
Systemcrash: "Platzt die Goldblase, platzen alle Blasen"

Flo Osrainik: Rees, du bist Illustrator und Kunstdozent. Kennengelernt haben wir uns vor knapp zehn Jahren bei acTVism Munich, einem unabhängigen und gemeinnützigen Onlinemedium in deutscher und englischer Sprache. Nun bist du seit ein paar Jahren nicht mehr bei acTVism aktiv, trotzdem beschäftigst du dich noch immer mit Geo- und Wirtschaftspolitik. Genauer gesagt interessierst du dich seit über zehn Jahren für heterodoxe Ökonomie, also für unkonventionelle Ansätze und Theorien der Wirtschaftswissenschaften. Etwa für die österreichische Schule, marxistische Ökonomie oder Postkeynesianismus. Seit wenigen Monaten schreibst du auf Substack auch Artikel über die wirtschaftlichen Folgen einer möglichen Entdollarisierung. Wenn ich deine Essays "Ein Geist in der Maschine: Wie ein Algorithmus den Edelmetallmarkt zerbrach", "TILT!: Wie der Edelmetallmarkt krampft", "Der Crash, der nie geschah, oder vielleicht doch?", "Das Große Angleichen: Eine Einführung in den kommenden monetären Kollaps und das Fundament der großen Kooperation" sowie "Das Bancor-Protokoll: Eine vergessene Heilung für eine terminale Krise" auf den Punkt bringe, dann stehen wir kurz vor einer globalen Wirtschaftskrise, um nicht zu sagen Explosion. Wie bist du auf diese These gekommen?
Rees Jeannotte: Vor über einem Jahr habe ich angefangen, mich mit Michael Hudson, einem US-amerikanischen Professor für Wirtschaftswissenschaften, zu beschäftigen. In seinen Interviews sprach er von Entdollarisierung und davon, dass Staaten enorme Mengen in Gold investierten, um sich vor US-amerikanischen Handels- und Finanzsanktionen zu schützen. Die Idee wäre, eine neue Handelsbasis mit einem Korb verschiedener Waren außerhalb des US-Dollarsystems zu etablieren. Und Gold sollte dabei das ultimative Handelsmittel sein. Jedenfalls hat Hudson in Bezug auf den Gold-Bruchteilreserve-Schwindel von einem Ansturm auf physisches Gold gesprochen. Wenn zum Beispiel indische Juweliere in panischen Ankäufen Unmengen an Gold kaufen und importieren würden, käme es zu einem Kollaps. Übrigens, was die meisten nicht wissen: Das gesamte westliche Goldsystem basiert seit Jahrzehnten auf einem Teilreservebetrug – so wie es auch bei normalen Banken mit Girokonten der Fall ist. Es geht also um eine Goldblase, die mit allen anderen Blasen verbunden ist, der sogenannten "Everything Bubble". Nur: Platzt die Goldblase, dann platzen alle Blasen. Das wäre auch das Ende des US-Dollarsystems, weil die USA durch die internationale Ablehnung von US-Dollarreserven ihre massiven Schulden nicht mehr in die restliche Welt exportieren können. Mir wurde also rasch klar, dass wir in einer massiven Weltwirtschaftskrise landen, wenn die Goldblase platzt und sich das US-Dollarsystem infolgedessen auflöst.

Flo Osrainik: Dass das Finanzsystem künstlich am Leben gehalten wird und früher oder später zusammenbricht, dürfte genauso wenig ein Geheimnis sein wie die Manipulation von Märkten und Preisen durch viel zu mächtige Marktteilnehmer und dunkle Akteure. Nun siehst du aber eine Systemkrise mit verheerenden Folgen bevorstehen und warnst davor. Welche Beobachtung hast du in den vergangenen Wochen gemacht und warum sollten wir ausgerechnet jetzt vor diesem Schreckensszenario stehen? Und welchem Betrug unterliegt das Goldsystem dabei?
Rees Jeannotte: Ja, dass der Kapitalismus immer wieder zu Krisen führt, ist kein Geheimnis. Und typischerweise bleiben diese Krisen finanziell, sie finden in der Regel innerhalb des monetären Systems statt. Etwa das Platzen der Dotcomblase oder die Bankenkrise im Jahr 2008 spielten sich innerhalb des US-Dollarsystems ab. Da andere Länder den US-Dollar aber unbedingt benötigen, um internationalen Handel betreiben zu können, nahmen die Krisen ein globales Ausmaß an. Immerhin können die USA unendlich viel Geld schöpfen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen, solange das Vertrauen anderer Länder in den US-Dollar als Reservewährung bestehen bleibt. Dass die USA dieses Privileg lange Zeit ausgenutzt haben, um andere Länder zu erpressen, ist im Übrigen auch kein Geheimnis. Nachdem sie im Jahr 2022 aber Russlands US-Dollarreserven in Höhe von 300 Milliarden einfroren, kamen weltweit Zweifel an der Sicherheit des US-Dollars auf. Als Alternative fingen nicht nur Russland und China, sondern auch ein breites Spektrum weiterer Staaten an, Goldreserven aufzubauen. Und heute gibt es einen regelrechten Ansturm auf physisches Gold. In der zweiten und dritten Oktoberwoche, in etwa ab dem 9. Oktober dieses Jahres, hat der Goldpreis ein neues Hoch von rund 4.400 US-Dollar pro Unze erreicht. Daraufhin haben die sogenannten Bullionbanken, also Banken, die eine zentrale Rolle im globalen Edelmetallhandel spielen, und Mitglieder der London Bullion Market Association (LBMA), einem außerbörslichen Handelsplatz für die Festlegung des Weltmarktpreises für Gold und Silber, sind – Banken wie J.P. Morgan, Goldman Sachs oder die Citibank – panisch mit einem Algorithmus den Preis gedrückt. Das geht, da die Algorithmen unendlich viele Leerverkäufe als Munition zur Verfügung haben. Dazu muss man wissen, dass der US-Dollar 99,3 Prozent seines historischen Werts verliert, wenn Gold einen Wert von 5.000 US-Dollar erreicht. Aber nicht nur das, denn die US-Dollarliquidität wird ab dieser Marke so knapp, dass das US-Dollarsystem anfängt zu implodieren. Wir stehen also vor einer finanziellen und monetären Krise, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Noch nie ist eine Weltreservewährung kollabiert.
Flo Osrainik: Der Preis von Gold und anderen Edelmetallen wird also künstlich gedrückt und liegt in Wahrheit viel höher. Trotzdem bewegt sich der Goldkurs langsam, aber sicher in Richtung 5.000 US-Dollar pro Unze?
Rees Jeannotte: Der Goldkurs wird schon lange gedrückt. Die Live-Charts, die den Preis anzeigen, spiegeln das auch eindeutig wider. Die Bullionbanken werden den Preis nicht bis auf 5.000 US-Dollar steigen lassen, weil sie ganz genau wissen, was das bedeuten würde. Bei rund 4.500 US-Dollar pro Unze für Gold wäre das Vertrauen in den US-Dollar so gut wie gescheitert, so wie bei einem Preis um die 55 US-Dollar für eine Unze Silber. Nur haben wir diesen Punkt bei Silber bereits vor Kurzem überschritten. Und wie weit sie bereit sind zu gehen, konnte man dann am 27. und 28. November sehen.
Flo Osrainik: Wieso, was geschah?
Rees Jeannotte: Silber, ein Metall, das gerade sehr knapp ist, erreichte einen Preis von 56 US-Dollar pro Unze. Damit lag der Silberpreis noch höher als beim großen Hammerschlag vom 20. Oktober 2025, als Silber 54 US-Dollar pro Unze erreichte. Der Silberpreis befindet sich dem Ende ihrer Komfortzone vermutlich bedrohlich nahe. Auf jeden Fall wurden große Bestellmengen für physisches Silber fällig. Um nun eine Force Majeure, das heißt ein unvorhersehbar großes Ereignis, zu vermeiden, wurde das ganze System gestoppt. Die Märkte standen für zehn Stunden still. Die offizielle Ausrede dafür lautete, dass es sich um einen Kühlungsfehler im Klimakontrollraum gehandelt hätte, was aber kaum glaubwürdig war und auch kaum jemand glaubte. Mehrere IT-Experten hielten das zumindest für unmöglich. Die Banken haben in der Zwischenzeit eine Menge Geld in die Hände genommen, und sich Zeit bei den Anbietern von Auftragsbehältern für Edelmetalle, also dort, wo große Mengen wie Gold, Silber, Platin oder Palladium in hochsicheren und bankenunabhängigen Einrichtungen gelagert werden, gekauft.
Wenn zum Beispiel mehr physisches Edelmetall, etwa Gold, geliefert werden muss, als zur Verfügung steht, wird der Rest in US-Dollar ausbezahlt. Und daran scheitert es am Ende, weil viel mehr echtes Gold ausgehändigt werden muss, als vorrätig ist. Das alles in US-Dollar kompensieren zu können, würde das Bankensystem zum Kollabieren bringen. Zwar können sie immer mehr US-Dollar drucken, nur lässt sich die Inflation nicht mehr richtig exportieren, weshalb die Inflation im Land bleibt. Dann gibt es irgendwann eine Hyperinflation und die US-Währung hat keinen richtigen Wert mehr. Wo die Edelmetalle, wie etwa das benötige Silber oder Gold in der Zwischenzeit herkommen sollen, bleibt aber ein Rätsel?
Flo Osrainik: Ich versuche einmal kurz zusammenzufassen: Die Preise für Edelmetalle, allen voran für Gold, werden künstlich massiv gedrückt, um das Ende des US-Dollars als Reservewährung und in der Folge einen Systemkollaps mit unvorhersehbaren Auswirkungen für die ganze Welt zu vermeiden. Der Grund dafür ist, dass die physischen Lagerbestände etwa für Gold oder Silber nicht ausreichen, um das Gold und Silber, das auf dem Papier besteht oder real nachgefragt wird, nicht annähernd decken, womit die Blase und das ganze System zusammenbrechen und wie Dominosteine umfallen würden. Spielen die Pläne für digitale Währungen wie den digitalen Euro dabei eine Rolle und mit welchen Folgen rechnest du?
Rees Jeannotte: Alle Weltwährungen werden an Wert verlieren. Die Flucht ins Gold ist eine Stimme gegen Fiat-Währungen. Fiat-Geld ist das Gegenteil von Warengeld und nicht durch physische Rohstoffe wie Gold oder Silber gedeckt. Es hängt ausschließlich vom Vertrauen in eine Zentralbank oder Regierung ab, die es herausgibt. Das lateinische "Fiat" bedeutet im Übrigen "Es sei, werde, geschehe" und steht für Geld aus dem Nichts.
Kollabiert der US-Dollar, dann hat die Welt keine Preise mehr, weil die Rechnungseinheit US-Dollar verschwindet. Und ohne eine internationale Preismaßeinheit funktioniert zunächst kein globaler Handel mehr, weil niemand weiß, was etwas kostet. Auch alle anderen Währungen verlieren den Maßstab für ihren eigenen Wert. Das heißt aber auch, dass unser effizientes Lieferkettensystem, die Just-In-Time-Supply-Chain, zusammenbricht. Nichts würde sich weltweit mehr bewegen. Wahrscheinlich kann sich jeder vorstellen, was das bedeuten würde. Das physikalische Liquiditätsproblem führt also auch zu einem finanziellen Liquiditätsproblem.
Der digitale Euro ist dabei ein separates Thema. Man könnte sagen, dass es keine Rolle bei der Entdollarisierung spielt. Allerdings sagt die EZB, dass der digitale Euro ein Bollwerk gegen die digitale Dollarisierung sein soll und die EU vom US-Dollar unabhängiger machen könnte. Etwa wenn die US-Dollar-Zahlungen dadurch reduziert würden. Letztendlich spüren weltweit aber alle Akteure, dass das US-Dollarsystem zu seinem Ende kommt. Man weiß nur nicht, wie lange es noch dauert. Ich denke, dass es schon vorbei ist und nicht mehr lange künstlich am Leben gehalten werden kann.
Flo Osrainik: Du gehst schon sehr bald vom Zusammenbruch aus. Wie geht es weiter, wie sollte man vorsorgen und was kann man anders machen?
Rees Jeannotte: Ja, ich gehe von Wochen bis Monaten aus. Mathematisch wird es kollabieren. Die massive Schuldenblase und die dazugehörende "Everything Bubble" müssen unvermeidbar zu einem Ende kommen. Aber auch wegen des globalen Herrschaftsanspruchs entsprechender Kreise in den USA. Schon Karl Marx hat prognostiziert, dass der technische Fortschritt im Kapitalismus dazu führt, dass Arbeit, also variables Kapital, welches einen Mehrwert schafft, zunehmend durch Maschinen und Rohstoffe, eben durch konstantes Kapital, ersetzt wird. Die Profitrate sinkt deswegen tendenziell und das System muss immer mehr Rohstoffe extrahieren und neue Märkte ausbeuten, um alles am Laufen zu halten. Auch mit Gewalt. Das sehen wir jetzt in der Metallkrise, und die Entdollarisierung hat die Knappheit der Metalle nur aufgedeckt. Wir verbrauchen die Rohstoffe des Planeten schon viel zu lange mit viel zu niedrigen Preisen in einer nicht nachhaltigen Geschwindigkeit. Die Preise für Rohstoffe müssten also viel höher sein.
In Zukunft wird es nicht mehr machbar sein, so zu konsumieren, wie wir es heute tun. Ein anderer Umgang mit der Umwelt ist nötig. Wir stehen vor sehr ernsten Problemen und wir sitzen alle im selben Boot, wenn durch den Zusammenbruch der Lieferketten keine Produkte mehr geliefert werden. Das betrifft uns alle gleichermaßen, die Armen und die Reichen, die US-Amerikaner, die Chinesen und die Deutschen, und wenn wir nicht schnell reagieren, dann befürchte ich, dass es zu Hungersnöten kommen wird. Auch wenn sich das unglaublich anhört, zeigt es, wie abhängig wir durch die enorme Effizienz doch alle voneinander sind.
Aber wie gesagt, die Preise müssen unbedingt auf ihren realen Wert ansteigen, das lässt sich nicht vermeiden. Doch auch das muss in einer Art und Weise und vor allem sozial gerecht und machbar geschehen, damit wir am Ende dann nicht deswegen in ein Chaos stürzen.
Flo Osrainik: Ich danke dir für das Gespräch.
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