Meinung

Meinungsfreiheit in Russland und der Despot im Kanzleramt

Russland gilt vielen Deutschen als schlechtes Beispiel, wenn es um Meinungsfreiheit geht. Dabei sind die deutschen Zustände deutlich bedrückender als die Zustände in Russland. Einen wichtigen Beitrag zum Abbau der Freiheit und zum Umbau in Richtung Despotie leistet dabei Bundeskanzler Merz.
Meinungsfreiheit in Russland und der Despot im Kanzleramt© urheberrechtlich geschützt

Von Gert Ewen Ungar

Wenn es um Russland geht, fallen dem vom deutschen Mainstream gut konditionierten Medienkonsumenten neben Putin vor allem drei Begriffe ein: Diktatur, Zensur und Unterdrückung der Zivilgesellschaft. Das liegt an einer manipulativen deutschen Berichterstattung, die längst das Prädikat Journalismus nicht mehr verdient, weil sie vollständig in der Propaganda und im Feindbildaufbau angekommen ist.

Es liegt aber natürlich auch am Wirken von westlichen NGOs, die als staatliche Vorfeldorganisationen ihre Budgets dafür erhalten, dass sie das westliche Narrativ verbreiten und mit pseudowissenschaftlichen Belegen unterfüttern. Nur so ist zu erklären, dass im jährlichen Ranking von Reporter ohne Grenzen die Ukraine trotz all der dort herrschenden Repression und der Gleichschaltung der Medien immer im Mittelfeld landet, Russland aber nur am Ende aufgelistet wird, obwohl es die in der Ukraine alltäglichen Formen der Repression und Zensur in Russland so nicht gibt. 

Natürlich kommt es auch in Russland zu Verurteilungen, wenn Gesetze übertreten und die öffentliche Ordnung gestört wird. Der Fall der Petersburger Straßensängerin Naoko wurde in diesem Zusammenhang in den deutschen Medien breitgetreten, wobei allerdings zahlreiche Details ausgelassen wurden. Für den deutschen Medienkonsumenten blieb übrig: Naoko hat in der Öffentlichkeit Lieder gegen den Krieg gesungen und wurde deswegen verhaftet und verurteilt. Das Regime Putins zeigte erneut seine grausame, menschenverachtende Fratze. Wer gegen den Krieg ist, kommt in Russland in den Knast. 

So ist es natürlich nicht. Der Fall folgt einem Schema, das man in Russland gut kennt. Ausländische NGOs und Einflussagenten stacheln vornehmlich junge Russen zu öffentlichen Gesetzesübertretungen an, die so lange wiederholt werden, bis sie Konsequenzen nach sich ziehen. Die Folgen werden dokumentiert, die Abläufe umgedeutet, viel wird ausgelassen, um dann die besondere Grausamkeit des Systems Putin beweisen zu können. Es handelt sich dabei um Inszenierungen der Propaganda. So war es wohl auch im Fall Naoko.

Mit dem Verbot zahlreicher vom Westen finanzierter NGOs hat Russland bereits viel gegen die westliche Einflussnahme unternommen, ganz vermeiden lässt sich das Phänomen jedoch nicht, macht der Fall Naoko deutlich. Über diese Inszenierungen entsteht in weiten Teilen der deutschen Gesellschaft der Eindruck, in Russland würden despotische Zustände herrschen, während man sich in Deutschland an den westlichen Freiheiten erfreut. Das Ziel der Propaganda wurde erreicht. Für den deutschen Zuschauer wurde eine alternative Welt in einfachem Schwarz-Weiß geschaffen. Dabei ist in der realen Welt längst das Gegenteil der Fall.

Um es klar zu sagen: Die Freiheit ist in Deutschland weit stärker unter Druck als in Russland. Schuld daran haben unter anderem genau jene Politiker, die behaupten, Russland sei eine despotische Diktatur, in der die Freiheit des Wortes grausam unterdrückt wird.

Während die Rüstungslobbyistin und FDP-Kriegstreiberin Marie-Agnes Strack-Zimmermann faktenwidrig behauptet, man käme in Russland für Kritik an Putin sofort in den Gulag, überzieht sie ihre Kritiker mit Strafanzeigen. Sie bringt es auf 250 Anzeigen im Monat und beschäftigt damit eine eigene Anwaltskanzlei. Der Kanzler vertraut auf die Zusammenarbeit mit einer Abmahnagentur. Seit 2021 soll er rund 5000 Anzeigen erstattet haben. Robert Habeck hat in seiner Zeit als Wirtschaftsminister 805 Strafanzeigen gestellt – er beschäftigte die gleiche Abmahnagentur wie Merz. Auch Bundestagspräsidentin Julia Klöckner und andere deutsche Politiker bedienen sich der für die Demokratie zweifelhaften Dienstleistung der Agentur "So Done". Habeck war übrigens der klagefreudigste Minister der Ampel-Regierung, gefolgt von Annalena Baerbock, die als Außenministerin 513 Strafanzeigen stellte.

An Frau Strack-Zimmermann gerichtet sei an dieser Stelle noch angemerkt: Gulags gibt es seit 1953 nicht mehr. Strack-Zimmermanns Wissen über Russland hinkt der Entwicklung etwas hinterher. 

Seit dem Jahr 2021 ist die Zahl der Klagen von deutschen Politikern gegen Bürger sprunghaft angestiegen. Ermöglicht hat das eine Strafrechtsverschärfung. Auch Werturteile, sprich Beleidigungen von Politikern in den sozialen Netzwerken, können jetzt strafrechtliche Folgen nach sich ziehen. Mit der Verschärfung des Paragrafen 188 StGB  im Jahr 2021 kann die Staatsanwaltschaft obendrein auch ohne Anzeige eigenständig tätig werden, wenn ein besonderes öffentliches Interesse besteht. 

Genaue Zahlen darüber, in wie vielen Fällen das nicht nur zur Verurteilung zur Zahlung einer Geldstrafe, sondern auch zu Haft führte, liegen nicht vor. Allerdings kann man sich sicher sein, dass in Deutschland deutlich mehr Personen wegen Politikerbeleidigung verurteilt wurden und auch im Gefängnis sitzen als in Russland. 

Besonders drastisch und unverhältnismäßig ist dabei in zahlreichen Fällen das Vorgehen der Ermittlungsbehörden. Regelmäßig wird im Zusammenhang mit der Strafverfolgung wegen Politikerbeleidigung von aufgestemmten Türen im Morgengrauen und voll vermummten Einsatzkommandos des SEK berichtet. Dass die russische Polizei im Morgengrauen eine Tür eintritt, weil sich jemand in einem sozialen Netzwerk abfällig über Putin oder einen Minister der russischen Regierung geäußert hat, habe ich dagegen noch nie gehört.  

Unterstützt und regelmäßig eingeleitet werden die Ermittlungen deutscher Strafverfolgungsbehörden von den Meldestellen gegen Hass. Auch Pendants dieser staatlich geförderten Denunziations-Portale sucht man in Russland vergebens. 

Was es in Russland ebenfalls nicht gibt, sind systematische Schikanen von kritischen Journalisten. Kontokündigungen, um die Arbeit von Journalisten und kritischen Medien zu behindern oder ganz zu unterbinden, gibt es in Deutschland, in Russland aber nicht. Das heißt nicht, dass es in Russland nicht zur Strafverfolgung von Journalisten kommen kann, aber ein System der Schikane, wie sich das in Deutschland etabliert hat, in dem ohne eine offizielle Anklage über Mittel der staatlichen Einflussnahme dafür gesorgt wird, dass kritische Journalisten ihre Existenzgrundlage verlieren, gibt es in Russland nicht. Zu dieser Form der Heimtücke und Niedertracht ist man zwar in Berlin, nicht aber in Moskau fähig. Da kann der "Diktator im Kreml" (Bild) von Deutschland noch ganz viel lernen. 

Was in Russland ebenfalls fehlt, sind Sanktionen gegen die eigenen Bürger, weil sie die von Brüssel und Berlin vorgegebenen Narrative zum Ukraine-Konflikt und zu Nahost nicht beachten. Sich vor diesem Hintergrund als Leuchtturm der Freiheit zu inszenieren, ist schon mehr als dreist.  

In Deutschland zeigt sich inzwischen ganz unverhohlen die Fratze autoritärer und totalitärer Regime. Immer mehr Menschen verlassen aufgrund der Zunahme an Zensur und Repression daher das Land. Vor diesem Hintergrund wirken von deutschen Politikern erhobene Vorwürfe gegen Russland bizarr, verlogen und realitätsfern. Repression und Zensur in Deutschland sind wesentlich umfassender, sie greifen tiefer in die Gesellschaft ein, als das in Russland der Fall ist. Sie stacheln zu Hass auf, spalten die Gesellschaft und haben obendrein die Vernichtung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Existenz kritischer Geister zum Ziel. Das ist Ausdruck einer völligen moralischen und sittlichen Verrohung. Mit freiheitlicher Gesinnung oder gar dem Schutz der Demokratie hat dies absolut nichts zu tun. Was in Deutschland passiert, ist das Böse.  

Paradox ist dabei, dass ausgerechnet diejenigen in Deutschland, die Russland als Beispiel für eine despotische Diktatur anführen, selbst einen maßgeblichen Anteil daran haben, dass die deutschen Zustände inzwischen weit despotischer und düsterer sind als die russischen. Merz, Habeck und Strack-Zimmermann wissen offenkundig nicht, wodurch sich die Freiheit einer Gesellschaft begründet und woran sie sich misst, sonst würden sie nichts in eine Richtung unternehmen, die genau diese Freiheit zurückbaut und ein Klima der Angst schafft: Man traut sich in Deutschland nicht mehr, offen seine Meinung zu sagen. Dieser Auffassung stimmt die Mehrheit der Deutschen inzwischen zu. Merz hat persönlich dabei mitgewirkt – der Despot sitzt nicht im Kreml, er sitzt im Kanzleramt. 

Den Konsumenten des deutschen Mainstreams täte es gut, diese Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen. Das Erwachen aus dem süßen Propaganda-Traum von der deutschen Überlegenheit gegenüber Russland wird dann nicht ganz so drastisch und brutal. 

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