardierung von Zivilisten, darunter Kinder in Schulbussen, vorbildlich aufgelistet von den NachDenkSeiten – nicht etwa in den Leitmedien.

Man könnte aber auch einfach nur dem Sprecher der Bundesregierung Steffen Seibert bei einer seiner selbstgefälligen, nicht selten ins Nirgendwo führenden Verbalorgien zu folgen versuchen. Hilfreich und stellvertretend sind dabei aber auch die Aussagen von zwei anderen, ganz besonders privilegierten Zeitgenossen.

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Da wäre etwa Donald Trump, seines Zeichens aktuell US-Präsident, stellvertretend für die den Wirtschaftsführern und Oligarchen treu dienende (US-)Politik. Das wurde schon vor der Präsidentschaft Trump von der US-Universität Princeton in einer Studie mit dem Titel "Testing Theories of American Politics: Elites, Interest Groups, and Average Citizens" bescheinigt.

Da er seine Gedanken in der Regel auf der Zunge trägt oder in seine Smartphone-Tastatur hämmert, gab er so auch unumwunden zu, dass er dem militärisch-industriellen Komplex gefälligst keinen finanziellen Schaden zufügen und natürlich auch keine Jobs bei der Herstellung von Kriegsgerät durch einen Stopp von US-Waffenlieferungen in die saudische Wüste riskieren möchte. Was also spricht schon gegen lukrative Angriffskriege und die Befeuerung oder Konstruktion von Vorwänden und Spannungen (siehe etwa die Hetze gegen Venezuela, Russland oder den Iran mit freundlicher Unterstützung systemverwobener Leitmedien)? 

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Und dann gibt es da noch den Herrn Josef "Joe" Kaeser, seines Zeichens Siemens-Chef. Er befindet:

Wenn wir aufhören, mit Ländern zu kommunizieren, in denen Menschen vermisst werden, kann ich auch gleich zu Hause bleiben.

Also vergessen wir zum Wohle von Macht und Profit doch einfach kurz mal alles. Etwa die dabei lästige Moral, die man im politischen Westen nur dann hervorholt, wenn man von "unseren Werten" spricht, die in der Regel - oder vielmehr je nach Lage - besonders für die Anderen zu gelten haben. Die Einhaltung des Völkerrechts zum Beispiel.

Skripals weg, Khashoggi weg

Aber zurück zum Fall Skripal. Pardon: zu Khashoggi natürlich, dem saudischen Ex-Regime-Mitarbeiter, der - wenn man türkischen Berichten glauben darf - zersägt wurde – vermutlich auf Geheiß des Stabilitätsankers der Region Mohammed bin Salman, mit dem netten Kürzel MBS als saudischer Clanjüngling und Kronprinz heute schon ein Medienstar, der auch mit dem Schwiegersohn von Trump herumturtelt.

Wenn es also stimmt, was die türkischen Behörden über ihre Medien so durchstechen lassen, dann dürfte es nicht so leicht sein, den Leichnam von Khashoggi zu finden, der sich bei einer Schlägerei mit vermutlich 15 MBS-Untertanen offenbar leicht überschätzt hat. Zumindest wenn man an die Darstellung Riads glaubt, Khashoggi sei unglücklichereise bei einem Faustkampf ums Leben gekommen. Hauptsache Herr Trump glaubt das Märchen aus Tausendundeiner Nacht, während Seibert und Kollegen es vorziehen, noch ein klein bisschen länger den Fall Skripal auszusitzen, bevor dann wieder nur heiße Luft verkündet wird. Die Skripals scheinen ja übrigens ebenfalls wie vom Erdboden verschwunden zu sein.

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Wer die skrupellose, rein von gewissen Interessen geleitete Heuchelei des Westens – die umfängliche Ausbildung und Belieferung saudischer Staatsterroristen, egal ob mit oder ohne Uniform – nun noch immer nicht zu erkennen vermag, hat entweder seinen Verstand ausgeschaltet oder keinen blassen Schimmer von der Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg – und ganz besonders keine Ahnung von den Freiheiten der Wirtschaft.

Was die Rädelsführer im Westen nicht bisher so alles an niederträchtigen Verbrechen – von Lateinamerika bis nach Abu Ghuraib und zurück – haben aushecken und von diversen Söldnern oder Spezialkommandos durchführen lassen. Warum nun plötzlich ein toter saudischer Journalist schwerer wiegt als Tausende tote Jemeniten, Palästinenser, Iraker, Syrer, Afghanen oder andere Menschen aus muslimischen Ländern, wissen aber vielleicht auch nur die Waffenhersteller, die Ölfabrikanten, die Donalds und die Joes aus dem wilden Wertewesten. Aber hey, immerhin hat doch MBS den Frauen schon das Autofahren erlaubt! Auch wenn die Köpfe anderer Frauen womöglich dafür rollen müssen.

Angesichts dieses Schauspiels drängen sich die Worte von Max Liebermann auf, als dieser im Schein des Fackelzuges anlässlich der Machtübernahme von Adolf Hitler am Pariser Platz in Berlin sagte: "Ich kann nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte." 

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