Meinung

Die Ukraine, die Krim und die Frage nach dem Warum - Teil 3

Im dritten Teil des Vierteilers von Zlatko Percinic geht es um die systematische Umsetzung der Ziele der USA und die dafür nötigen Marionetten in Kiew. Der heutige Präsident Petro Poroschenko wurde schon früh als "Insider" und "lieber Freund" bezeichnet.
Die Ukraine, die Krim und die Frage nach dem Warum - Teil 3Quelle: Reuters © Thomas Peter

von Zlatko Percinic

Zu diesem Zweck fingen die Amerikaner an, sich in der Ukraine nach geeignetem "Personal" umzuschauen. Der seit mindestens 2006 für die USA als "Insider" tätige heutige Präsident Petro Poroschenko, den die US-Botschaft in Kiew zwar als "lieben Freund" bezeichnete, während sie aber auch zugeben musste, dass er "mit glaubhaften Korruptionsvorwürfen behaftet" war, galt nichtsdestotrotz als jemand, den es zu hegen und pflegen galt. Er verfügte über erheblichen Einfluss in der ukrainischen Opposition, und man wusste von ihm, dass er ganz im Gegensatz zu Wiktor Janukowytsch die NATO-Mitgliedschaft befürwortete.

Der absolute Shootingstar in der ukrainischen Politik war aber ein anderes, mittlerweile auch bei uns bekanntes Gesicht: Arseni "Jaz" Jazenjuk.

Im Jahr 2008 verfasste die US-Botschaft eine regelrechte Lobeshymne auf Jazenjuk und hob seine Errungenschaften trotz des politisch zarten Alters von nur 34 Jahren heraus. Bis zu diesem Zeitpunkt, im Jahr 2008, war Jazenjuk bereits Wirtschaftsminister, Außenminister und Parlamentssprecher. Im letzten Teil dieses Jazenjuk-Profils wird die rhetorische Frage gestellt, wie er wohl als politische Führungskraft sein würde. Und die Antwort wird gleich mitgeliefert:

Wie beschrieben, ist Jazenjuk ein engagierter, nachdenklicher und pragmatischer Anführer. Unser Eindruck nach Meetings mit dem Sprecher und aus der Zeit, als er Außenminister war, ist, dass er ein ausgesprochen nach vorne blickender junger Politiker ist. Als Ministerpräsident oder Präsident würde er wahrscheinlich reformorientiert sein, während er sich auf seine politischen Beziehungen stützen würde, um Gesetze durchzubringen. Sein wirtschaftlicher Background lässt vermuten, dass er die Außenpolitik von einem wirtschaftlichen Standpunkt angehen würde, aber er hat sich selbst als offen für eine NATO-Kooperation gezeigt, und sein Think Tank demonstriert, dass er über das internationale Image der Ukraine Bescheid weiß. 

Milliardenschwere Finanzspritze nur für NATO-Propaganda

Dieser Think Tank, von dem die Rede, ist die Open Ukraine Foundation, welche, wie schon zu erwarten war, vom US-Außenministerium, der NATO, dem German Marshall Fund of the United States, dem National Endowment for Democracy (wo auch das Who's Who der Neocons tätig ist), Chatham House und der Stiftung seines größten Gönners, des Oligarchen Wiktor Pintschuk, unterstützt wird.

Als 2010 Wiktor Janukowytsch zum Präsidenten gewählt wurde, sahen die USA ihre Investition in die Ukraine bedroht. Victoria Nuland, die uns 2014 bereits mit "Fuck the EU" beehrte und auch zugab, dass ebendieser junge Shootingstar aus der ukrainischen Politik in der Tasche der USA steckte, gab aber auch bekannt, wie viel die US-Regierung in die Ukraine investiert hat: fünf Milliarden US-Dollar.

Dieses Geld wurde zum Teil auch für die Verbreitung der NATO-Propaganda innerhalb der Ukraine ausgegeben, um das Volk endlich auf Linie zu bringen. Im Jahr 2008 wurde Nuland vom ukrainischen Botschafter Sagach informiert, dass die Ukraine eine Million Dollar für diese Propagandazwecke ausgegeben hat. Interessanterweise gab nur drei Monate später Wiktor Juschtschenko, der damalige ukrainische Präsident, bei einem Besuch von NATO-Repräsentanten in Kiew an, dass man zwei Millionen US-Dollar für die Propaganda pro Jahr ausgeben wolle, und das für die nächsten fünf Jahre!  Woher kam dieses Geld, wenn man doch noch drei Monate zuvor nicht mehr als insgesamt eine Million Dollar aufbringen konnte?

Doch in Washington hegte man noch die Hoffnung, dass die Ukraine auch trotz des neugewählten Präsidenten Janukowytsch der Ankündigung des abgewählten Präsidenten Juschtschenko treu bleibe, den im Jahr 2017 auslaufenden Vertrag für den russischen Stützpunkt der Schwarzmeerflotte in Sewastopol auf der Halbinsel Krim nicht zu verlängern.

Keine NATO-Mitgliedschaft, solange Sewastopol-Stützpunkt besteht

Denn gemäß der NATO-Charta dürfte die Ukraine kein Mitglied werden, solange sich ein ausländischer Militärstützpunkt im Land befindet.  Für die USA/NATO war der Kurs also klar: Spätestens 2017 wird die Ukraine NATO-Mitglied, und der Eintrittspreis für die USA/NATO wäre Sewastopol.

Für Russland hätte das bedeutet, dass keine 500 Kilometer von dem kleineren Stützpunkt bei Noworossijsk auf russischer Seite die NATO über den wichtigsten und größten Stützpunkt des Schwarzen Meeres verfügen würde. Die Schwarzmeerflotte hätte so jeglichen Bewegungsfreiraum verloren und dies hätte unweigerlich zu gefährlichen Spannungen geführt.

Aus den WikiLeaks-Dokumenten wird deutlich, wie die USA versucht haben, auf Kiew Einfluss zu nehmen. Sie versuchten es mit Verlockungen wie dem Freihandelsabkommen mit der EU und dem Assoziierungsabkommen mit der EU und versprachen, ihren Einfluss beim Internationalen Währungsfonds geltend zu machen, damit das Land die in Aussicht gestellten 15 Milliarden US-Dollar endlich erhalte. Zudem versuchten sie in verschiedenen Gesprächen, hauptsächlich mit Julia Timoschenko, darauf hinzuweisen, dass es sich für die Ukraine nicht lohnen würde, den Vertrag mit Russland für den Stützpunkt Sewastopol zu verlängern.

Die 98 Millionen US-Dollar Miete, die Moskau jedes Jahr überweist, waren in der Tat sehr wenig verglichen mit den Summen, die die USA für ihre Stützpunkte überall auf der Welt bezahlen. Es sollte der Eindruck entstehen, dass die Ukraine vom Westen mehr zu erwarten hätte als das, was Kiew von Russland erhält. Aber was in Brüssel und Washington offensichtlich aus den Augen gelassen wurde, war die Tatsache, dass die Ukraine es sich nicht leisten konnte, zu warten, bis die diversen in Aussicht gestellten Abkommen endlich auch eine Dividende abwerfen. Was Kiew brauchte, war Geld, und zwar schnell. Aber das konnte und wollte der Westen nicht liefern.

Janukowytsch musste seinen Haushalt retten

Als Wiktor Janukowytsch 2010 zum Präsidenten gewählt wurde, befand sich die Ukraine in einer schweren finanziellen Krise, der neue Präsident sollte aber das Staatsbudget für das kommende Jahr aufstellen. Ihm blieb eigentlich gar nichts anderes übrig, als mit Moskau zu verhandeln. Seine Partner im Westen ließ Janukowytsch über diese Verhandlungen im Dunkeln, genauso wie die meisten seiner Landsleute. Man wusste zwar, dass er nach Amtsantritt ein paar Mal nach Moskau gereist war, aber das war angesichts der engen Verknüpfung beider Länder alles andere als ungewöhnlich. Als er dann nur drei Monate später in Charkiw/Ukraine (Charkow auf Russisch) zusammen mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew einen fertig ausverhandelten Vertrag unterschrieb, waren alle geschockt.

Am meisten waren es aber die Bürokraten in Brüssel und Washington. Denn das Charkiw-Abkommen erlaubte es Russland, den Stützpunkt in Sewastopol von 2017 an noch weitere 25 Jahre zu nutzen, also bis zum Jahr 2042, mit einer Option auf weitere fünf Jahre. Zwar blieb die Miete die gleiche (98 Millionen USD/Jahr), auch wenn die Ukraine mehr als eine Milliarde US-Dollar jährlich gefordert hatte, doch im Gegenzug wurde der Gaspreis für Kiew um 30 Prozent reduziert. Dieser Rabatt würde dem bis aufs Äußerste strapazierten Finanzministerium allein für den Rest des Jahres 2010 zusätzliche 2,8 Milliarden US-Dollar in die Kasse spülen.

Von 2011 bis 2020 sollten es jährlich vier Milliarden US-Dollar sein, die Kiew durch diesen Rabatt einsparen und für andere Projekte einkalkulieren könnte. Das wären insgesamt 38,8 Milliarden US-Dollar gewesen, die Janukowytsch im Handumdrehen mit Moskau ausgehandelt hat. Das ist mehr als siebenmal so viel wie das, was Washington für subversive Aktivitäten und angebliche Hilfsprojekte "investiert" hat, und mehr als das Doppelte dessen, was der Internationale Währungsfonds irgendwann eventuell an Krediten zur Verfügung gestellt hätte. Zumal Josh Cohen, ein ehemaliger Mitarbeiter des U.S. Agency for International Development (USAID), diese IWF-Kredite "eine Schocktherapie, die sich die Ukraine gar nicht leisten kann" nannte.

Putin: "Teuerste Militärbasis der Welt"

Genau aus diesem Grund beschwerte sich sogar Wladimir Putin, der zu diesem Zeitpunkt Ministerpräsident war, über diese enormen Summen, die Medwedew der Ukraine zugestanden hatte. Denn aus russischer Sicht bedeutete dieses Abkommen ein Defizit von etwa fünf bis sechs Prozent für das Jahr 2010, da in dem kalkulierten und abgesegneten Budget für dieses Jahr kein Verlust von 2,8 Milliarden US-Dollar vorgesehen war. Natürlich kannte Putin den geostrategischen Wert von Sewastopol, dennoch beschrieb er den ausgehandelten Rabatt für die Ukraine als "exorbitant" und meinte zum russischen Stützpunkt, dass es "keine Militärbasis auf der Welt gibt, die so viel Geld gekostet hat".

Obwohl Janukowytsch mit diesem Vertrag von Charkiw sein Land vor dem sicheren Bankrott bewahrt hatte, brachte er damit insbesondere Washington gegen sich auf. Für die Europäische Union stellte dieses Abkommen in punkto Assoziierungsabkommen keine Gefahr dar, wie die Organisation Wider Europe feststellte, die sich für die Transparenz der EU im Umgang mit den Ländern der Union, aber auch europäischen Nicht-EU-Ländern einsetzt. Für die Pläne der NATO und somit der USA war dieser Vertrag von Charkiw hingegen eine einzige Katastrophe.

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