
Die Änderung der G20-Agenda untergräbt die Monopolstellung des Westens

Von Igor Makarow
In Johannesburg fand der nächste Gipfel der Gruppe der 20 statt. Zum ersten Mal blieben die Staatschefs der USA, Chinas und Russlands dem G20-Gipfel fern; die Tagesordnung des Gipfels wurde weitgehend von Diskussionen über die Ukraine dominiert. Außerdem gerät das Format der G20 zunehmend in die Kritik. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beispielsweise erklärte sogar, dass die G20 ihre Daseinsberechtigung verlieren könnte, da sie nicht in der Lage sei, auf die Herausforderungen der heutigen Zeit zu reagieren.
Ich denke, dass die Realität etwas komplexer ist. Die G20 wurde als Plattform für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik der größten Länder der Welt konzipiert. Sie hat diese Rolle in den Jahren 2009 bis 2010 hervorragend erfüllt und einen großen Beitrag zur Abmilderung der Folgen der globalen Wirtschaftskrise geleistet.

Doch dann nahmen die Konflikte in der Welt zu, die Weltwirtschaft begann sich zu fragmentieren und es kam zu Sanktionen und Handelskriegen. Der Handelskrieg der USA gegen China und die Sanktionen des Westens gegen Russland kennzeichneten eine Situation, in der einige Mitglieder der Gruppe der 20 offen wirtschaftliche Hebel einsetzen, um anderen Mitgliedern wirtschaftlichen Schaden zuzufügen. Unter solchen Umständen klingt das Ziel, irgendetwas zu koordinieren, geradezu sinnlos.
Gleichzeitig haben die Entwicklungsländer, die derzeit seit vier Jahren in Folge den Vorsitz innehaben, die Führungsrolle in der Gruppe der 20 übernommen. Sie haben den Schwerpunkt der G20-Agenda logischerweise auf Entwicklungsfragen verlagert. Dieses Jahr war der Höhepunkt: Die aktuelle Erklärung der Staats- und Regierungschefs widmet sich zu etwa 100 Prozent Fragen der nachhaltigen Entwicklung. Dabei gibt es starke Überschneidungen mit der Erklärung der BRICS-Staaten. Man könnte sogar sagen, dass die G20 zu einem Kommunikationsformat der BRICS-Staaten mit der westlichen Welt geworden ist.
Für die westlichen Länder ist die Hinwendung der G20 von der makroökonomischen Koordinierung zur nachhaltigen Entwicklung äußerst unangenehm. Erstens, weil sie eng mit der Diskussion über die Entwicklungsfinanzierung verbunden ist, die gerade vom Westen gefordert wird. Zweitens, weil sich gerade um die Agenda der nachhaltigen Entwicklung herum Forderungen der Entwicklungsländer wie die Reform der globalen Finanzarchitektur, die Verringerung der Abhängigkeit vom US-Dollar, der Übergang zu Open Source bei der Entwicklung künstlicher Intelligenz, der Ausbau der digitalen öffentlichen Infrastruktur oder eine globale Steuerreform drehen. All diese Initiativen untergraben faktisch die eine oder andere Monopolstellung der westlichen Länder. Sie wollen sich nicht ernsthaft an diesen Diskussionen beteiligen, können sie aber auch nicht torpedieren. Sie müssen zuhören, haben aber selbst im Grunde nichts dazu zu sagen.
In gewisser Weise liegt darin heute der Wert der G20. Die wichtigste Plattform für den Dialog zwischen den Entwicklungsländern und den Industrieländern nimmt den Ersteren die Illusion, dass ein solcher Dialog möglich ist. Um voranzukommen, ist es jedoch auch notwendig, sich von Illusionen zu befreien.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 24. November 2025 auf der Website der Zeitung "Wsgljad" erschienen.
Igor Makarow ist Leiter der Abteilung für Weltwirtschaft der Fakultät für Weltwirtschaft und Weltpolitik der Nationalen Forschungsuniversität Wirtschaftshochschule Moskau.
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