Meinung

Die USA versuchen, Venezuela ohne Krieg zu erobern

Trump kann die mögliche Reaktion Russlands und Chinas nicht ignorieren, die angesichts ihrer Interessen in Venezuela und der dort investierten Summen zwangsläufig kommen wird. Natürlich werden weder Moskau noch Peking direkt für Venezuela kämpfen, aber auch in Korea und Vietnam haben sie nicht direkt gekämpft.
Die USA versuchen, Venezuela ohne Krieg zu erobern

Von Dmitri Rodionow

Der venezolanische Präsident Nicolás Maduro hat sich bereit erklärt, sein Amt frühestens in 18 Monaten niederzulegen. Einige US-Beamte sahen darin eine mögliche Lösung der Krise, doch das Weiße Haus besteht auf Maduros sofortigem Rücktritt.

Dieser hat sich bislang noch nicht dazu geäußert. Ebenso wenig wie zu anderen "Enthüllungen" der US-amerikanischen Medien über seine Bereitschaft, im Austausch für Sicherheitsgarantien zurückzutreten, das gesamte venezolanische Erdöl an die USA abzugeben und so weiter. Offensichtlich handelt es sich hierbei um eine Kampagne, um Druck auf den venezolanischen Staatschef auszuüben und ihn zu einem "Deal" mit Trump zu bewegen, der zwar keinen Krieg will, aber nach all seinen lautstarken Versprechungen, "dem Regime in Caracas ein Ende zu setzen", auch nicht ohne Ergebnis zurückweichen kann. Warum ist Trump so auf Venezuela fixiert?

Erstens wegen seiner persönlichen Abneigung gegen den venezolanischen Staatschef. Trump hat schon in seiner ersten Amtszeit versucht, Maduro zu stürzen. Die Operation "Guaidó" scheiterte jedoch kläglich, und das dafür ausgegebene Geld war reine Verschwendung. Auch die zahlreichen Attentate blieben erfolglos. Dennoch möchte Trump offensichtlich Revanche nehmen und das zu Ende bringen, was im Jahr 2020 durch COVID-19 und die Wahlen verhindert wurde.

Zweitens: Erdöl. Venezuela ist weltweit führend in Bezug auf seine Erdölreserven. Dabei handelt es sich um Reserven an "schwerem" Erdöl, das die USA benötigen. Weitere große Reserven dieses Erdöls besitzen Iran und Russland. Alle drei Länder stehen unter Sanktionen, aber die venezolanische Wirtschaft ist deutlich schwächer, außerdem liegt Venezuela einfach näher.

Es sei daran erinnert, dass das venezolanische Öl im letzten Jahrhundert hauptsächlich US-amerikanischen Unternehmen gehörte, bis Hugo Chávez die Ölförderung im Land verstaatlichte. Und dann gab er sie an China weiter. Die Chinesen kamen mit viel Geld nach Venezuela und bauten die Infrastruktur von Grund auf neu auf: Ölpipelines, Häfen, Raffinerien. Heute gehen 90 Prozent der venezolanischen Ölexporte nach China.

Das gefällt den US-Amerikanern natürlich nicht. Zumal China die Wirtschaft Venezuelas rettet, die unter dem Druck der Sanktionen längst zusammengebrochen wäre: Es liefert Lebensmittel, Medikamente und Technologien in das Land und gewährt Kredite, für die es ständig Zahlungsaufschübe gewährt.

Wie der Fernsehsender Fox News berichtet, beabsichtige China, seinen Einfluss auf die Wirtschaft Venezuelas vor dem Hintergrund des sich zuspitzenden Konflikts zwischen Caracas und Washington zu verstärken. Insbesondere hat Peking ein Handelsabkommen mit Caracas über "Nullzölle" für etwa 400 Warengruppen veröffentlicht. Der Sender erinnert daran, dass China Venezuela in den letzten 20 Jahren Kredite in Höhe von rund 60 Milliarden US-Dollar gewährt hat, von denen der größte Teil durch Öllieferungen zurückgezahlt wurde.

Drittens: die Geografie. Trump ist als vehementer Verfechter der Monroe-Doktrin bekannt, deren Kerngedanke darin besteht, dass die gesamte westliche Hemisphäre eine Interessenzone der USA ist ("Hinterhof"), in die Washington keine Fremden hineinlassen darf. Und "Fremde" in Gestalt von Russland und China drängen sehr aktiv nach Lateinamerika. Sowohl politisch als auch wirtschaftlich und, was für die USA am schlimmsten ist, militärisch.

Venezuela arbeitet aktiv mit Russland im Bereich der militärisch-technischen Zusammenarbeit zusammen: Es kauft moderne Waffen und Munition aus Russland und erhält technische Unterstützung, unter anderem in den Bereichen Luftfahrt und Luftabwehr. Moskau hat Caracas mit Flugabwehrsystemen der Typen Buk-M2 und Antey-2500 (S-300VM), Su-30-Kampfflugzeugen, Mi-35-Hubschraubern, Panzern, Schützenpanzern und gepanzerten Mannschaftstransportwagen beliefert. Darüber hinaus gibt es immer wieder Gerüchte über die mögliche Errichtung einer russischen Militärbasis im Land. Bislang handelt es sich dabei nur um Gerüchte, dennoch sind russische Kriegsschiffe wiederholt in venezolanische Gewässer eingelaufen, und auch russische strategische Bomber vom Typ Tu-160 sind schon mehrfach dort gelandet.

All dies scheint bislang ein Signal an Washington zu sein, dass die russische Präsenz jederzeit massiv ausgebaut werden kann, was die USA natürlich nervös macht. Auch Peking beschränkt sich nicht auf eine rein wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Caracas, sondern entwickelt beispielsweise ein gemeinsames Weltraumprogramm.

Es ist anzumerken, dass die USA in den letzten Jahren, offenbar ohne Konkurrenz zu spüren, ihre Aufmerksamkeit für ihren "Hinterhof" verringert haben. Die letzte größere Operation in Lateinamerika war die Invasion Panamas im Jahr 1989. Nun ja, und im Jahr 1994 gab es noch die Operation in Haiti, wo die US-Amerikaner im letzten Jahrhundert praktisch nie weg waren. Die nachlassende Aufmerksamkeit Washingtons schuf die Voraussetzungen für eine "linke Renaissance" in der Region. Venezuela, Nicaragua, Bolivien, Brasilien – in diesen Ländern kommen Linke an die Macht, deren Beziehungen zu den USA von gemäßigtem Pragmatismus bis zu harter Konfrontation reichen.

Der Prozess des "Linksrucks" in Lateinamerika dauerte viele Jahre mit wechselndem Erfolg. So kam es im Jahr 2015 in Argentinien und im Jahr 2016 in Brasilien zu einem "Rechtsruck". Bereits unter Trump kam sein Verbündeter Jair Bolsonaro in Brasilien an die Macht. Im selben Jahr kam es zu einem Staatsstreich in Bolivien. Während der Amtszeit von US-Präsident Joe Biden wurde die Region jedoch von einer neuen "rosa Welle" überrollt. Die Linken gewannen die Wahlen in Peru, Honduras und Chile und holten sich Brasilien zurück. Der schmerzlichste Schlag für die USA war die Wahl des ehemaligen Partisanen Gustavo Petro zum Präsidenten Kolumbiens, das als wichtigster Vorposten Washingtons in der Region galt.

Letzterer wurde jedoch nicht zum kolumbianischen Chávez, sondern baute durchaus konstruktive Beziehungen zu den regierenden US-amerikanischen Demokraten auf und fand mit ihnen unter anderem auf der Grundlage der "grünen Agenda" eine gemeinsame Basis. Darüber hinaus stellte er die Beziehungen zu Venezuela wieder her, was für den Republikaner Trump ein rotes Tuch war.

Gerade Kolumbien und nicht Venezuela war und ist der Hauptlieferant von Drogen in die USA, und Trump ist sich dessen sehr wohl bewusst – Petro bekommt das zu spüren: Letzten Monat bezeichnete er den kolumbianischen Präsidenten als "illegalen Drogenboss" und verkündete, dass die USA keine Finanzhilfen mehr an das Land leisten würden. Außerdem versenkt das US-Militär nicht nur venezolanische, sondern auch kolumbianische Boote.

Es ist unwahrscheinlich, dass Trump sich entschließen wird, einer ganzen Region den Krieg zu erklären, in der er außer dem argentinischen Präsidenten Javier Milei keine wirklichen Verbündeten hat. Seine Priorität ist Venezuela, ein Land, das zum Symbol dafür geworden ist, was passieren kann, wenn sich die wirtschaftliche Macht Chinas und die militärisch-politische Macht Russlands gegen die US-amerikanischen Interessen verbünden. Wie es in Nordkorea und Iran auch der Fall war. Nordkorea verfügt jedoch über eine Atombombe, Iran könnte jederzeit eine bekommen, und beide Länder sind weit von den USA entfernt und stellen keine direkte Bedrohung für deren nationale Sicherheit dar.

Die wichtigste Frage, auf die es heute keine direkte Antwort gibt, lautet: Wird Trump sich für einen Krieg entscheiden? Einerseits braucht er einen "kleinen siegreichen Krieg", um die US-amerikanische Öffentlichkeit von internen Skandalen und Fehlern abzulenken. Andererseits ist das Schlüsselwort hier "siegreich", und darin kann Trump kaum sicher sein. Die im Karibischen Raum versammelte US-Truppe scheint derzeit eher nur für Raketenangriffe oder Versuche zur Eroberung lokaler Objekte geeignet zu sein. Sie umfasst etwa 12.000 Soldaten, einschließlich der Besatzungen von Schiffen, die an keiner Invasion teilnehmen werden. Und etwas mehr als 3.500 Marinesoldaten reichen für eine vollwertige Bodenoperation eindeutig nicht aus.

Zumal ein Invasionsversuch sicherlich kein "Spaziergang" wie im Irak werden würde. Die venezolanische Armee ist eine der kampfstärksten in der Region und bereitet sich zudem seit den Zeiten von Chávez ständig auf einen Konflikt mit den USA vor: Die Militärdoktrin des Landes sieht im Falle einer Invasion eine sehr schnelle Aufteilung und den Übergang zum Guerillakrieg vor. Die US-Amerikaner haben Erfahrung mit Guerillakriegen im Dschungel, und man kann nicht sagen, dass diese Erfahrung für sie positiv war. Darüber hinaus verfügt Caracas über eine wichtige Ressource in Form der Milizen ("Colectivos"), und ein erheblicher Teil der Bevölkerung unterstützt die Regierung, sodass eine Wette auf einen Aufstand gegen Maduro sich als verlustreich erweisen könnte.

Der TV-Sender CNN meldet, dass die USA nicht über die militärischen Ressourcen verfügen, um eine groß angelegte Operation zur Absetzung Maduros zu starten. Experten sind der Meinung, dass Trump, sollte er tatsächlich den Befehl zu einem Angriff auf Venezuela geben, mit ernsthaften Problemen konfrontiert sein könnte. Diese würden mit der Zersplitterung der Opposition und des Militärs, das angeblich zu einem Aufstand bereit ist, sowie mit der Reaktion innerhalb des Landes zusammenhängen, da er zuvor versprochen hatte, kostspielige Eingriffe in die Angelegenheiten anderer Länder zu vermeiden. Außerdem kann Trump die mögliche Reaktion Russlands und Chinas nicht ignorieren, die angesichts ihrer Interessen in Venezuela und der dort investierten Summen mit Sicherheit erfolgen wird. Natürlich werden weder Moskau noch Peking direkt für Venezuela kämpfen, aber auch in Korea und Vietnam haben sie nicht direkt gekämpft.

Anfang November berichteten westliche Medien, dass angeblich ein russisches Militärtransportflugzeug vom Typ Il-76, das mit der privaten Militärfirma "Wagner" in Verbindung steht, in Venezuela gelandet sei. Was oder wer an Bord war, ist unbekannt. Ich möchte daran erinnern, dass Trump im Oktober eines seiner längsten Telefongespräche mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin geführt hat. Das Gipfeltreffen in Ungarn fand nicht statt, dafür traf sich Trump mit dem Präsidenten der Volksrepublik China. Es ist anzunehmen, dass in beiden Fällen das Thema Venezuela diskutiert wurde und Moskau und Peking ihre "roten Linien" abgesteckt haben könnten.

Das Problem für Trump ist, dass er jetzt nicht mehr zurückrudern kann. Der ideale Ausweg für ihn wäre eine "Vereinbarung" mit Maduro, die zum Rücktritt des Letzteren führen würde. Washington unterbreitet Caracas offenbar Vorschläge, wie beide Seiten ihr Gesicht wahren können. Und zwar nicht nur über die Medien, sondern auch durch direkte Telefonate mit Maduro. Bislang gibt es jedoch noch kein Ergebnis. Und die Zeit wird immer knapper. Das zu Beginn des Dramas an die Wand gehängte Gewehr muss am Ende zwangsläufig losgehen, wie Anton Tschechow einst schrieb.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 15. Dezember 2025 auf der Website der Zeitung "Wsgljad" erschienen.

Dmitri Rodionow ist ein russischer Politikwissenschaftler.

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