Meinung

Wahrheitsministerium auf Schweizer Art: Wenn Bern entscheidet, was wir denken sollen

Der Bundesrat errichtet unter dem Vorwand der Desinformationsbekämpfung eine neue Wahrheitsinstanz. Als "Schutz der Demokratie" verkauft, bedeutet sie einen gefährlichen Machtanspruch über Denken, Bildung und öffentliche Meinungsbildung. Ausgerechnet ein Staat, der selbst Vertrauen verspielt hat, beansprucht Deutungshoheit. Die Schweiz entfernt sich leise von ihrem freiheitlichen Fundament.
Wahrheitsministerium auf Schweizer Art: Wenn Bern entscheidet, was wir denken sollenQuelle: Legion-media.ru © Mike Schmidt/ @Sputnik / X

Von Hans-Ueli Läppli

Orwell ist angekommen. Nicht schleichend, nicht versteckt, sondern mit Medienmitteilung, Arbeitsgruppe und wohlmeinender Rhetorik. 1984, Version Bundesbern. Und Martin Pfister steht in der ersten Reihe.

Der Bundesrat schafft eine interdepartementale Arbeitsgruppe gegen "Beeinflussungsaktivitäten und Desinformation". Klingt technisch, harmlos, fast notwendig. In Wahrheit ist es ein politischer Offenbarungseid.

Der Staat erklärt sich selbst zur Instanz darüber, was wahr, zulässig und demokratiefördernd ist. Wer das Problem nicht erkennt, sollte Orwells Buch nicht lesen, sondern ernst nehmen.

Offiziell geht es um fremde Staaten, um Propaganda, um die Manipulation von Wahrnehmung, Denken und Handeln. Diese Wortwahl allein müsste alarmieren. Seit wann ist es Aufgabe des Staates, das Denken seiner Bürger zu schützen oder zu formen? Die Schweiz war stark, weil sie den mündigen Bürger voraussetzte. Nicht den betreuten.

Besonders pikant ist, wer hier den Moralapostel gibt: ein Bundesrat, der in den letzten Jahren selbst zum größten Desinformationslieferanten des Landes wurde. Corona war kein Betriebsunfall, sondern ein Lehrstück. Masken nützten nicht, dann nützten sie doch. Zertifikate verhinderten Ansteckung, später natürlich nicht. Alles stets wissenschaftlich abgestützt. Alles stets alternativlos. Alles am Ende relativiert. Vertrauen verspielt.

Dass ausgerechnet diese politische Klasse sich nun anmaßt, Wahrheit von Lüge zu trennen, ist grotesk. Bei der Energiepolitik wurden Wunschzahlen als Fakten verkauft; bei der Personenfreizügigkeit wurden Risiken kleingeredet.

Bei den F-35 von Fixpreisen gesprochen, die keine waren.

Bei EU-Verträgen werden Begriffe so lange umetikettiert, bis sie politisch verdaulich sind. Desinformation als Staatsräson.

Nun also die nächste Eskalationsstufe. Präventive und reaktive Maßnahmen. Überprüfung von Lehrplänen. Frühpädagogische Wahrheitslehre.

Wer entscheidet, was Kinder lernen sollen, entscheidet auch, was sie nicht lernen sollen. Indoktrination beginnt nicht mit Parolen, sondern mit Auslassungen.

Beruhigend soll wirken, dass man die Pressefreiheit nicht antasten wolle. Diese Versicherung ist billig. Einflussnahme funktioniert heute subtiler. Über Fördergelder, über institutionelle Nähe, über moralische Stigmatisierung abweichender Meinungen.

Wer nicht mitsingt, gilt als problematisch. Wer fragt, ist verdächtig.

Die staatlich alimentierten Medien spielen dabei eine Schlüsselrolle. Wenn SRG und andere subventionierte Häuser faktisch Teil eines politisch gewünschten Meinungskorridors werden, braucht es kein Zensurgesetz mehr. Der Druck wirkt vorauseilend. Redaktionen wissen, was erwünscht ist. Kommentarschreiber lernen, was sie besser für sich behalten.

Natürlich gibt es ausländische Einflussversuche. Natürlich gibt es Propaganda. Doch eine Demokratie verteidigt sich nicht, indem sie ihren eigenen Bürgern misstraut. Wer den Menschen das Denken abgewöhnen will, hat das Argument verloren.

Der Ruf nach einem Wahrheitsministerium ist immer ein Zeichen von Schwäche. Wer recht hat, braucht keine Arbeitsgruppe. Wer überzeugt, braucht keine Lehrplanprüfung. Die Wahrheit setzt sich durch, wenn man sie offen verteidigt und Widerspruch zulässt.

Die Schweiz war nie perfekt, aber sie war misstrauisch gegenüber Machtkonzentration. Dieses Misstrauen ist keine Krankheit, sondern ein Erfolgsmodell. Wer es pathologisiert, arbeitet nicht gegen Desinformation, sondern gegen die offene Gesellschaft.

Oh Schweiz, wohin gehst du, wenn der Staat beginnt, deine Gedanken zu verwalten.

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