Meinung

Die vermehren sich noch! – Der "woke" Anti-Antisemitismus-Rassismus deutscher Amtsträger

Weil die Bevölkerung im zerstörten Gazastreifen angeblich weiter wachse, könne dort kein Genozid stattfinden. Das behauptet Hessens Antisemitismus-Beauftragter Uwe Becker. Seine rassistische Vermehrungsthese "untermauert" er mit Fakezahlen. Mit seinen Ausfällen ist Becker nicht allein.
Die vermehren sich noch! – Der "woke" Anti-Antisemitismus-Rassismus deutscher AmtsträgerQuelle: Legion-media.ru © Abed Rahim Khatib/dpa

Von Susan Bonath

Sie inszenieren sich auf LGBTQ-Paraden, faseln von "westlichen Werten" und fahnden eifrig nach "Antisemiten". Doch solche "woken" Verrenkungen deutscher Polit-Eliten sind meistens nur Fassade. Wie bei Uwe Becker: Der hessische CDU-Karrierist, derzeit Landesrechnungshof-Präsident und Antisemitismus-Beauftragter, nutzte (mal wieder) sein Amt und eine irreführende, veraltete Prognose, um rassistische Klischees über Palästinenser zu verbreiten – und Israels Massenmord im Gazastreifen zu legitimieren.

Rassistische Hetze

Es ist bereits für sich genommen ein rassistischer Ausfall sondergleichen, wenn ein deutscher Politiker abfällig über angebliche Vermehrungsgewohnheiten einer unterdrückten Bevölkerung schwadroniert. Das hetzerische Level des hessischen Antisemitismus-Beauftragten Uwe Becker geht noch weiter: Er "untermauerte" seine Darstellung mit falschen Daten, um den Massenmord an Palästinensern zum Zweck angeblichen "Judenschutzes" in Israel zu rechtfertigen. So schrieb der CDU-Amtsträger am Samstag auf seinen amtlichen Profilen bei Facebook, Instagram und X Folgendes:

"Für alle, die Israel immer wieder 'Völkermord' vorwerfen, hier ein Blick auf die Bevölkerungsentwicklung im Gaza-Streifen seit 1950 mit Prognose bis 2050. Wer von 'Völkermord' spricht, geht der Hamas-Propaganda auf den Leim."

Dazu zeigte Becker einen Screenshot der Website Statista,
der ein steigendes Bevölkerungswachstum im Gazastreifen belegen soll. Dies zeige, so behauptete der deutsche Amtsträger, dass Israel im Gazastreifen keinen Völkermord betreibe. Dann zückt Becker noch die bekannte "Totschlagkeule": Wer seine Auffassung nicht teile, verbreite "Hamas-Propaganda".

Irreführende Daten

Als Präsident des Hessischen Rechnungshofs sollte Becker jedoch klar sein, wie irreführend diese Zahlen sind. Es handelt sich bereits für die Vergangenheit nicht um genaue Daten, sondern um Schätzwerte, wie man auf der Seite lesen kann. Auf dieser Basis beruht auch die "Prognose" für die Gegenwart und Zukunft bis zum Jahr 2050.

Becker muss wissen, dass die Prognose ab spätestens Oktober 2023, als Israel damit begann, aus offensichtlicher Rache den Gazastreifen samt Bevölkerung in Schutt und Asche zu bombardieren, keine ansatzweise valide Grundlage mehr haben kann. Die genauen Opferzahlen sind schlicht nicht bekannt. Man weiß nicht, wie viele Leichen unter den Trümmern liegen, wie viele Kinder und Erwachsene aufgrund der israelischen Blockade an Hunger und vermeidbaren Krankheiten gestorben sind. Es ist unmöglich, in einem derart zerbombten Gebiet ohne Zugang für die Außenwelt Geburten und Sterbefälle korrekt zu erfassen.

Becker betreibt also das, was deutsche und westliche Regierende stets nur Russland, China und anderen politischen Gegnern ihres imperialen Machtkampfes vorwerfen: Er desinformiert und belügt die Öffentlichkeit auf unterirdischem Niveau, um sie zugunsten Israels gegen die Palästinenser aufzuhetzen.

Nicht erfasste Tote

Die offiziellen Angaben aus dem Gazastreifen beinhalten lediglich rund 71.000 namentlich identifizierte Opfer ausschließlich durch israelische Bombardierungen und Beschüsse. Das deutsche Max-Planck-Institut hält auch diese Zahl für massiv unterschätzt. Tatsächlich dürften allein der israelischen Waffengewalt etwa 100.000 bis 126.000 Menschen, darunter etwa 30.000 Kinder unter 15 Jahren, zum Opfer gefallen sein, ermittelte es in einer Studie. 

All die Toten durch mangelnde Versorgung, die auf das Konto der israelischen Blockade und Bombardierung ziviler Infrastruktur gehen, haben die Wissenschaftler gar nicht eingerechnet. Das könnten Zehntausende oder Hunderttausende sein. Die meisten Leichen unter Gazas Trümmerbergen wird man wohl niemals bergen. Denn Israels Armee hält mehr als die Hälfte des Gebiets weiterhin besetzt und pflügt dort alles gerade mit Bulldozern um. Auch das restliche Gebiet überwacht und blockiert Israel weiter.

Den Max-Planck-Forschern zufolge hat sich die Lebenserwartung im Gazastreifen mehr als halbiert. Sie resümierten, dass "die Alters- und Geschlechtsverteilung der gewaltsamen Todesfälle den demografischen Mustern ähnelt, die bei anderen dokumentierten Völkermorden beobachtet wurden". Das palästinensische Zentralbüro für Statistik schätzte schon vor einem Jahr, dass die Bevölkerung um mindestens sechs Prozent geschrumpft sei. 

Rechtliche Desinformation

Becker führt seine Leserschaft auch rechtlich in die Irre. Selbst wenn die Bevölkerung in dem von Israel komplett zertrümmerten und rundum abgeriegelten Gazastreifen seit Ende des Jahres 2023 tatsächlich noch gewachsen wäre: Ein Völkermord definiert sich nicht durch die Anzahl der ermordeten Menschen. Ein deutscher Amtsträger sollte und muss so etwas wissen.

Das Völkerrecht beschreibt einen Genozid als Intention, "eine nationale, rassische, religiöse oder ethnische Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören", nicht nur durch Tötungen, sondern unter anderem durch das Auferlegen "von Lebensbedingungen, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen". Das trifft auf Gaza allemal zu.

Obwohl Israel keine westlichen Journalisten in den Gazastreifen lässt, sind die dortigen Bedingungen recht gut bekannt: Die israelische Armee hat mehr Bomben auf den 360 Quadratkilometer kleinen Streifen abgeworfen als einst die Alliierten im Zweiten Weltkrieg auf Dresden und Magdeburg zusammen. Die meisten Häuser und nahezu die gesamte zivile Infrastruktur sind zerstört. Israel hat die Überlebenden auf gut einem Drittel der Fläche zusammengetrieben und eingesperrt. Sie hausen in Zelten auf Trümmern, die gerade von schweren Regenfällen überflutet werden. Israel blockiert weiterhin lebenswichtige Hilfsgüter.

Ernstzunehmende Völkerrechtler, darunter israelische, sind sich längst einig: Israel begeht im Gazastreifen Völkermord. Der Internationale Gerichtshof sah schon im Januar 2024 so gravierende Anzeichen dafür, dass er die Klage von Südafrika annahm und nun ermittelt. Im September legten die Vereinten Nationen einen eigenen Bericht vor, der zu demselben Ergebnis kam. Die Masse der Indizien und Beweise ist erdrückend. Kein anderer Genozid in der Geschichte ist wohl so gut dokumentiert.

Die UN-Völkermord-Konvention hat mehr als 150 Staaten ratifiziert, darunter Deutschland und sogar Israel. Sie alle sind danach verpflichtet, jeden drohenden Genozid mit allen möglichen Mitteln zu verhindern.
Deutschland tut das Gegenteil und liefert Waffen. Das ist wohl der Hauptgrund dafür, dass deutsche Amtsträger wie Becker das Ersichtliche leugnen, abgesehen von der ersichtlich immer noch präsenten Kolonialherrenmentalität, heute gern verkleidet in der Floskel von "westlichen Werten".

"Woke" Heuchelei

Beim Heucheln sind viele deutsche Politiker bekanntlich spitze. Während sie Arbeitslose unter die Brücke sanktionieren und Obdachlose vertreiben lassen, statt sie in den Hunderttausenden leer stehenden Wohnungen unterzubringen, während sie jährlich Tausende Asylbewerber in Abschiebeknäste verfrachten und Millionen Alleinerziehende und Rentner verarmen lassen, feiern sie sich für "woke Errungenschaften" wie Gender-Sternchen, Frauenquoten und LGBTQ-Paraden.

Vergangenes Jahr inszenierte sich auch Uwe Becker auf dem Christopher Street Day in Frankfurt am Main. Damals war Becker noch Staatssekretär im Hessischen Finanzministerium. Wo immer er auftaucht, fabuliert er gern von "westlichen Werten". Auch seinen vermeintlichen "Kampf gegen Antisemitismus" beschwört er gern als solchen Wert – und den Kolonialstaat Israel samt seinem Hauptschutzpatron USA als seinen Träger.

Unter diesem Label jagt Becker mit großem Eifer vor allem Linke und Migranten, die sich angeblich gegen Israel verschworen hätten. Munter würfelt Becker in antisemitischer Manier alle Juden und Israelis in einen Topf. Man muss Palästinenser schon für wert- und rechtlos, unterdrückungs- und vertreibungswürdig halten und Massenmord an ihnen voll gerecht finden, um von Becker nicht als Antisemit verschrien zu werden. Man kann sich denken: Rassistische Kolonialherrenmentalität verhindert keine Karrieren im deutschen Staatsapparat.

Großisrael-Trophäe für IDF-Soldaten

Und so benimmt sich Becker auch. Im September 2024 ehrte er in Frankfurt frisch vom Völkermord zurückgekehrte IDF-Soldaten mit deutscher Staatsbürgerschaft und brüstete sich damit in den sozialen Medien. Zur Ehrung überreichte er ihnen eine "Großisrael-Trophäe", wie es der Verein Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost beschrieb. Gemeint ist ein Pokal mit einer Großisrael-Karte ohne Palästina. Becker posierte selbst damit für Fotos.

Eisern zieht der Beauftragte gegen die Palästina-Solidaritätsbewegung zu Felde. In diesem September forderte er sogar, das Tragen einer Kufiya, also des Palästinensertuchs, zu verbieten. Das ging sogar der israelfreundlichen Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu weit. Ein Autor derselben bezeichnete Becker schon im Mai als "Lautsprecher Israels"

Regelmäßig wettert der hessische Beauftragte gegen palästinasolidarische Demonstrationen und Veranstaltungen. Zuletzt forderte er Anfang Dezember, eine Konferenz verbieten zu lassen, an der sowohl Palästinenser als auch Juden teilnahmen. Mit Becker im Chor protestierte Jutta Ditfurth gegen das Event. Sie ist eine "Ikone" der sogenannten "Antideutschen", man kann sie inzwischen dem harten rechten Kern dieser Szene zurechnen.

In "guter" Gesellschaft

CDU-Mann Becker ist mit seiner Einstellung in bester Staatsräson-Gesellschaft. Unter dem Deckmantel des vermeintlichen "Anti-Antisemitismus", gepaart mit "woker" Heuchelei (in Israel dürfe man schließlich schwul sein, in Palästina angeblich nicht) blüht der antipalästinensische Rassismus in deutschen Amtsstuben ganz unabhängig vom Parteibuch. Man könnte fast meinen, er sei Voraussetzung für einen Posten als "Antisemitismus-Beauftragter".

Deutschlands Bundesbeauftragter in dieser Funktion ist der parteilose Felix Klein. Wie Becker mimt er ein Sprachrohr der israelischen Regierung. Zu Beginn dieses Jahres befürwortete er zum Beispiel die von US-Präsident Donald Trump ins Spiel gebrachte Zwangsvertreibung aller Gaza-Bewohner zugunsten einer Reichen-Riviera. Die Organisation Amnesty International sprach von einer "klaren Missachtung von Völkerrecht und Menschenrechten"

Klein fällt schon seit Jahren mit Hetzkampagnen selbst gegen antizionistische Juden auf, wie ihm der Verein Jüdische Stimme im Jahr 2020 bescheinigte. Zwei Jahre zuvor, 2018, beteiligte er sich gar an einer Demonstration evangelikaler Fundamentalisten, die "von einer Bekehrung der Juden träumen", wie Die Zeit es ausdrückte. 

Brandenburgs "Antisemitismus-Beauftragter" Andreas Büttner ist sogar Mitglied der Linkspartei, in welche er – warum auch immer – nach Mitgliedschaften bei der CDU und FDP erst im Jahr 2015 wechselte. Ein Versuch, ihn loszuwerden, scheiterte kürzlich an der rechten Linke-Spitze. In der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung tritt er aber weiterhin auf. Zuletzt referierte er Anfang Dezember über einen angeblichen "postkolonialen Angriff auf das Wertefundament des Westens"

Die sogenannte "postkoloniale Theorie" ist unter westlichen Israel-Fans extrem verhasst, weil sie verbliebene kolonialistische Macht- und Unterdrückungsstrukturen untersucht. Danach soll etwa mit dem Geschwätz vom "Wertefundament des Westens", zu dem angeblich ja auch Israel gehört, die fortbestehende ökonomische Unterdrückung des "Globalen Südens" als vermeintlich "kulturell rückständig" legitimiert werden. Kein Wunder, dass die offen koloniale Praxis des "wertewestlichen" Militärstaats in Nahost dort auf Kritik stößt.

Dass Deutschland mit geschätzt 200.000 direkt von Israel Vertriebenen die größte palästinensische Diaspora im Westen beherbergt, die oft bis heute als Staatenlose nicht einmal Bürgerrechte genießen, verdeutlicht die innenpolitische Dimension von Israels Gebaren. Für sie gibt es jedoch, genauso wenig wie für antizionistische Juden, keine "Beauftragten" in der BRD. Becker, Klein, Büttner und Co. stört das wenig.

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