
AfD-Reisen in die USA: Kotau vor dem Hegemon oder Dialog auf Augenhöhe?

Von Astrid Sigena
Die USA-Reisen der AfD sind derzeit in aller Munde. Sehr zum Leidwesen der etablierten Parteien pflegen AfD-Politiker ausgezeichnete Kontakte zu Trumps MAGA-Bewegung und vermehrt auch zur Trump-Administration selbst. In Zeiten, in denen Bundeskanzler Merz – eigentlich ein eingefleischter Transatlantiker – in seiner Münchner Rede (ab Minute 16) "eine fundamentale Änderung des transatlantischen Verhältnisses", ja sogar ein Ende der Pax Americana für Europa konstatieren muss, führte dies zu scharfer Kritik vonseiten der Union, die aufgrund der AfD-Kontakte zu den US-Republikanern sogar die Gefahr einer Destabilisierung Deutschlands und der EU erkannte. Die Bündnisgrüne Irene Mihalic stimmte sogar derart schrille Töne an, wie man sie sonst nur in Bezug auf sicherheitsrelevante Anfragen von AfD-Fraktionen oder Russlandkontakte von AfD-Politikern kennt. Die AfD erweise sich "mehr und mehr als eine von autoritären Kräften des Auslands gesteuerte Partei", so Mihalic gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland, und orientiere sich "an Direktiven aus dem Ausland".

Nun muss man Kritik von Konkurrenzparteien nicht allzu ernst nehmen, ebenso wie die Empörung der zum Springer-Konzern gehörenden Bild-Zeitung, die dem AfD-Außenpolitiker Markus Frohnmaier unterstellte, er ziehe in den USA über Deutschland her – nur weil er Repressalien gegen die größte Oppositionspartei und die Einschränkung der Meinungsfreiheit einfacher Bürger thematisierte. Allerdings gibt es auch innerhalb des AfD-Umfeldes lauter werdende Kritik an den sich intensivierenden USA-Reisen von AfD-Führungspersönlichkeiten. So postete der thüringische AfD-Landtagsabgeordnete Torben Braga auf der Plattform X:
"Es ist völlig in Ordnung, wenn zwei oder drei AfD-Abgeordnete in die USA reisen und an Veranstaltungen einer Republikaner-nahen Gruppe teilnehmen. Aber es müssen nicht gleich zwei Dutzend sein."
Und in der Dezember-Ausgabe der rechtskonservativen Zeitschrift "Sezession" hatte Braga im Interview mit dem Verleger Götz Kubitschek davor gewarnt, dass der sich derzeit in den USA vollziehende Paradigmenwechsel sehr stark an die Person Donald Trumps und die mit ihm verbündete MAGA-Bewegung gebunden sei – eine Entwicklung, die sich auch schnell wieder umkehren könne. Er bezweifle außerdem, dass die USA ein tatsächliches Interesse an einem unabhängigen oder selbstbewussten Deutschland hätten. Insofern begrüße er zwar den "sachlicheren Umgang mit der AfD" seitens der Trump-Administration, daraus dürfe aber "keine inhaltliche Gefolgschaft zu jedem Preis erwachsen".
Tatsächlich stimmen die Grundprinzipien von Trumps MAGA-Bewegung und der AfD in vielen Gesichtspunkten überein, sei es die Kritik an der Massenmigration und an der Einschränkung der Meinungsfreiheit oder auch die Ablehnung woker Exzesse. Die Kontakte nach Übersee sind dabei jedoch auch im wohlverstandenen Eigeninteresse der AfD. Die AfD – durch die Einstufung der meisten Ost-Landesverbände als "gesichert rechtsextrem" vom Verfassungsschutz stigmatisiert – dürfte hoffen, als Trumps Protegé in Mitteleuropa einem drohenden Parteienverbot zu entgehen. Und in der Tat ließ die Bild-Zeitung schon mal Sicherheitsexperten vor eventuellen US-amerikanischen Sanktionsmaßnahmen warnen, sollte die Merz-Regierung ein AfD-Verbotsverfahren ernsthaft in Angriff nehmen. Womöglich sähe man im Weißen Haus auch eine mögliche Regierungsbeteiligung der AfD als Juniorpartner gerne: Der Appell des Young-Republicans-Vertreters Dovid Holtzmans auf der NYYRC-Gala, "Chancellor Merz: Tear down this Brandmauer!", dürfte zumindest darauf hinweisen.
Die Frage ist: Was ist der Preis dafür, unter den Schutzschirm des US-amerikanischen Übervaters Trump zu schlüpfen? Und ist Trump überhaupt in der Lage, diese Hoffnungen zu erfüllen? Würde er wirklich – wenn es hart auf hart kommt – um der AfD willen mit der Merz-Regierung brechen? Noch ist unklar, welche Erwartungen an AfD-Gegenleistungen die Trump-Administration hegt. Dass es offensichtlich welche gibt, darauf machte der konservative Publizist Bruno Wolters mit dem Hinweis auf eine Äußerung des republikanischen Politikers und früheren US-Botschafters in Berlin, Richard Grenell, aufmerksam. Gegenüber einem Kritiker der US-Zusammenarbeit mit der AfD sprach Grenell von "deutlichen Anweisungen", was die US-amerikanischen Erwartungen betreffe, ohne inhaltlich weiter darauf einzugehen.
Auffällig ist jedenfalls die starke Präsenz sachsen-anhaltischer AfD-Politiker in der AfD-Delegation. In diesem Bundesland werden 2026 Landtagswahlen stattfinden und es ist Umfragen zufolge wahrscheinlich, dass die AfD die stärkste Kraft werden wird. Sogar eine AfD-geführte Landesregierung liegt im Rahmen des Möglichen. Neben AfD-Spitzenkandidat Ulrich Siegmund sind sechs weitere AfD-Parlamentarier in die USA gereist, darunter der transatlantischer Neigungen unverdächtige Hans-Thomas Tillschneider. Wollte man etwa mit der US-amerikanischen Seite besprechen, wie im Falle eines Preußenschlages 2.0, also dem zu befürchtenden Gebrauch des Bundeszwanges vonseiten der Merz-Regierung zu verfahren sei?
Was sich beide Seiten voneinander erhoffen, dürfte im kommenden Jahr womöglich klarer werden. Markus Frohnmaier hat auf seiner USA-Reise für den kommenden Februar Vertreter des US-Außenministeriums, Kongressabgeordnete und von Organisationen der MAGA-Bewegung zu einem Kongress nach Berlin eingeladen. Die Frage ist, wie hochkarätig dann die US-republikanische Delegation sein wird. Und vor allem, wie kundig sie in europäischen und speziell deutschen Belangen auftreten wird. Im vergangenen November sprach Alex Bruesewitz, ein Kommunikationsstratege aus dem Trump-Umfeld, vor der Bundestagsfraktion. Zumindest seine öffentlich gegebenen Ratschläge waren eher enttäuschend. Bruesewitz mäkelte an den zu engen Räumlichkeiten herum (wohl in Unkenntnis darüber, mit welchen kleinlichen Einschränkungen sich die AfD im Bundestag herumschlagen muss) und gab dann den deutschen Politikern den Ratschlag, den christlichen Glauben öffentlich zu leben – was im religiös zurückhaltenderen Deutschland womöglich weniger gut ankommen dürfte als in den USA.
Auffällig ist auch: Bisher gab es noch keine Fotos der AfD-Delegation mit wirklich bedeutenden US-Politikern. Markus Frohnmaier sprach zwar auf X von Treffen mit wichtigen Vertretern im State Department (dem US-amerikanischen Außenministerium), postete dann jedoch lediglich Fotos mit Unterstaatssekretärin Sarah B. Rogers und Darren Beattie. Und die Feststellung der Bild-Zeitung ist wohl zutreffend, dass die in New York versammelte US-Republikaner-Jugend ihrem Ehrengast Markus Frohnmaier nicht gerade ihre volle Aufmerksamkeit widmete. Die von Frohnmaier auf X geposteten Fotos zeigen ein recht unaufmerksames Publikum. Und auch auf dem X-Account des gastgebenden NYYRC stehen eher innenpolitische Themen, weniger der Gast aus dem fernen Deutschland im Vordergrund.
Insofern besteht durchaus die Gefahr, dass die AfD in den altbekannten Vasallenstatus bundesrepublikanischer Parteien gegenüber den USA zurückfällt und sich durch Feiern in New Yorker Nobelklubs vor ihren deutschen Wählern kompromittiert, ohne überhaupt eine substanzielle Gegenleistung zu erhalten. Dann wird es auch nichts nützen, eine "gemeinsame Zivilisation" und die Kooperation der USA mit einem "Europa starker, souveräner Nationen" zu beschwören, wie dies der EU-Abgeordnete René Aust seitens der AfD getan hat. Ohnehin ist die Frage, wie konkret die AfD-Vertreter ihre Souveränitätswünsche beim offiziellen Washington zur Sprache brachten: Waren die immer noch auf deutschem Boden stationierten US-Truppen sowie die für 2026 geplante Stationierung von US-Mittelstreckenraketen bei den Treffen überhaupt ein Thema?
Die Ungeniertheit, mit der die AfD-Fraktionsspitze das – wenn auch kurzfristige und teilweise mit eigenen Mitteln finanzierte – süße Leben der AfD-Politiker in der Metropole New York genehmigt hat, erstaunt, wenn man bedenkt, mit welcher Vehemenz die Co-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel noch vor einem Monat die Teilnahme einiger AfD-Abgeordneter an der BRICS-Europa-Konferenz im russischen Sotschi gegeißelt hatte. Man müsse als Parlamentarier nicht unbedingt in einen Skiort wie Sotschi fahren, sondern könne auch zu Hause bleiben und die parlamentarische Arbeit erledigen. Sogar ein Parteiausschlussverfahren hatte Weidel bei Zuwiderhandeln gegen die von der Fraktionsspitze verhängten Rahmenbedingungen (die Rede war unter anderem vom Verbot eines Treffens mit Russlands Ex-Präsidenten Dmitri Medwedew) ins Spiel gebracht.
Während sich hochrangige US-amerikanische Offizielle bisher noch hüten, sich vor der Kamera mit AfD-Vertretern sehen zu lassen (sofern diese Treffen überhaupt stattgefunden haben), traf der russische Außenminister Sergei Lawrow eine AfD-Delegation bereits im Dezember 2020 zu Gesprächen in Moskau – zu einer Zeit, in der die AfD noch nicht der strahlende Stern der bundesdeutschen Parteienlandschaft war, sondern in den Umfragen bei 10 Prozent herumdümpelte. Drei Monate später, im März 2021 (die AfD stand bei 12 Prozent), wurde Alice Weidel ebenfalls im Außenministerium der Russischen Föderation sowie von Duma-Abgeordneten empfangen. Offenbar mag sich die AfD-Führung an diesen wohlwollenden Empfang während der Zeit ihrer kleinen Anfänge nur noch ungern erinnern – anders lässt sich das Kontaktverbot mit russischen Offiziellen für AfD-Abgeordnete kaum erklären.
Vergangenen Samstag bekam Markus Frohnmaier von der New Yorker Abteilung der "Young Republicans" den Allan-W.-Dulles-Award verliehen (RT DE berichtete). Von US-amerikanischer Seite könnte der Namensgeber der Auszeichnung, der frühere CIA-Chef Allan Welsh Dulles, geradezu ein Wink mit dem Zaunpfahl an den aufstrebenden Jungpolitiker aus Deutschland sein: Immerhin war Dulles maßgeblich verantwortlich für die Regierungsumstürze in Iran und Guatemala in den 50er Jahren; außerdem soll Dulles in den 60er Jahren die Zustimmung für die Ermordung Patrice Lumumbas gegeben haben. Ein deutliches Signal, was mit aufsässigen Regierungen und Politikern passieren kann, die bei den maßgeblichen Kreisen der USA in Ungnade gefallen sind. Auch heute noch können Iran und neuerdings wieder Venezuela ein Lied davon singen, was es bedeutet, ins Fadenkreuz des schwächer werdenden, aber immer noch gefährlichen Hegemons geraten zu sein.
Die Aufgabe der derzeitigen AfD-Schattendiplomatie vor der erwartbaren Machtübernahme und Ablösung der Regierung Merz gleicht einem Balanceakt auf dem Drahtseil. Den AfD-Politikern obliegt es, die Kontakte nach Übersee und die momentane Gunst des Hegemons im Interesse des deutschen Volkes zu nutzen, ohne sich in serviler Botmäßigkeit von den Trumpisten abhängig zu machen. Ein Übergewicht hin zur US-amerikanischen Seite könnte den Absturz beim außenpolitischen Seiltanz bewirken – und damit jegliche Hoffnung auf eine zukünftige tatsächlich souveräne deutsche Regierung vernichten.
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