"Entführte Kinder": Eine Erzählung der Medien zur Verlängerung des Ukraine-Kriegs

Von Finian Cunningham
Es ist unklar, ob die Trump-Regierung den Stellvertreterkrieg mit Russland wirklich beenden will oder ob sie lediglich versucht, sich aus dem Chaos zu befreien, das Washington mit verursacht hat. Eines ist jedoch klar: Die großen westeuropäischen Länder sind verzweifelt bemüht, den Krieg am Laufen zu halten.
Verschiedene Vorwände werden benutzt, um einen diplomatischen Prozess zu vereiteln. NATO-ähnliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine, die von Berlin, London und Paris vorangetrieben werden, dürften für Moskau von vornherein zum Scheitern verurteilt sein. Gleiches gilt für die Bestrebungen der Europäer, die von Russland beschlagnahmten Vermögenswerte als "Reparationskredit" zu nutzen [was inzwischen tatsächlich gescheitert ist, Anm. d. Red.].
Ein weiteres Thema, das die Europäer wieder aufgreifen, ist die Behauptung, Russland habe ukrainische Kinder entführt. Dieses emotionale Thema findet in Washington Unterstützung bei den kriegstreiberischen Anti-Russland-Fraktionen im US-Establishment, die Trumps Diplomatie gegenüber Moskau ablehnen.
Anfang dieses Monats haben die europäischen Staaten bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen eine Resolution eingebracht, in der Russland aufgefordert wird, alle ukrainischen Kinder zurückzugeben, die es während des vierjährigen Konflikts angeblich gewaltsam aus dem ukrainischen Hoheitsgebiet umgesiedelt hat. Die Präsidentin der UN-Generalversammlung ist die ehemalige deutsche Außenministerin Annalena Baerbock.
In einem Artikel des in Washington ansässigen Atlantic Council heißt es: "Die Frage der entführten ukrainischen Kinder ist für die Ukrainer besonders relevant, da sie über schmerzhafte politische Kompromisse, territoriale Zugeständnisse und Sicherheitsgarantien auf der Grundlage westlicher Zusicherungen diskutieren. Wenn die Staats- und Regierungschefs der Welt nicht einmal die Rückkehr der schutzbedürftigsten Opfer der russischen Aggression sicherstellen können, wie sollen die Ukrainer dann darauf vertrauen, dass dieselben Staats- und Regierungschefs Russland davon abhalten können, den Krieg wieder aufzunehmen oder neue Gräueltaten zu begehen?"
Mit anderen Worten: Der Vorwurf der Kindesentführung wird zur Bedingung für eine diplomatische Lösung des Konflikts gemacht. Das Problem ist, dass diese Bedingung unmöglich zu erfüllen ist, da der Vorwurf so vage und unbegründet ist. Russland hat die Anschuldigung, ukrainische Kinder zwangsweise umgesiedelt zu haben, als "Lügengebilde" zurückgewiesen.
Im März 2023 erhob der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Anklage gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und die russische Kinderrechtskommissarin Maria Lwowa-Belowa wegen Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Deportation ukrainischer Kinder nach Russland.
Moskau ist kein Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofs und wies die Anklagen als nichtig zurück. [Ein russisches Gericht hat vor wenigen Tagen den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs Karim Khan sowie acht Richter wegen des Ausstellens rechtswidriger Haftbefehle in Abwesenheit zu Haftstrafen verurteilt und international zur Fahndung ausgeschrieben, Anm. d. Red.]
Dennoch erheben das Kiewer Regime und seine westlichen Unterstützer weiterhin die Anschuldigungen. Die westlichen Medien verstärken, wie üblich, diese Darstellung trotz fehlender Beweise.
Bei der jüngsten Debatte der UN-Generalversammlung erklärte der britische Vertreter Archie Young: "Heute ist ein Moment, um über das Leid der ukrainischen Kinder nachzudenken, die Opfer der völkerrechtswidrigen Invasion Russlands geworden sind. Wir alle haben die Pflicht, Kinder zu schützen, und dürfen nicht zulassen, dass Russland sie als Kriegsopfer missbraucht. Laut Angaben der ukrainischen Regierung, die von unabhängigen Gremien bestätigt wurden, wurden mehr als 19.500 ukrainische Kinder zwangsweise nach Russland oder in die vorübergehend besetzten Gebiete deportiert."
Man beachte, wie der britische Beamte eine Reihe fragwürdiger Behauptungen verbreitet, die durch die ständige Wiederholung in den westlichen Medien zu unumstößlichen Tatsachen hochstilisiert werden.
Nicht Russland, sondern das Kiewer Regime und seine westlichen Unterstützer missbrauchen Kinder als "Kriegsinstrumente".
Moskau hat offen erklärt, dass seit Ausbruch der Kampfhandlungen im Februar 2022 bis zu 730.000 Kinder in die Russische Föderation gebracht wurden. Die meisten dieser Kinder wurden von ihren Eltern begleitet und stammen aus Gebieten, die sich in rechtmäßigen Referenden von der Ukraine abgespalten haben.
Von den fast acht Millionen Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind, hat der größte Anteil – schätzungsweise 35 Prozent – in Russland Zuflucht gefunden. Nach Russland sind Polen und Deutschland die zweit- und drittgrößten Aufnahmeländer für ukrainische Flüchtlinge. Doch weder die europäischen Regierungen noch die Medien werfen Warschau oder Berlin Kindesentführungen vor.
In einem Kriegsgebiet, das Millionen von Menschen betrifft, ist es absurd zu behaupten, vertriebene Familien und ihre Kinder würden entführt. Die überwiegende Mehrheit der Menschen hat freiwillig auf russischem Territorium Schutz gesucht, um der Gewalt an der Front zu entkommen – einer Gewalt, die durch Waffenlieferungen der NATO-Staaten im Wert von Milliarden Euro in die Ukraine angeheizt wurde.
Moskau weist darauf hin, dass die von westlichen Regierungen und Medien genannte Zahl von 20.000 bis 35.000 angeblich durch Russland "entführten" Kindern nie anhand von Namen oder identifizierenden Details belegt wird.
Russische Behörden geben an, dass das Kiewer Regime die Namen von etwas mehr als 300 Personen genannt hat. Moskau bemüht sich, Personen auf gegenseitigen Wunsch zurückzuführen, obwohl sich einige der vom Kiewer Regime genannten Personen als Erwachsene herausstellten oder sich nicht auf russischem Territorium aufhielten.
Im Chaos des Krieges ist es allzu leicht, mit vagen Zahlen um sich zu werfen und die Ungenauigkeit für Propaganda auszunutzen. Die europäischen Regierungen und Medien tun dies und schüren die emotionale Brisanz des Themas mit düsteren Behauptungen, Russland schicke massenhaft ukrainische Kinder zur "Indoktrination" in "Umerziehungslager".
Eine der Hauptquellen für solche Behauptungen ist das Yale Humanitarian Research Lab. Es veröffentlichte unbestätigte Berichte, wonach Russland 35.000 ukrainische Kinder in Hunderte von Gehirnwäschezentren in ganz Russland geschickt habe, um ihre nationale Identität auszulöschen.
Eine wichtige Unterstützerin der Yale-Forschungsgruppe ist die ehemalige US-Außenministerin Hillary Clinton. Diese Verbindung legt nahe, dass die Gruppe ein von der CIA finanziertes Propagandainstrument ist. Dennoch zitieren US-amerikanische und europäische Medien die Forschungsergebnisse regelmäßig und verbreiten ihre Behauptungen als verlässliche Fakten.
Die Instrumentalisierung von Kindern für Kriegspropaganda ist ein gängiges Vorgehen westlicher Geheimdienste und Medien.
Ein klassisches Beispiel dafür ist Vietnam in den 1950er und 1960er Jahren, als die westlichen Medien voll von Horrorgeschichten über die Folter vietnamesischer Kinder durch den Vietcong waren, wie James Bradley in seinem Buch Precious Freedom schildert. Die angeblichen kommunistischen Guerillas sollen vietnamesischen Kindern Essstäbchen in die Ohren gesteckt haben, damit diese keine religiösen Predigten hören konnten. Solche angeblichen Gräueltaten wurden von den westlichen Medien breitgetreten, um die öffentliche Unterstützung für den US-Militäreinsatz zu mobilisieren, der Vietnam "vor bösen Kommunisten retten" sollte. Doch all das waren Lügen, orchestriert von der CIA. Mehr als drei Millionen Vietnamesen wurden in einem Krieg getötet, der auf Lügen des amerikanischen Geheimdienstes und der Medien basierte.
Eine Wiederholung der psychologischen Kriegsführung ist heute die reißerische Behauptung, Putins böses Russland habe Zehntausende Kinder entführt, um sie in Internierungslagern einer Gehirnwäsche zu unterziehen. Einige Berichte behaupten sogar, Russland habe die Kinder nach Nordkorea geschickt.
Die westlichen Medien leisten ihren üblichen Dienst, verbreiten Kriegspropaganda und machen dadurch Diplomatie unmöglich, indem sie Russland als monströs darstellen.
Übersetzt aus dem Englischen.
Finian Cunningham ist ein preisgekrönter Journalist. Mehr als 25 Jahre arbeitete er als Redakteur und Autor unter anderem für Zeitungen wie Mirror, Independent, Irish Times und Irish Independent.
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