Meinung

Die Ukraine als neues Afghanistan – für die USA

"Die Ukraine zu einem zweiten Afghanistan für Russland machen" – so wurde die Zwangsvorstellung westlicher Mainstream-Politiker, Russland in der Ukraine eine strategische Niederlage zuzufügen, in den USA ausgedrückt. Auch wenn das offizielle Washington davon mittlerweile abgerückt ist, scheint es, als würde dieser Geist bald dorthin zurückkehren, wo man ihn rief.
Die Ukraine als neues Afghanistan – für die USA© RIA Nowosti

Von David Narmanija

"Das Tier, das die beiden Nationalgardisten angeschossen hat (beide in kritischem Zustand und nun in getrennten Krankenhäusern), ist ebenfalls schwer verletzt."

So twitterte US-Präsident Donald Trump über die jüngste Schießerei in Washington.

Wie sich später herausstellte, waren die Verletzungen des Angreifers nicht lebensbedrohlich.

Hingegen erlag die Nationalgardistin mittlerweile ihren Wunden, während ihr Kamerad immer noch in kritischem Zustand ist.

Der Angriff ereignete sich am Mittwoch, dem 26. November 2025 um 14:15 Uhr Ortszeit in Washington, nur anderthalb Blocks vom Weißen Haus entfernt. Der Schütze handelte kaltblütig: Laut US-Medienberichten lauerte er im Alleingang zwei Nationalgardisten auf, einem Mann und einer Frau. In seine Pistole hatte er nur vier Schuss Munition geladen.

Zuerst schoss er zweimal auf die Frau und nahm ihr ihre Waffe ab. Dann eröffnete er das Feuer auf ihren Kameraden. Erst einem dritten Nationalgardisten gelang es, den Angreifer anzuschießen und zu neutralisieren.

Der Grund für diese Kaltblütigkeit ist verständlich: Der Angreifer war ein afghanischer Flüchtling, Rahmanullah Lakanwal, der, bevor er in die Vereinigten Staaten kam, zehn Jahre lang in der afghanischen Armee gedient hatte. Und zwar nicht irgendwo, sondern in einer Einheit, die an gemeinsamen Operationen mit US-Spezialeinheiten in Kandahar teilnahm.

Schließlich bestätigte CIA-Direktor John Ratcliffe, dass Lakanwal während seines Einsatzes in Afghanistan mit US-Geheimdiensten, darunter eben auch der CIA, zusammengearbeitet habe.

Tja – mit US-Geheimdiensten arbeitete er zwar in Afghanistan zusammen, verweigert aber nun in den USA die Kooperation mit den Ermittlern.

In den US-Medien wird jetzt darüber debattiert, wer die Schuld an seiner Ankunft in den Vereinigten Staaten trägt. Anhänger der Demokraten verweisen auf Donald Trump und behaupten, Lakanwal habe seinen Antrag auf politisches Asyl bereits im Jahr 2024 gestellt, und dieser sei unter Trump im Jahr 2025 bewilligt worden. Dabei übersehen sie jedoch, dass Lakanwal bereits im Jahr 2021 in die USA einreiste, und zwar während des von Joe Biden autorisierten Abzugs der US-Truppen aus Afghanistan.

Offenbar hatte er Glück: Für ihn war noch ein Platz an Bord eines Flugzeugs übrig und er musste sich nicht wie andere seiner Landsleute, die ebenfalls mit dem US-Militär kooperiert hatten, an Fahrwerk und Tragflächen festhalten. Lakanwal traf am 8. September 2021 in den Vereinigten Staaten ein, eine Woche nach dem Abzug des Kontingents. Er blieb im Rahmen des Programms "Allies Welcome" in den USA, wo man ihm einen zweijährigen Aufenthalt ohne offiziellen Status ermöglichte.

Sprich: Er war kein zufälliger Flüchtling aus Afghanistan, der in die Vereinigten Staaten kam, weil er die neue Regierung des Landes ablehnte. Er war kein politischer Aktivist, kein Übersetzer und kein Hausmeister auf einem US-Stützpunkt. Er war vielmehr ein Soldat, der von den US-Amerikanern ernährt, bekocht, bewaffnet und ausgebildet wurde.

Damit hat Amerika ihn quasi selbst ausgebildet, um US-Amerikaner zu töten. Die verwundeten Offiziere der Nationalgarde finanzierten mit ihren Steuerzahlungen den Terroranschlag, bei dem sie verwundet wurden.

Und so etwas ist natürlich nichts Neues für die Vereinigten Staaten. Es geschah genauso mit Osama bin Laden am 11. September 2001 und es geschah mit den IS-Terroristen im Irak. Doch was für Washington und seine europäischen Verbündeten noch wichtiger ist: Es wird sich auch noch weitere Male wiederholen.

Der Fahrplan zur Lösung des Ukraine-Konflikts hat eine Chance auf Erfolg, auch wenn er noch verfeinert werden muss; und selbst wenn er scheitert, wird der Konflikt nicht ewig andauern: Früher oder später wird er mit der Niederlage des Kiewer Regimes und seiner Unterstützer enden.

Ob sich dann Ukrainer an die Fahrwerke und Tragflächen der Flugzeuge klammern werden, mit denen die Regierung vom Kiewer Flughafen Borispol aus außer Landes gebracht wird wie einst die afghanischen Kollaborateure, ist ungewiss. Doch so oder so wird ein verarmtes, heruntergekommenes Land zurückbleiben. Mit Hunderttausenden Soldaten, die den brutalsten Krieg seit Jahrzehnten überlebt haben – und das Land liegt immerhin unmittelbar an den Grenzen der EU und bewegt sich von dort naturgemäß keinen Millimeter weg.

Geschichten darüber, wie man für sie alle einen Platz in den ukrainischen Streitkräften nach dem Krieg finden könnte, die – europäischen Fantasien zufolge – 600.000 (oder gar 800.000) Soldaten stark sein sollen, sind nur schwerlich ernst zu nehmen. Die Nachkriegsukraine wird sich nämlich selbst beim besten Willen eine solche Armee nicht leisten können. Sie kann es ja strenggenommen nicht einmal jetzt – ihr gesamter aktueller Staatshaushalt reicht nicht für die aktuellen militärischen Zwecke aus.

Und so wird nach Kriegsende eine Flüchtlingswelle aus diesem bitterarmen Land, darunter ebendiese Soldaten, nach Europa strömen. Was würde ein Europäer antworten, wenn sie ihn auf der Straße fragen:

"Warum habt ihr uns nicht mehr Waffen gegeben? Warum habt ihr uns im Stich gelassen? Warum habt ihr nicht einmal euren eigenen Komfort geopfert?"

Denn angesichts des Verhaltens, das die Ukrainer in Europa schon heute an den Tag legen, werden sie diese Frage mit Sicherheit stellen.

EU-Politiker mögen die Frage heute natürlich in den Wind schlagen und argumentieren, da müsse doch erst Zeit ins Land fließen – und vor allem müssten die Ukrainer selbst überhaupt bis dorthin überleben. Die USA werden diese Frage allerdings nicht ignorieren können:

Derzeit kämpfen neben ukrainischen Staatsbürgern nämlich auch zahlreiche Söldner aus Lateinamerika in den ukrainischen Streitkräften. Viele von ihnen gehören Drogenkartellen an. Ein von den ukrainischen Streitkräften angeheuerter Kolumbianer schilderte beispielsweise:

"Ich bin bereits Vertretern der Kartelle Sinaloa, Golf-Clan und Jalisco sowie Partisanen der ELN, also der kolumbianischen Miliz Namens Nationale Befreiungsarmee, begegnet."

Einige von ihnen werden von der russischen Armee getötet, andere ergeben sich und erhalten hohe Haftstrafen. Doch es gibt auch solche, die derzeit Kampferfahrung sammeln – die aktuellste nach heutigem Stand, auch Erfahrung im Einsatz von Kampfdrohnen – und lange genug überleben oder überleben werden, um in ihre Heimat zurückzukehren.

Und diese Erfahrung wird ihnen im Rahmen des von Donald Trump erklärten Krieges gegen die Drogenkartelle sehr nützlich sein.

Anders als Lakanwal müssen sie nicht erst der Nationalgarde Schusswaffen abnehmen – sie werden die FPV-Drohne, die Fernbedienung dazu und die "Möhrchen"  (Jargonbezeichnung für Granaten der sowjetischen und russischen Panzerfaust der Typenreihe RPG-7, Anm. d. Red.) zum Dranhängen, oder auch etwas Sprengstoff samt Zünder zu demselben Zweck, auch so irgendwie auftreiben können. Und dank der Lehren aus der Ukraine werden sie diese sinnvoll einsetzen können.

Lehren, in deren Genuss sie nur dank des "Fortbildungsprogramms" gekommen sind, das Biden und die EU-Führungsriege bezahlt haben.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei "RIA Nowosti" am 28. November 2025.

David Narmanija ist ein russischer Kolumnist, politischer Beobachter und Kommentator sowie Blogger. Er schreibt Kommentare unter anderem für die Nachrichtenagenturen "RIA Nowosti" und "Sputnik".

Mehr zum Thema - Bericht: Ukraine koordiniert Angriffe von Al-Qaida-Terroristen in Mali

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.