Meinung

Die "Leichen" der NATO und der EU werden der Ukraine tatsächlich Frieden bringen

Ein Übersetzungsfehler in Berlin wird zum Symbol für die wahren Spannungen in den Ukraine-Verhandlungen. Europas Wunschdenken, Trumps Friedensplan und Russlands rote Linien steuern auf einen entscheidenden Moment zu.
Die "Leichen" der NATO und der EU werden der Ukraine tatsächlich Frieden bringen

Von Pjotr Akopow

Manchmal verdrehen zufällige Ausrutscher von Dolmetschern nicht nur den Sinn des Gesagten, sondern enthüllen auch den eigentlichen Kern der Geschehnisse. Genau das passierte gestern in Berlin bei den fortgesetzten Verhandlungen zwischen den US-Amerikanern und Europäern mit Wladimir Selenskij. Bei seiner gemeinsamen Pressekonferenz mit dem deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz wurde die Frage gestellt, ob NATO- und EU-Truppen die Einhaltung des Waffenstillstands in der Ukraine sicherstellen würden. Truppen heißen auf Englisch "troops" (ausgesprochen "trups"), aber die Dolmetscherin übersetzte sie ins Ukrainische als "Leichen" [Leichen werden im Ukrainischen "trupy" ausgesprochen]. Selenskij bemerkte diesen Fehler, aber es war schon zu spät. Daraus entstand nicht nur ein Meme, sondern etwas viel Größeres.

Denn zuvor hatte Friedrich Merz eine sensationelle Äußerung zu den Verhandlungsergebnissen mit den US-Gesandten Steve Witkoff und Jared Kushner getätigt:

"Dies ist in der Tat eine weitreichende, inhaltlich substanzielle Vereinbarung, welche es bisher noch nicht gegeben hat: Sowohl Europa als auch die USA sind gemeinsam bereit, Kiew Sicherheitsgarantien zu gewähren. Präsident Selenskij wies dabei darauf hin, dass diese Sicherheitsgarantien dem Art. 5 des NATO-Vertrags entsprechen."

Doch der deutsche Kanzler war mit einer solchen Äußerung offensichtlich voreilig: Für denselben Tag war ein Telefonat von US-Präsident Donald Trump mit den europäischen Staats- und Regierungschefs und Selenskij geplant – genau zu dem Zweck, die Verhandlungen über ein Friedensabkommen zu erörtern. Hätten die Amerikaner der EU und der Ukraine tatsächlich das versprochen, was Friedrich Merz erwähnte, hätte dies nur eines bedeutet: Trump distanziert sich von dem Plan, den Witkoff vor kurzem mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin besprochen hat, und macht damit die Bemühungen zunichte, mit Moskau eine Einigung über die Beilegung des Ukraine-Konflikts zu erzielen. Denn jegliche "NATO-ähnlichen" Garantien für die Sicherheit der Ukraine sind für Russland inakzeptabel – sie könnten nicht nur zu einem Stellvertreterkrieg mit dem Westen führen, sondern auch zu einem direkten Militärkonflikt zwischen uns und der NATO auf ukrainischem Territorium.

Doch Trump hat offensichtlich nicht vor, darauf zu verzichten, seinen Plan den Europäern aufzuzwingen – und darin gibt es keine Garantien à la NATO. Merz übt sich also in Wunschdenken – davon werden sich die Europäer bereits diese Woche überzeugen können. Die aktuelle Woche wird für sie überhaupt zum Moment der Wahrheit. Laut Politico betrachten europäische Politiker die nächsten Tage als existenziell: Sollte es nicht gelingen, die Ukraine vor einem "demütigenden Friedensvertrag" zu schützen und Geld für die Finanzierung Kiews zu finden, wird Europa eine Niederlage erleiden.

Niemand ist bereit zu verlieren, aber Europa hat selbst den Einsatz erhöht, indem es seine Niederlage im Kampf um die Ukraine mit einem Schlag gegen die Zukunft der gesamten Europäischen Union gleichgesetzt hat. Und jetzt will es sich damit nicht abfinden und unternimmt weiterhin Versuche, das Friedensabkommen zu torpedieren.

Aber nicht nur Friedrich Merz müht sich nach Kräften – der britische Premierminister Keir Starmer sprach gestern über bereits bestehende Pläne der "Koalition der Willigen", nach einem Waffenstillstand Streitkräfte in der Ukraine zu stationieren. Diese altbekannte Idee lässt sich überhaupt nicht in Trumps Plan einfügen, da sie für Russland eine absolute rote Linie darstellt, deren bloße Erwähnung alle Chancen auf einen Waffenstillstand zunichtemacht. Und der Versuch, sie nach Abschluss eines Friedensabkommens ad hoc umzusetzen, würde zu einem sofortigen Scheitern des Waffenstillstands führen.

Denn die Truppen der NATO, der Europäischen Union und der "Koalition der Willigen" in der Ukraine sind für Russland nur in einer Form akzeptabel – als Leichen, wie die Dolmetscherin versehentlich "enthüllte". Ganz zu schweigen davon, dass ein echter Frieden für die gesamte Ukraine erst nach dem politischen "Tod" der Nordatlantischen Allianz und der Europäischen Union eintreten wird – und wir können beobachten, wie sie selbst zielstrebig darauf hinarbeiten.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 26. November 2025 zuerst bei "RIA Nowosti" erschienen.

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