
Die Machado-Inszenierung von Oslo

Von Astrid Sigena
Die diesjährige Friedensnobelpreisträgerin, die Venezolanerin María Corina Machado, wird voraussichtlich nicht an der Preisverleihung in Norwegen teilnehmen. Sollte dies der Fall sein, würde eine Inszenierung scheitern, für die sie fest eingeplant war.
Spätestens seit der Verleihung des Friedensnobelpreises an den damaligen US-Präsidenten Barack Obama im Jahr 2009 hat gerade dieser Preis einen hochpolitischen Charakter. Eigentlich hatte Donald Trump, der derzeitige US-Präsident, diese Ehrung für seine Person geradezu eingefordert – vergebens, Trump ging – diesmal zumindest – leer aus. Er musste sich damit zufriedengeben, dass das Nobelpreiskomitee den Preis im Oktober dieses Jahres mit María Corina Machado an eine Kandidatin vergab, die hundertprozentig auf Wellenlänge mit Trump liegt, was seine Lateinamerika-Politik betrifft.

Nicht nur, dass Machado unmittelbar nach der Verkündung der Preisverleihung in recht devoter Weise Trump den ihm entgangenen Preis widmete, sie scheute auch nicht davor zurück, der in Venezuela einen Regime-Change anstrebenden Trump-Administration die Reichtümer, Bodenschätze sowie die Industrie ihrer Heimat anzubieten. Während das Pentagon vor der Küste Venezuelas vermeintliche oder tatsächliche Drogenkuriere tötet – Experten der Vereinten Nationen sprechen von "außergerichtlichen Hinrichtungen" – verzichtet die venezolanische Oppositionspolitikerin nicht nur auf Kritik an diesen Übergriffen – bei denen auch Überlebende getötet worden sein sollen –, sondern fordert Trump sogar zu einer Militäroperation in ihrem Land auf, um den dortigen Präsidenten Nicolás Maduro zu stürzen – dies sei "der einzige Weg", bekundete Machado. Eine recht seltsame Aussage für eine Frau des Friedens – zumindest stellt man sich nach landläufiger Auffassung eine Friedensnobelpreisträgerin als eine solche vor.
Tatsächlich scheint es fraglich, ob es Trump und seinen Gefolgsleuten wirklich um die Bekämpfung der Drogenkriminalität geht und nicht vielmehr darum, eine Drohkulisse gegen den derzeitigen Amtsinhaber Maduro aufzubauen. Von einer Suche nach möglichen Exilorten für Maduro ist schon die Rede – im Gespräch ist unter anderem Panama –, allerdings gibt es derzeit keine Signale, dass Maduro bereit wäre, sein Land zu verlassen. In letzter Zeit wurde der Druck auf den venezolanischen Präsidenten noch zusätzlich erhöht: So gab Trump Ende November bekannt, auch auf venezolanischem Boden gegen "Drogenhändler" vorgehen zu wollen – eine Verletzung der Souveränität dieses lateinamerikanischen Staates, sollte Trump es ernst meinen und nicht nur bluffen (was man bei ihm niemals ausschließen kann). Dazu passte, dass Machado etwa zur gleichen Zeit haltlose Behauptungen wiederholte, Maduro stecke mit dem Drogenhandel unter einer Decke und habe Wahlen in den Vereinigten Staaten manipulieren wollen (RT DE berichtete). Die Spannungen in Lateinamerika werden noch zusätzlich dadurch angeheizt, dass seit Wochen US-amerikanische Kriegsschiffe vor der Küste Venezuelas kreuzen – eine klassische Form von Kanonenbootdiplomatie.
Beim aggressiven Vorgehen Washingtons spielt vermutlich nicht nur der Wunsch nach einer willfährigen Regierung in Venezuela, die US-amerikanischen Firmen Zugriff auf die Naturreichtümer des Landes bietet, eine Rolle. Auch die aus Trumps Sicht wünschenswerte Eindämmung des Einflusses von Chinas und Russlands in der Region (Venezuela möchte der BRICS-Vereinigung als Vollmitglied beitreten) muss als Motivation herangezogen werden. Es hat aber den Anschein, als ob sich Trump seiner Sache dennoch nicht allzu sicher ist. Mit einem Militäreinsatz in Venezuela könnte er sein Land auf unabsehbare Dauer in einen neuen Konflikt direkt vor seiner Haustür verwickeln – zumal nicht sicher ist, ob das venezolanische Volk (und vor allem: das venezolanische Militär!) einen von den "Yankees" an die Macht gebrachten und gehaltenen Präsidenten akzeptieren wird.
In diese Zeit der vorgeblichen Unentschlossenheit oder anscheinenden Ratlosigkeit fällt nun die Entscheidung der Preisträgerin Machado, nicht nach Oslo zur Preisverleihung zu reisen. Medienberichten zufolge soll sie untergetaucht sein. An ihrer Stelle wird ihre Tochter Ana Corina Sosa Machado die von María Machado entworfene Rede halten. Auch ihre beiden anderen Töchter sowie Machados Mutter und Schwestern halten sich bereits in Oslo auf. Die Familie behauptet, nicht zu wissen, wo Machado sich befindet. Selbst der preisverleihenden Institution, dem norwegischen Nobelkomitee, soll der Aufenthaltsort der Oppositionspolitikerin nicht bekannt sein. Am Vortag war schon eine angekündigte Pressekonferenz mit Machado erst verschoben, dann abgesagt worden.
Bereits im November hatte der venezolanische Generalstaatsanwalt Tarek William Saab der Oppositionellen "Verschwörung, Anstiftung zum Hass und Terrorismus" vorgeworfen und angekündigt: Sollte Machado das Land verlassen und an der Nobelpreiszeremonie teilnehmen, würde sie als flüchtig gelten. Damit hätte der Nobelpreisträgerin bei ihrer Rückkehr nach Venezuela entweder die Festnahme oder ein Einreiseverbot gedroht. Dies wollte Machado offenbar nun doch nicht riskieren, nachdem sie zuvor noch vor wenigen Tagen beteuert hatte, alles daran setzen zu wollen, nach Oslo zur Preisverleihung reisen zu wollen. Ein recht drastischer Schwenk also. Machado sprach auch von Drohungen seitens ihres Feindes Maduro (für ihn eine "dämonische Hexe"), sie töten zu wollen. Es besteht allerdings weiterhin die Möglichkeit, dass Machado nach der eigentlichen Zeremonie in Norwegen eintreffen wird.
Denn zunächst sah es so aus, als werde die Verleihung des Friedensnobelpreises an María Machado zu einer großen Inszenierung gestaltet. Lateinamerikanische Trump-Anhänger wie der argentinische Präsident Javier Milei und sein ecuadorianischer Amtskollege Daniel Noboa Azín wollten bei der Zeremonie in Oslo zugegen sein. Der panamaische Präsident José Raúl Mulino traf sich bereits mit Machados Familie und mit Exil-Venezolanern, um seiner Unterstützung für die dortige Oppositionsbewegung Ausdruck zu verleihen. Auch der von den USA als venezolanischer Präsident anerkannte und im spanischen Exil lebende Edmundo González Urrutia ist zur Übergabe des Friedensnobelpreises eingeladen. Ein großes Familientreffen also von südamerikanischen Trumpisten beziehungsweise Anti-Chavisten, das sich Machado eigentlich nicht entgehen lassen kann.
Dem kolumbianischen Politiker José Obdulio Gaviria zufolge war sogar bei einem Treffen von Machado mit González in Oslo geplant, die frischgebackene Friedensnobelpreisträgerin zur venezolanischen Vizepräsidentin zu ernennen. Dies sollte im Rahmen einer formellen Amtseinführung des (aus Sicht der venezolanischen Opposition sowie der Trump-Administration) gewählten Präsidenten González geschehen. Angeblich sei auch eine Rückkehr der Regierung González-Machado nach Venezuela in Aussicht gestellt worden; Machado habe sogar schon ihre Dankesrede ausgearbeitet, die sie vor den in Caracas versammelten Massen halten wolle. Sollte es sich dabei nicht lediglich um ein Gerücht handeln, scheint ein Fernbleiben Machados schwer möglich. Denn als Friedensnobelpreisträgerin würde sie dem eher unbekannten Exil-Politiker González samt seiner frisch ernannten Regierung Glanz und Legitimität verleihen – so zumindest die wohl dahinterstehende Hoffnung. Ein Kommen Machados und ihre Ernennung zur Vizepräsidentin müssten dann als endgültige Kampfansage an Maduro gewertet werden – samt baldigem Umsturzversuch. Ein Wegbleiben Machados könnte hingegen Spekulationen veranlassen, Trump habe einen "Regimewechsel" in Venezuela bis auf Weiteres erst einmal abgeblasen.
Sollte Machado aber Oslo endgültig fernbleiben, dürfte sie – abgesehen von den Drohungen aus Venezuela – gute Gründe haben. Denn das Leben als Exil-Politikerin ist alles andere als verlockend. Die im Westen lebende weißrussische und russische Opposition gibt da in ihrer Zerstrittenheit und Machtlosigkeit ein abschreckendes Beispiel. Es droht Machado ein Absinken in die Bedeutungslosigkeit, sollte ein Staatsstreich in Venezuela misslingen. Ähnlich wie es bei der weißrussischen Oppositionellen Swetlana Tichanowskaja der Fall ist: Einst zur Beinahe-Präsidentin, ja sogar zur eigentlichen Präsidentin des Landes stilisiert, ist sie nunmehr von den westlichen Medien stillschweigend wieder zur einfachen Oppositionellen und Bürgerrechtlerin degradiert worden. Ein Schicksal, das auch María Machado als venezolanischer Vizepräsidentin im Exil blühen könnte.
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