Meinung

Wie der Deutsche Journalistenverband seinen Feind liebt

Das Wort widersinnig fasst es nicht, was der Deutsche Journalistenverband (DJV) so treibt. Auch nicht nur Dysfunktionalität. Tatsächlich fragt man sich angesichts des DJV, ob selbst der Begriff Stockholm-Syndrom genügt, seine Handlungen zu erklären.
Wie der Deutsche Journalistenverband seinen Feind liebt© DJV

Von Dagmar Henn

"Warum schweigt der Kanzler?", beginnt die neueste Presseerklärung des Deutschen Journalisten-Verbandes. Wobei man besonderes Augenmerk auf die Berufsbezeichnung legen sollte, die in diesem Verbandsnamen enthalten ist. Mit diesem Vorwurf leitet der DJV nämlich eine Erklärung ein, die Bundeskanzler Friedrich Merz dazu auffordert, für die zwei Damen von HateAid, die jüngst von den USA sanktioniert wurden, in die Bresche zu springen.

"Die Einbestellung des amerikanischen Botschafters wäre eine adäquate Antwort gewesen. Und selbstverständlich auch klare Worte des Kanzlers, um die er sonst nicht verlegen ist", so der Bundesvorsitzende Mika Beuster.

Also noch einmal. Journalisten-Verband. Die beiden sanktionierten Grazien, Anna-Lena von Hodenberg und Josephine Ballon, sind jedoch keine. In Wahrheit sind sie die Antagonisten von Journalisten, gewissermaßen der natürliche Feind, Scherenschwinger, Schwarzblocker, Zensoren eben. Früher lernte man das schon in der Redaktion der Schülerzeitung. Das ist ein wenig so, als würde ein Wiedertäufer sich für einen Inquisitor einsetzen, oder ein Fuchs für den Jäger; regelrecht widernatürlich.

Wobei, man hat sich ja bereits am Weihnachtstag mit den beiden, und auch mit Ex-EU-Kommissar Thierry Breton (richtig, das ist der mit dem Trump-Interview, das die Europäer nicht sehen dürfen sollten) solidarisch erklärt. Und behauptet, gerade das, die Sanktionierung von Zensoren, sei "Zensur in Reinform". Und das ganz ohne Einsatz der Nürnberger Jungfrau. Die Inquisitoren vergangener Jahrhunderte schauen vermutlich bass erstaunt auf diese gläubige Hingabe eines berufsmäßigen Ketzers.

Ein klein wenig Recherche hätte schon geholfen, nicht solchen Unfug zu schreiben, wie dass die Arbeit von HateAid ein "unverzichtbarer Beitrag zur Hilfe von Hassopfern" sei. Weil immerhin weder die Deutsche Umwelthilfe (DUH) noch Renate Künast oder Luise Neubauer dem entsprechen, was man sich als hilfebedürftiges Hassopfer vorstellt. In diesen Fällen war das eher flankierende Unterstützung aus Steuergeldern, was insbesondere bei Abmahnvereinen wie der DUH und Multimillionärinnen wie Luise Neubauer moralisch äußerst fragwürdig ist.

Aber das wäre ja Journalismus. Genauer hinsehen, die Selbstbeschreibung einer öffentlich finanzierten gGmbH mal hinterfragen. Und es scheint so, dass Beuster auch der Verwendung der entsprechenden Techniken der Recherche abschwören musste, nicht nur dem Einsatz für den Beruf.

Der DJV hat ja schon lange nicht mehr das geliefert, was man von einem Berufsverband der Journalisten eigentlich erwarten müsste. Als stünde in seiner Selbstbeschreibung nicht, man sehe sich als zuständig für alle Journalisten, "frei oder festangestellt, Bild- oder Online-Journalistin, bei Rundfunk oder Zeitung im Einsatz, für eine Nachrichtenagentur oder in der PR tätig"… Da steht nicht "Wir setzten uns für die festangestellten Mitarbeiter öffentlich-rechtlicher Sender und anderer Leitmedien ein." Das würde auch nicht so viel hermachen, für einen Verband. Aber das wäre zumindest eine ehrliche Aussage.

Denn in den letzten Jahren hat der DJV immer wieder versagt, wenn er denn mal gefragt gewesen wäre. Es ist schon schmerzhaft, das aufzuführen  – da wurde die Sperrung von RT begrüßt, die Corona-Protestierenden waren "Demokratiefeinde und Medienhasser", Julian Assange war selbstverständlich kein Thema; in der Verbandszeitschrift wurde munter debattiert, alternativen Medien die Finanzierung zu nehmen, man forderte "Warnhinweise" bei Berichten über die AfD und gleichzeitig höhere Rundfunkgebühren; erklärte zum Compact-Verbot nur, das sei ein "Hetzblatt", stellte sich aber noch schützend vor die BBC bei dem manipulierten Trump-Video. Als der Jounalistin Gaby Weber, immerhin bekannt für jahrelanges Ringen um die Freigabe von Akten beispielsweise zu Adolf Eichmann, das Konto gekündigt wurde, war das dem DJV keinen Kommentar wert. Und dass die Zahl derartiger Kontenkündigungen immer weiter anstieg und immer weitere oppositionelle Medien betraf, ebenfalls nicht. Ganz zu schweigen von dem Schweigen zu EU-Sanktionen gegen Journalisten. Das ist also kein plötzliches Versagen, das ist die Fortsetzung einer seit Jahren verfolgten Linie (und die Konkurrenz bei Verdi, die DJU, ist auch nicht besser).

Manchmal ist das sogar komisch. Wenn eben jener Herr Beuster einen Tag vor Weihnachten das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts begrüßt, dass Kanzler Merz herausgeben muss, welche Staatsanwaltschaften Ermittlungen führen, weil er beleidigt worden sein soll. "Wenn Journalistinnen und Journalisten zum Hass im Netz recherchieren, darf ihnen das Kanzleramt nicht Knüppel zwischen die Beine werfen", meinte Beuster da, "gerade wegen der zunehmenden Beleidigungen und Diffamierungen in Social Media sei lückenlose journalistische Aufklärung wichtig."

Da hat einer etwas nicht mitbekommen. Dass nämlich die vielen Verfahren, die Politiker inzwischen auf Grundlage des Majestätsbeleidigungsparagrafen 188 StGB führen, in weiten Teilen der Öffentlichkeit als Indiz dafür gesehen werden, mit welcher Missachtung eben diese Politiker inzwischen das gewöhnliche Volk betrachten. Und kaum jemand bei Tausenden von Strafverfahren, wie sie etwa auch Robert Habeck und Marie-Agnes Strack-Zimmermann aufgehäuft haben, mit Mitgefühl für diese Politiker reagiert, sondern eher mit Mitgefühl für die Angeklagten. Schließlich ist jede Meinungsäußerung, ob Schwachkopf oder Schlimmeres, nur eine hilflose Antwort auf ein politisches Handeln, das im günstigsten Fall den Alltag vermiest und im ungünstigsten – siehe Strack-Zimmermann – das eigene Leben gefährdet.

Merz hat also durchaus richtig verstanden, was diese Zahlen bedeuten und dass er sich mit diesem Handeln nicht wirklich beliebt macht, aber Beuster versteht das nicht. Und begrüßt etwas, dessen Folgen er wahrzunehmen nicht imstande ist. Denn nichts ist schädlicher für den ohnehin nicht guten Ruf von Merz, als wenn bekannt würde, wegen welcher Lappalien auch er die deutschen Strafermittler von sinnvoller Arbeit abgehalten hat. Wie war das bei Strack-Zimmermann? Fünf Staatsanwälte, die nichts anderes tun, als die Ehre der Rüstungslobbyistin mit Drakulafrisur zu verteidigen?

Stockholm-Syndrom, der Begriff beschreibt eine psychologische Reaktion, die bei den Opfern von Geiselnahmen öfter auftritt: die Identifikation mit dem Geiselnehmer. Die Pressekonzentration und der dadurch erzeugte Mangel an Vielfalt, Phasen wie jene der Corona-Maßnahmen, sowas kann schon zu einem solchen Phänomen führen, wenn innerlich nicht mehr zur Wahl steht als sich unter Risiken gegen die Macht zu stellen oder sich mit ihr zu identifizieren.

Aber der Tonfall, den Beuster anschlägt, der geht darüber noch hinaus, und bei allen Widerlichkeiten, mit denen die Vertreter dieses Verbandes in den letzten Jahren schon sämtliche journalistischen Grundsätze nicht nur hinter sich gelassen, sondern sogar aktiv bekämpft haben – sich für Zensoren einsetzen? Ich wünsche dir guten Appetit, sagte das Opfer zum Kannibalen. Das ist an Absurdität nicht mehr zu überbieten.

"Er liebte den großen Bruder."

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