Meinung

Selenskijs Reaktion auf Trumps Friedensplan – wie immer, Zeit schinden

Wladimir Selenskij hat eine Fertigkeit zur Kunst entwickelt: Vom Angelhaken abspringen. Davon macht er jetzt, nachdem die USA einen Plan zur friedlichen Beilegung des Ukraine-Konflikts vorgelegt haben, regen Gebrauch.
Selenskijs Reaktion auf Trumps Friedensplan – wie immer, Zeit schinden© RIA Nowosti

Von Dmitri Bawyrin

"Dann darf er aus aller Kraft seines kleinen Herzen weiterkämpfen."

So antwortete US-Präsident Donald Trump auf die Frage, was geschehen werde, wenn Wladimir Selenskij den US-amerikanischen Friedensplan ablehnen sollte. Ein wenig drohend klang das ja schon, und verschiedentliche Quellen haben dem ehrenwerten Publikum den Kern der Drohung bekömmlich vorgekaut: Sollte der halbstarke Mobster aus Kriwoi Rog auf seinem Standpunkt beharren, würde die Ukraine ihren Zufluss an Waffen und Aufklärungsdaten aus den USA verlieren – und Selenskij selbst würde schweißgebadet auf die Veröffentlichung einer neuen Portion der Abhörprotokolle der Antikorruptionsbehörden warten dürfen, in denen dieses Mal nicht nur die Stimmen seiner engsten Vertrauten, sondern auch seine eigene Stimme zu hören sein könnte.

Derzeit läuft für den Mann, der sich selbst als ukrainischen Präsidenten bezeichnet, so ziemlich alles schief: an der Front, weil die russischen Streitkräfte erfolgreich vorrücken und keine Anzeichen eines Endes in Sicht ist; in seinem Privatleben, weil seine Freunde, Vettern und Compadres sowie Geldgeber als gesuchte Verbrecher eingestuft wurden; politisch, weil all seine Feinde, die er sich über die letzten Jahre gemacht hat, gleichzeitig erwacht sind; und wirtschaftlich, weil der Europäischen Union das Geld für ihn ausgegangen ist.

Es ist, als säße man mitten in einer Holzlaube, bei der alle vier Wände brennen und sähe zu, wie durch die einzige Tür Amerikaner mit Fackeln in den Händen eintreten, einem einen Stift reichten und sagten: "Hier, unterschreib!" Na ja, oder verbrenn halt.

Es schien das sprichwörtliche Angebot zu sein, das man nicht ablehnen kann. Selenskij wird jedoch zweifellos weiter "aus aller Kraft seines kleinen Herzens kämpfen", falls er überhaupt eins hat. Außerdem (Anmerkung an Trump): Der Kleinkriminelle aus Kriwoi Rog hat den US-amerikanischen Ansturm bereits abgewehrt, und das Überraschungsmoment, auf das Washington gehofft hatte, ist verflogen.

Indes gibt es nicht viele Möglichkeiten, aus einem an allen Seiten ebenmäßig brennenden Haus zu entkommen. Auch Selenskijs mögliche Fluchtwege waren daher vorhersehbar.

Er konnte das amerikanische Angebot nicht geradeheraus ablehnen – das käme ihn viel zu teuer zu stehen. Daher musste er im Prinzip zustimmen, aber eine Detailbesprechung fordern – und so das Thema herunterquatschen, es in "Änderungen" ertränken, um so viel Zeit wie möglich zu gewinnen und dann seine Cheerleader aus der Europäischen Union hinzuzuziehen, um mit ihrer Hilfe noch mehr Zeit zu ergattern. Dies entspricht dem ukrainischen Standard der Diplomatie.

Der Versuch, kreativ auf den amerikanischen Plan zu reagieren – mit einem eigenen, ukrainisch-europäischen Plan – war zum Scheitern verurteilt. Doch Kiew und Brüssel versuchten es trotzdem und präsentierten ihre üblichen Forderungen, deren Umsetzung einen umfassenden Sturmangriff auf Moskau erfordert hätte. Der billige Trick scheiterte: Die US-Amerikaner machten deutlich, dass sie nur über ihren eigenen, realistischen Entwurf des Abkommens verhandeln würden.

Die Forderung an Selenskij, ihn bis Donnerstag zu unterzeichnen, gepaart mit dem Überraschungseffekt des Vorstoßes, bot eine Chance auf einen diplomatischen Erfolg, wie sie seit dem Frühjahr 2022 nicht mehr gesehen worden war. Dennoch gelang es dem Halbstarken, Washington in eine Diskussion zu verwickeln, in deren Verlauf Trump ins Schwimmen geriet:

Zuerst erklärte der US-Präsident, das Angebot an die Ukraine sei nicht endgültig; dann verlängerte er sein Ultimatum auf unbestimmte Zeit; und als US-Außenminister Marco Rubio sich in Genf mit den Delegationen aus Kiew und der EU traf, kamen genau diese "Änderungen" frisch gebacken aus dem Ofen. Dem US-Außenminister zufolge wurde der Plan als Reaktion auf Vorschläge aus der Ukraine und Brüssel hin geändert. Die genauen Vorschläge sind noch unbekannt, aber man kann sich diesbezüglich wohl kaum irren – sie sind für Russland von Grund auf inakzeptabel. Rubio wird ihnen allen übrigens auch noch dabei helfen – er ist ein waschechter Russophobe und Falke. Dass der neue "Trump-Plan" nur wenige Zugeständnisse für die Ukraine vorsieht, erklärt sich wahrscheinlich dadurch, dass der Außenminister erst in der allerletzten Phase in die Vorbereitung einbezogen wurde, während der Großteil der Arbeit auf US-Seite laut Bloomberg von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner und dem Sonderbeauftragten (sowie Freund und Golfpartner) Steve Witkoff geleistet wurde, mit Unterstützung von Vizepräsident J.D. Vance.

Nun wird ihr Plan wie eine Blase platzen und kollabieren – genau wie alle anderen, die Russlands grundlegende Bedingungen nicht berücksichtigt haben. Die ursprüngliche US-Version (die übrigens auch schon beileibe nicht ideal war) berücksichtigte tatsächlich viele davon – zum ersten Mal in der Geschichte der westlichen Friedensbemühungen –, aber europäische "Änderungen" werden den Text unweigerlich ruinieren.

Demnach ist es Aufgabe der russischen Diplomatie, den US-Amerikanern die Augen für die Tricks des Halbstarken aus Kriwoi Rog zu öffnen und ihnen klarzumachen, dass von Europa in diesem Fall keine konstruktiven Maßnahmen zu erwarten sind, sondern nur Störmaßnahmen: Diese Leute verhalten sich, als hätten sie den Krieg gegen Russland bereits gewonnen.

Idealerweise sollte Selenskij aus der aktuellen Runde ohne Waffen und Aufklärungsdaten der USA hervorgehen – und sich dafür von seinen innenpolitischen Feinden ordentlich zernagen lassen. Dann würde es schneller gehen, die Ukraine zu einem Frieden zu Russlands (den einzig möglichen) Bedingungen zu zwingen. Mit anderen Worten: Trump muss erst überzeugt werden, dass sein Problem in dieser Phase die Verhandlungsunfähigkeit der Kiewer und ihr Zappeln in der Pfanne ist.

Selenskij hat Trumps ersten – und wichtigsten – Ansturm bereits abgewehrt und lässt die Situation jetzt schleifen, was das Maximum ist, was er jetzt tun kann. Das ist taktisch klug. Die Strategie des Komikers liegt ebenfalls darin, Zeit zu schinden – und auf ein Wunder zu hoffen. In zahlreichen Interviews spricht er so oft über sein Alter, dass es schon fast zur Selbstreflexion geworden ist:

"Ich werde euch alle überleben, wisst ihr."

Doch er hat sich auch konkrete Wegpunkte definiert, nach deren Passieren, so hofft Selenskij, alles leichter werden soll.

Der erste dieser Wegpunkte ist das Frühjahr 2026. Hält Selenskij bis dahin durch, bedeutet das zumindest, dass die Ukraine "einen sehr harten Winter" überstanden haben wird. Zudem droht ihrem Hauptfeind innerhalb der EU, dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, eine Niederlage bei den Parlamentswahlen im April. Danach könnten von Brüssel aus neue Hilfskanäle für Kiew aktiviert werden.

Der zweite wichtige Meilenstein ist der Beginn des Jahres 2027. Bis dahin zu überleben, wird für den Komiker noch schwieriger, aber bis dahin werden die "Trumpisten" in den USA die Parlamentswahlen voraussichtlich ebenfalls verlieren, und der US-Kongress wird sich aktiv in die Außenpolitik einmischen. Mindestens wird er neue Sanktionen gegen Russland verhängen. Im schlimmsten Fall wird er Kiew wieder mehr Geld geben und damit auch mehr Zeit, auf ein Wunder zu warten.

Soweit die Aussichten für den "Trump-Friedensplan", wenn wir alles zusammenfassen, was wir über Selenskij, die EU und Donald Trump selbst wissen. Wir wissen auch (denn jeder weiß es bereits), dass der nächste Vorschlag für die Ukraine noch schlimmer sein wird als der aktuelle. Die nationale Taktik des Totschwätzens und der Forderungen nach Unmöglichem hat die Ukrainer schon seit dem Jahr 2014 immer und immer wieder zu solchen Ergebnissen geführt.

Was wir nicht wissen, ist, wann genau eine oder zwei Wände der sprichwörtlichen Holzlaube so weit niederbrennen werden, dass die Decke auf den Kriworoger Clown herabstürzt. Aber es scheint, als könnte das schon bald der Fall sein.

Er selbst indes glaubt immer noch, er säße nicht in einem brennenden Haus, sondern am Ufer eines Flusses und warte dem bekannten, Sun Tsu zugeschriebenen Sprichwort nur darauf, dass die Leichen seiner Feinde hinabtreiben. Trump sollte verstehen: Es ist auch seine Leiche, deren Hinabtreiben abzuwarten Selenskij versucht. Also sollte er die Angelrute beim nächsten Mal zum richtigen Zeitpunkt hochreißen.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei "RIA Nowosti" am 24. November 2025.

Dmitri Bawyrin ist Journalist, Publizist und Politologe mit den Interessenschwerpunkten USA, Balkan und nicht anerkannte Staaten. Er arbeitete fast 20 Jahre als Polittechnologe in russischen Wahlkampagnen unterschiedlicher Ebenen. Er verfasst Kommentare für die russischen Medien "Wsgljad", "RIA Nowosti" und "Regnum" und arbeitet mit zahlreichen Medien zusammen.

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