Meinung

Empörungswellen und Steilvorlagen - Hajo Seppelt wird Einreise zur WM nach Russland verweigert  

Der deutsche Mainstream tobt. Einer ihrer führenden Experten in Sachen Doping wurde auf eine Liste der in Russland unerwünschten Personen gesetzt. Dem selbsternannten Investigativ-Journalisten Hajo Seppelt wird damit die Teilnahme an der WM-Sause verweigert. Eine Einordnung:
Empörungswellen und Steilvorlagen - Hajo Seppelt wird Einreise zur WM nach Russland verweigert   Quelle: AFP

von Gert-Ewen Ungar

Der Mainstream wird nicht müde, sich in Superlativen zu überbieten, um die angebliche Einmaligkeit des Vorgangs herauszustreichen. Man ist mehr als nur empört. Man ist sehr empört und sieht die Pressefreiheit in Gefahr.

Udo Lielischkies aus dem Moskauer ARD-Studio bemüht gleich ganz große Namen in der Angelegenheit. Putin könnte es noch richten, ist seine Meinung, um gleich nachzuschieben, dass er das wohl nicht tun wird, weil dann Russland sein Gesicht verlöre. Andersrum wird wohl eher ein Schuh draus. Das Ereignis ist zwar für den deutschen Mainstream ein gefundenes Fressen, die Einordnung Lielischkies zeugt jedoch von einer maßlosen Überschätzung der eigenen Bedeutung.

Hier in Russland wirft das Ereignis nämlich weit weniger hohe Wellen. Dem russischen Sport Express war das lediglich die humoristische Überschrift "Seppelt kaputt" Wert. Eine Abwandlung eines der zwei geflügelten Worte, die mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges aus dem Deutschen Eingang in den russischen Sprachgebrauch gefunden haben: Da ist zum Einen “Hände hoch” und zum anderen das frohlockende “Hitler kaputt”. Damit wird auch deutlich, wie man den deutschen “Starjournalisten” hier in Russland wahrnimmt: Keineswegs als neutralen Berichterstatter, sondern als jemanden, der eine Agenda verfolgt und dazu auch zu unlauteren Mitteln greift. Damit unterscheidet sich Russland von der veröffentlichten Meinung in Deutschland.

Diese unterschiedliche Wahrnehmung gibt es allerdings auch in den sozialen Netzwerken. Der deutsche Mainstream, die großen Medienhäuser und die GEZ-finanzierten Öffentlich-Rechtlichen stehen mit ihrer Auslegung des Ereignisses nicht nur diametral zur öffentlichen Meinung in Russland, sondern vielfach auch zur deutschen öffentlichen Meinung, wie sie sich in den sozialen Netzwerken niederschlägt.

Da wird Seppelt keineswegs als unabhängig agierender, investigativer Journalist wahrgenommen. Vielmehr goss sich ein wahres Füllhorn an Häme und Spott über Seppelt aus, während gleichzeitig Verständnis für den Schritt Russlands gezeigt wurde. Der Teil derer, die sich der Meinung des Mainstreams anschließen, ist deutlich in der Minderheit. Der deutsche Mainstream steht da mit seiner Meinung wieder mal recht allein und einsam in der Gegend rum.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Zum Einen ist die Argumentation des Mainstreams verlogen. Da wird von Zensur und Einschränkung der Pressefreiheit geschrieben. Das ist absoluter Blödsinn. Die Pressefreiheit wurde in keiner Weise eingeschränkt. Seppelt kann nach wie vor alles schreiben, was er will. Wenn es den Geschmack der Redaktionen trifft, für die er arbeitet, wird es auch nach wie vor veröffentlicht werden. Im Gegenteil beschert ihm der Entschluss der Russischen Föderation, ihn nicht einreisen zu lassen, fürs Erste eine Menge an Aufmerksamkeit. Man muss sich also keine Sorgen darüber machen, dass Seppelt seine Thesen und Themen nicht platziert bekommt.

Und diese Themen haben es bekanntermaßen in sich. Sie lauten unter anderem, es würde in Russland systematisch ein vom Staat gefördertes und unterstütztes System von Dopingmaßnahmen betrieben. Das ist ein schwerwiegender Vorwurf, der weit über sonstige Dopingvorwürfe an einzelne Sportler hinaus reicht. Der gesamte sportlich-kulturelle Bereich eines Landes steht unter Generalverdacht. Das Problem ist nur, dass die Beweislage schwierig ist und obendrein Seppelts Kronzeuge ihm inzwischen abhanden gekommen ist. An der Integrität McLarens, der im Auftrag der Welt-Anti-Doping-Agentur zwei Berichte zu Staatsdoping in der Russischen Föderation angefertigt hat, bestehen inzwischen erhebliche Zweifel. Zahlreiche russische Sportler wurden inzwischen rehabilitiert. Darüber schweigt sich der deutsche Mainstream beharrlich aus, weshalb er sich erneut den Vorwurf der mangelnden Neutralität aussetzt.

Zudem ist der Vorwurf zwar heftig, die Beweise sind jedoch mager. Sicherlich gibt es auch in Russland Doping. Wie systematisch und staatlich organisiert das ist, steht jedoch auf einem anderen Blatt.

Der Vorwurf scheint eher in einem Vorurteil gegenüber der Funktionsweise des russischen Staates zu wurzeln. Alles ist staatlich gelenkt und kontrolliert, alles was passiert, passiert in staatlichem Auftrag. Da haben welche das Ende des Kalten Krieges verschlafen. Das sich gerade die GEZ-finanzierten Journalisten wieder im Kalte-Krieg-Modus befinden, ist überdeutlich, entfernt sie aber auch von der öffentlichen Meinung.

Für die These, die angeblichen Aufdeckungen Seppelts seien politisch motiviert, spricht auch das Agieren Seppelts selbst, der eben nicht nur recherchierte, sondern sich gleich auch noch zum Staatsanwalt und Richter in Personalunion ernannte. Das ist die andere Seite im sogenannten Doping-Skandal, über die der deutsche Mainstream freilich schweigt, die aber sowohl Seppelt als auch die deutsche Medienlandschaft unglaubwürdig macht.

Seppelt forderte harte Strafen und die geforderte Härte der Strafe begründete er mit der abschreckenden Wirkung, die damit ein für allemal gesetzt würde. Und spätestens dann wird es tatsächlich mehr als nur schwierig.

Es ist eben nicht so, dass Seppelt neutral einen Sachverhalt aufdeckte. Er forderte im gleichen Atemzug mit seinen vermeintlich eindeutigen Entdeckungen auch rigorose Strafmaßnahmen gegen Russland.

Er passt damit in ein Schema der Berichterstattung über Russland, die jede Neutralität und jeden journalistischen Standard aufgegeben hat, sich dafür zum Richter aufschwingt, dem es eben nicht mehr um Beweise und Fakten im aufgeklärten Sinne geht, sondern dem Vermutungen und Indizien für eine Verurteilung ausreichen. Es geht um eine politische Agenda.

Seppelt ist mit dieser Haltung zwar vollkommen im Mainstream angekommen, denn die Berichterstattung über Russland folgt diesem Muster völliger Entgrenzung und Aufhebung aller ethischen Standards mit dem Ziel politischen Druck auszuüben. Aber damit ist er eben auch weniger Journalist als vielmehr politischer Akteur. Er steht damit in einer Reihe mit Rebecca Harms, George Soros und vielen anderen, denen die Einreise nicht wegen ihrer Profession verweigert wird, sondern weil sie aktiv und in absolut unfairer Weise gegen das souveräne Russland mit dem Ziel arbeiten, dort ein anderes politisches System zu etablieren. Der Verdacht, dass Seppelt in diese Reihe passt, ist nicht von der Hand zu weisen. Er hat sich damit allerdings massiv selbst beschädigt. Den investigativen Journalisten nimmt ihm kaum noch einer ab.

Die Furcht davor, der Mainstream würde jetzt in einer Art Rachefeldzug überwiegend negativ über die Fußball-WM berichten, ist unberechtigt. Das hätte er sowieso getan. Man sei an die unglaublich schlechte und einseitige Berichterstattung der Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 erinnert. Da durften alle einreisen, und sie haben alle mit Dreck geworfen. An der Tonlage wird sich also durch die Verweigerung der Einreise nichts ändern. Die hat schon den ganzen Weg des Niveaus nach unten ausgelotet.

Und wer meint, wir würden niemals die Einreise oder Akkreditierung zu großen Events verweigern, weil sie hier bei uns in unerwünschter Weise politisch aktiv werden könnten, der hat einfach ein kurzes Gedächtnis. Wir machen das ständig. Als in der Türkei im vergangen Jahr ein Referendum abgehalten wurde und türkische Politiker in den türkischen Communities für das Referendum werben wollten, wurde ihnen mit vermeintlichen Sicherheitsbedenken die Möglichkeit dazu genommen. Das antizipierte Ergebnis hat uns nicht gepasst. Auch wurde Journalisten ohne Begründung die Akkreditierung für den G20-Gipfel in Hamburg entzogen. Und so weiter und so fort.

Und denjenigen, die meinen, eine Präsenz Seppelts bei der Fußball Weltmeisterschaft sei wichtig, um dort einen großen Dopingskandal im russischen Fußball aufzudecken, sei gesagt, an einen Sieg der russischen Mannschaft glauben nicht einmal eingefleischte russische Fans. Man kennt seine Schwächen. In Russland ist das mit der WM verbundene Thema, den Fußballfans dieser Welt mit harmonischen Spielen ein Geschenk zu bereiten, und nicht mit allen, auch unerlaubten Mitteln einen Sieg zu erschleichen.

So bleibt als Ergebnis festzuhalten: Sturm im Wasserglas. Zwar wurde dem deutschen Mainstream von Russland ganz ungeschickt eine Steilvorlage geboten, allerdings ändert das am generellen Tenor der Berichterstattung ohnehin nichts. Und dass der deutsche Mainstream-Journalismus mit Journalismus nur noch ganz wenig zu tun hat, sondern sich selbst als politischen Akteur versteht, das ist inzwischen allgemein bekannt. Entsprechend kritisch wird er inzwischen auch wahrgenommen.

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