Stationieren die USA nukleare Mittelstreckenraketen in Rumänien? (Teil 2)

Die auf einer rumänischen Basis stationierten US-Raketen destabilisieren das nukleare Gleichgewicht in Europa. Das angeblich nur auf Verteidigung ausgerichtete Raketenabwehrsystem ist nämlich integraler Bestandteil des Strebens der USA nach strategischer Vorherrschaft.
Stationieren die USA nukleare Mittelstreckenraketen in Rumänien? (Teil 2) Quelle: Reuters © Reuters

von Rainer Rupp

Die Erwähnung der Existenz US-amerikanischer "ballistischer Raketen" auf der südrumänischen Basis Deveselu durch den Verteidigungsminister des Landes, Mihai Fifor, am Freitag letzter Woche legt den Verdacht nahe, dass Washington den INF-Abrüstungsvertrag mit Russland über atomare Mittelstreckenwaffen mit Reichweiten untergräbt und Europa mit Macht in einen neuen Kalten Krieg führt.

Als am 13. Mai 2016 der US-Kriegspräsident Obama in Washington die Regierungschefs von Schweden, Dänemark, Finnland, Island und Norwegen empfing, verurteilte er in aller Schärfe "die wachsende Präsenz und aggressive militärische Haltung Russlands in der Ostsee und im Nordmeer". Zugleich bekräftigt er die US-Verpflichtung zur "kollektiven Verteidigung Europas". Diese Verpflichtung hatten die USA tags zuvor mit handfesten Fakten unterstrichen, als sie im rumänischen Deveselu die Air Base einweihten, auf der das neue US-Raketensystem "Aegis Ashore" von Lockheed-Martin installiert ist.

Nach offiziellen US- und NATO-Angaben dient Deveselu nur der "Abwehr eines möglichen ballistischen Raketenangriffs des Iran oder Nordkoreas" und ist auf keinen Fall gegen Russland gerichtet. Als ein deutscher Journalist in einem Interview Präsident Wladimir Putin diese Erklärung für diese gefährliche Aufrüstung vor den Toren Russlands anbot, brach der russische Präsident in lautes Lachen aus. Dennoch wurde bei der Einweihung in Deveselu die neue Raketenbasis den Vereinigten Staaten vom rumänischen Ministerpräsident Dacian Cioloș als Anlage gefeiert, die "die europäischen Verbündeten gegen ballistische Raketen von außerhalb des euro-atlantischen Raums" verteidigen könne.

Mehr zum Thema - Putin: US-Rückzug aus ABM-Vertrag hat neuen Rüstungswettlauf ausgelöst

Der ebenfalls zur Einweihung in Deveselu herbeigeeilte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg kündigte gemeinsam mit dem stellvertretenden US-Kriegsminister Robert Work den Beginn der Arbeiten für eine weitere "Aegis Ashore"-Basis in Polen an. Die beiden landgestützten Raketenbasen mit Aegis-System sollen dann die vier seegestützten Aegis-Systeme ergänzen, die bereits auf vier US-Lenkwaffen-Zerstörern und -Kreuzern permanent im Mittelmeer, im Schwarzen Meer und in der Ostsee operieren und von einem leistungsstarken Aegis-Radar in der Türkei und einer US-Kommandozentrale in Deutschland unterstützt werden.

Auch versicherte der Generalsekretär der Nordatlantischen Terrororganisation NATO ganz ungeniert, dass "die neue Raketenbasis in Rumänien, ebenso wie die in Polen, nicht gegen Russland gerichtet" seien. Dazu seien sie technisch "gar nicht fähig", denn sie lägen geographisch "zu nahe an Russland, um russische ICBMs (interkontinentale ballistische Raketen) abzufangen". Die Tatsache, dass es für die USA besonders verlockend sein dürfte, russische ICBMs bereits in ihrer Startphase auf dem Weg in die Stratosphäre zu zerstören, eine Phase, in der sie besonders verletzlich sind, erwähnte der NATO-Obere nicht.

Wie nicht anders zu erwarten, blieb Stoltenberg denn auch Erklärungen oder technische Details schuldig, weshalb es z.B. den in Deveselu als Teil des Aegis-Systems stationierten SM-2- oder SM-3-Raketenabfangraketen nicht möglich sein sollte, russische ICBMs abzuschießen, die als Antwort auf einen US-Erstschlag abgefeuert würden. Vielmehr versuchte Stoltenberg, sich dem Volk gegenüber als gediegenen Staatsmann darzustellen, nach dem Motto: "Vertraut uns. Wir von der NATO lügen nie!" Darauf fallen zum Glück immer weniger Leute herein, und erst recht nicht mehr die "gebrannten" Russen, die zudem nicht weniger technisch versiert sind als ihre westlichen Gegenspieler.

Vor diesem Hintergrund stellen sich zwei wichtige Fragen:

a) Wenn – wie Stoltenberg behauptet – die US-Raketenbasis in Deveselu keine russischen ICBMs abschießen kann und der Iran – wie selbst von US-Geheimdiensten bestätigt – weit davon entfernt ist, solche Raketen und nukleare Sprengköpfe zu besitzen, welchem Zweck soll dann diese ganze US-Raketenaufrüstung in Osteuropa dienen, die vor allem von den hysterischen Hetzern gegen Russland begrüßt wird?

b) Oder versteckt sind hinter den angeblich nur auf Verteidigung ausgelegten US-Aegis-Systemen in Osteuropa – unter Verstoß gegen den INF Abrüstungsvertrag – ein offensives US-Raketensystem, das integraler Teil der US-Pläne für einen nuklearen Enthauptungsschlag gegen Russland ist?

Mehr zum Thema - Atomwaffen gegen Cyberangriffe? Pentagon präsentiert neue Nukleardoktrin

Wer solche Pläne bezweifelt oder "Verschwörungstheorie" ruft, der sollte sich die todernst zu nehmende Diskussion zu diesem Thema in US-Fach- und Militärkreisen ansehen. Als Beispiel sei hier auf eine Studie in der Frühlingsausgabe 2013 des "Strategic Studies Quarterly" der "Air University", der Universität der US-Luftwaffe verwiesen. Darin zeichnen die beiden Autoren, die Professoren Keir A. Leiber und Daryl G. Press, die Entwicklung der US-Atomkriegsstrategie unter der Präsidentschaft von Obama nach und stellen fest, dass unter seiner Ägide das US-Militär von Anfang an konsequent die Kapazität eines Erstschlags gegen Russland und China anstrebte, bei dem ein massiver, nuklearen Gegenschlag nicht mehr befürchten werden müsste.

(Teil 1 können Sie hier nachlesen.)

RT Deutsch bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.