Joschka Fischer im Spiegel-Interview - Fragen, die man eigentlich stellen sollte
Joschka Fischer darf im neuesten Spiegel-Interview ungehindert vor dem Untergang des Westens warnen und Aufrüstung fordern. Wir haben einige Fragen eingestreut, welche die Reporter vom Spiegel hätten stellen können, es aber leider nicht getan haben.
Quelle: www.globallookpress.com
Wer möchte dem ehemaligen Sponti und Außenminister nicht einmal Fragen stellen?
von Hans-Wilhelm Goetz
Im Interview dürfen Sie als der berühmteste Steinwerfer Deutschlands Werbung für ihr neues Buch "Der Abstieg des Westens" machen. Der Geist des Buchs legt sich demnach wie eine Grabplatte über ihre Kommentare zur augenblicklichen Weltlage.
Die Journalisten des Spiegel kommen zuerst auf den Iran zu sprechen, damit Sie sich warmschimpfen können über Trump und Bolton, die den Iran bombardieren wollen. Obwohl dieser auch ein bischen Schuld hat, da er zu seinem eigenen Schutz auf die Urananreicherung verzichten könnte. Der Spiegel vergisst auch nicht, Sie an an ihr Nein zum Irakkrieg 2003 zu erinnern:
SPIEGEL: Sie sagten zu den Amerikanern damals, vor der Irakinvasion: "I am not convinced." Erinnert Sie die jetzige Krise des transatlantischen Verhältnisses an 2003?
Sie haben gleich Betriebstemperatur erreicht und warnen vor fatalen Konsequenzen für die Region und vor der Gefahr eines Irans mit Atomwaffen. Man geht schnell zur Krise des transatlantischen Bündnisses über, bevor unangenehme Fragen gestellt werden könnten, die Sie vieleicht nicht so gerne beantworten möchten. War es nicht so, dass es neben dem offiziellen Nein der Bundesregierung natürlich eine Beteiligung Deutschlands am Irakkrieg gab? Hat Deutschland den USA nicht Überflugs- und Nutzungsrechte zugestanden? Waren deutschen Soldaten nicht in AWACS-Aufklärern entlang der irakischen Grenze unterwegs? Hat der BND nicht Zieldaten in Bagdad an das US-Militär übermittelt? Diese Fragen lassen wir doch besser unter den Teppich fallen, Herr Fischer.
Kurz danach entpuppen Sie sich dann doch als Transatlantiker:
Die amerikanische Weltordnung wird bewusst vom amerikanischen Präsidenten zerstört. Ich war daran gewöhnt, dass die Nato vom linken Flügel der Grünen angegriffen wird, aber doch nicht vom amerikanischen Präsidenten!
Hegen Sie hier echte Trauer für eine gute Weltordnung, die den Ländern Frieden und Wohstand gebracht hat? Objektiv kann dies kaum zu rechtfertigen sein, muss die USA ihre Pax Americana doch mit einer immensen Zahl an Militärbasen sichern. Über 2.000 Stützpunkte in über 100 Ländern sichern einen Frieden, der manchmal auch mit Interventionen gesichert werden muss. Konservative Schätzungen gehen von 6 Millionen Opfern US-amerikanisch verantworteter Kriege aus. Ist da Trauer angebracht?
Dabei sind Sie nicht der neutrale Beobachter, der sie sein wollen. Sind sie nicht unter anderem Gründungsmitglied und Vorstand des "European Council on Foreign Relations", das von dem Milliardär und Mäzen George Soros finanziert wird?
Beraten Sie nicht mit ihrer Firma Joschka Fischer & Company große Unternehmen im Hinblick auf Gewinnaussichten und Marktchancen?
Welche Konsequenzen hat der Abschied der USA als Ordnungsmacht?
Der Westen war der transatlantische Raum, die Gründerväter waren Großbritannien und die USA. Der Westen kann ohne sie nicht überstehen, schon gar nicht mit einem schwachen, gespaltenen Europa.
Sie beschwören eine Katastrophe, ohne konkret werden zu wollen. Die Frage, welche die Interviewer hier stellen sollten, ist doch: Was wird der Westen, was die Europäer nicht überstehen? Eine multilaterale Ordnung, die frei ist von Blockdenken? Oder ist der Westen die einzige Kraft auf der Welt, der Sie rationales Handeln zutrauen? Sind alle Nicht-Westler also per se schlecht? Kann nur der Westen die Welt retten?
Leider werden diese spannenden Fragen nicht vertieft. Sie dürfen an der Oberfläche zügig zum nächsten Thema weiterschwimmen: Die Rolle Deutschlands in der Welt.
Einerseits müssten die Deutschen einsehen, dass sie Weltpolitik nicht können, "das hat uns als Nation fast völlig verbrannt, machtpolitisch und moralisch."
Andererseits aber soll Deutschland sich schon engagieren: "Deutschland und Frankreich spielen in der EU die entscheidende Rolle, ohne Deutschland geht es nicht. Wenn wir meinen, wir müssten uns weiter im Windschatten der Weltgeschichte aufhalten, werden die Europäer nicht handlungsfähig."
Aha, also Weltpolitik nein, aber unter dem Deckmantel der EU dann doch. Und wie? Mit Geld natürlich: Abschied von der schwarzen Null und mehr Geld in die EU. Und wohin?
In alle Bereiche. Vor allem politisch. Sicher, Deutschland hat seine Interessen, wir werden keine Blankoschecks schreiben. Aber dieses "Die wollen nur unser Geld", das ist eine Selbstblockade.
Verstehe, Herr Fischer. Geld für Gegenleistung. War es nicht das, was Schäuble den Griechen angeboten hat? Sehr beliebt hat Deutschland sich damit ja nicht gemacht.
Weiter zur Verteidigung. Man muss sich an dieser Stelle in Erinnerung rufen, dass Sie ein Mitglied der Partei Bündnis 90/Die Grünen sind.
Seit Jahren investieren wir zu wenig in unsere Sicherheit. Was lese ich neulich innerhalb einer Woche? Bundeswehrpiloten verlieren ihre Lizenz, weil sie wegen Hubschraubermängeln nicht genug Flugstunden absolvieren können. U-Boote können nicht auslaufen, weil Ersatzteile fehlen. Wir haben nur vier kampffähige Eurofighter. Was für ein Armutszeugnis! Wenn Sie mich fragen, ob wir uns selbst verteidigen können, dann ist die klare Antwort: nein.
Was macht man aber, wenn die Deutschen gar keine Aufrütung wollen? Auf diese Frage kommen sogar die Spiegel-Reporter:
SPIEGEL: Die Deutschen wollen mehrheitlich nicht mehr Geld für Rüstung ausgeben.
Fischer: Das ist ein Problem, aber wir müssen es tun. Wir müssen ein Minimum an Verteidigungsfähigkeit haben, sonst leidet Europa.
Ohne weiter darauf einzugehen, dass der Wille der deutschen Bevölkerung für Sie keine Rolle spielt: Vor wem sollen wir uns verteidigen? Wo droht die Gefahr am Horizont? Zwar wird seit geraumer Zeit vor Russland als dauerhafter Bedrohung Europas getrommelt. Aber wie realistisch ist diese Einschätzung?
Und welches Europa leidet unter einer Abrüstung? Das Europa der Waffenindustrie? Leidet ein Europa, das mehr Geld in andere Bereiche als Verteidigung investieren kann?
Natürlich nur, wenn es um das böse Russland geht:
Dass wir mit Russland ein gutes Verhältnis anstreben sollten: ja. Aber nicht auf den Knien. Das wird in Moskau niemanden beeindrucken.
Anders gefragt: Gilt es denn als gesetzt, dass Russland sofort losschlägt, wenn Deutschland seinen Wehretat kürzt? Und hat nicht Russland kürzlich seine Verteidigungsausgaben selbst gesenkt?
Was könnte Russland denn beeindrucken? Etwa die fortgesetzte Expansion der NATO ins Baltikum und am Schwarzen Meer? Etwa die rotierenden NATO-Truppen an der russischen Grenze? Etwa der Raketenabwehrschild in Polen, der angeblich vor dem Iran schützen soll?
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