Meinung

Selenskijs 0:4-Niederlage

War das Treffen des US-Präsidenten Donald Trump mit dem ukrainischen Machthaber Wladimir Selenskij in Mar-a-Lago ein Erfolg? Absolut und mit klarem Punktestand, meint der New Yorker Korrespondent des russischen "WGTRK", Walentin Bogdanow – aber nicht für Selenskij.
Selenskijs 0:4-Niederlage© Urheberrechtlich geschützt

Von Walentin Bogdanow

Um Pendel-Diplomatie im Ukraine-Konflikt zu betreiben, muss Donald Trump keineswegs selbst zwischen Ländern und Kontinenten hin- und herreisen, wie es beispielsweise einst Henry Kissinger getan hat. Es reicht, einen Esstisch in Mar-a-Lago zu haben (um die bunt gemischte ukrainische Delegation mit Brühe und Steaks mit Kartoffeln zu verköstigen) und eine stabile Fernsprechverbindung nach Moskau. Um vorher Wladimir Putin anzurufen.

Ein Gespräch mit dem Kreml vor einem persönlichen Treffen mit Selenskij (so demütigend das für Letzteren auch sein mag) ist für Trump bereits eine neue Tradition, und eine dringende Notwendigkeit. Objektive Informationen über die Lage in der Ukraine, die von Putin stammen, lassen sich leichter dazu nutzen, die ukrainischen Märchen zu widerlegen, welche von der Delegation des Kiewer Regimes auf ihrem Weg über den Atlantik sorgfältig mit der "Koalition der Willigen" abgestimmt wurden. Die Europäer selbst wurden trotz all ihres Drängens gar nicht erst nach Mar-a-Lago gelassen.

Der wichtigste im Vorfeld vorbereitete Hattrick der "Kriegspartei" war natürlich die Idee eines Referendums über das Schicksal des Donbass. Selenskij und seine Hintermänner versuchen, sie Trump mit einer 60-tägigen Waffenruhe als Zugabe zu verkaufen. Das heißt, wie üblich, versuchen sie, die für die erschöpften ukrainischen Streitkräfte (die übrigens trotz aller Bemühungen nicht einmal ansatzweise für einen erfolgreichen medialen Hintergrund dieser Verhandlungen sorgen konnten) so dringend benötigte Atempause in eine friedensstiftende Hülle zu verpacken.

Aber Trump hat sich nicht darauf eingelassen. Auf die Frage einer Journalistin, ob Moskau einem vorübergehenden Waffenstillstand zustimme, erklärte der US-Präsident, dass er Putins Position teile, wonach eine weitere improvisierte europäische Konstruktion auf dem Weg zu einem echten Verhandlungsprozess sinnlos und instabil sei. Für Selenskij ist dies sowohl eine kalte Dusche als auch ein Rubikon. Der Chef des Weißen Hauses hat damit öffentlich die zuvor von Juri Uschakow geäußerten Worte bestätigt, dass die Staatschefs beider Länder im Großen und Ganzen ähnliche Ansichten vertreten: Ein vorübergehender Waffenstillstand würde nur zu einer Verlängerung des Konflikts in der Ukraine führen. 1:0.

2:0 – Die Idee eines solchen Plebiszits an sich steht nun infrage. Laut Trump wollen 91 Prozent der Ukrainer sowieso Frieden – warum also Zeit und Ressourcen verschwenden, um etwas zu erfahren, was man eh schon weiß? Im Grunde sieht der US-Präsident auch die Unvermeidbarkeit territorialer Zugeständnisse so, denen Kiew sowieso zustimmen muss. Nicht auf friedliche Weise, sondern dank der Aktionen der russischen Armee. 

Es wiederholt sich die für Selenskij bereits klassische Situation, in der sich die Verhandlungsbedingungen mit jeder Runde verschlechtern. Ja, Trump verwendet dafür eine rhetorische Frage: Ein Teil dieser Gebiete ist bereits eingenommen, um einen anderen Teil wird möglicherweise noch gekämpft, aber er könnte in den nächsten Monaten eingenommen werden – wäre es nicht besser, jetzt einen Deal zu machen? Aber eine rhetorische Frage erfordert keine Antwort, da sie offensichtlich ist. Weder für Washington noch für Moskau. Uschakow sagte in einem Kommentar zu dem Telefongespräch (des russischen und des US-amerikanischen Präsidenten), dass die Ukraine "ohne zu zögern" eine Entscheidung zum Donbass treffen müsse. Und damit steht es bereits 3:0 gegen Kiew.

Und das ist noch nicht alles. Irgendwo am Rande des kollektiven Bewusstseins Europas schwebt immer noch die Idee der Beschlagnahmung russischer Vermögenswerte, aber Trump verlässt auch hier geschickt den ihm vorgegebenen Korridor. "Der Handel mit Russland könnte sehr erfolgreich sein", erklärt der US-Präsident und teilt gleichzeitig mit, dass er die Maßnahmen der russischen Führung in Bezug auf das Kernkraftwerk Saporoschschje unterstütze. Russland beschieße das Kraftwerk nicht, und wenn es zur Wiederherstellung der Ukraine komme, sei Moskau (nach den Worten des Chefs des Weißen Hauses) bereit, darüber nachzudenken, die Ukraine mit billiger Energie zu versorgen. Natürlich gegen Barzahlung und nicht auf Kosten der eingefrorenen Vermögenswerte. 4:0.

Alles andere sollte den tiefen Fall der Gastmannschaft und ihrer europäischen Fans nur abfedern. Bei den Verhandlungen sei es laut Trump gelungen, sich über 95 Prozent der Fragen einer Friedensregelung für die Ukraine zu einigen, und die Sicherheitsgarantien zwischen den USA und der Ukraine seien (nach seinen eigenen Worten) sogar zu 100 Prozent vereinbart worden. Dabei werde ein erheblicher Teil davon von Europa übernommen, das sich öffentlich so sehr um dieses Thema sorgt. Nicht umsonst schrieb Ursula von der Leyen bereits nach den Verhandlungen in Mar-a-Lago, dass "der Schlüssel zu diesen Bemühungen darin liegt, vom ersten Tag an eiserne Sicherheitsgarantien zu haben".

Die hartnäckigen Betonköpfe wird Trump wahrscheinlich im Januar doch in Washington empfangen – und zwar persönlich. Diese können zumindest etwas formulieren. Der eingeschüchterte Selenskij und sein Team erinnern nach der öffentlichen Zurechtweisung im Oval Office hingegen immer mehr an Menschen, die nur ein paar Tricks beherrschen: sich verbeugen, schuldbewusst lächeln (wie Umerow, der vom US-Präsidenten das bekannte Wort "Bestechung" hörte, das eigentlich an Journalisten gerichtet war) und sich endlos bedanken.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel wurde für den TG-Kanal "Exklusiv für RT" verfasst.

Walentin Bogdanow leitet das Büro der Allrussischen Staatlichen Fernseh- und Rundfunkgesellschaft in New York.

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